OGH 8Ob574/93

OGH8Ob574/9317.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.E.Huber, Dr.Jelinek, Dr.Rohrer und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alfred P*****, vertreten durch Dr.Manfred Müllauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Eduard P*****, wegen S 122.500,- s.A. infolge außordentlichen Revisionsrekurses des Klägers gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 26.März 1993, GZ 16 R 51/93-5, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 26.Februar 1993, GZ 25 Cg 63/93-5, bestätigt, wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Im Verlassenschaftsverfahren nach Johann P*****, dem Vater der Streitteile, wurde das Nachlaßaktivum vom S 9.374,20 mit Beschluß des Verlassenschaftsgerichtes vom 15.5.1992 Helene P***** an Zahlungs statt überlassen.

Mit der am 12.2.1993 bei Gericht eingelangten Klage begehrt der Kläger vom Beklagten die Zahlung eines Betrages von S 122.500,- und bringt zur Begründung vor, im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens seien zwei vom Beklagten treuhändig verwahrte Sparbücher mit Einlagen von insgesamt S 225.000,- zu berücksichtigen gewesen, wovon dem Beklagten und dem Kläger als gesetzlichen Erben jeweils die Hälfte gebühre. Da es sich beim eingeklagten Anspruch somit um einen solchen aus dem Erbrecht handle, sei der Gerichtsstand des § 77 Abs 1 JN gegeben.

Das Erstgericht wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Es erklärte dem Revisionsrekurs für nicht zulässig und führte zur Begründung aus:

Der Gerichtsstand des § 77 Abs 1 JN bestehe nur solange, als nicht eine Einantwortung des Nachlasses, die Überlassung an Zahlungs statt usw., rechtskräftig ausgesprochen worden sei. Nach der Einantwortung vermöge auch die Einleitung einer Nachtragsabhandlung den Gerichtsstand nach § 77 Abs 1 JN nicht wiederherzustellen, ebensowenig das bloße nachträgliche Hervorkommen eines Nachlaßvermögens. Die Begrenzung des Gerichtsstandes durch die Einantwortung oder den sonstigen rechtkräftigen Abschluß der Verlassenschaftsabhandlung gelte für alle in § 77 Abs 1 JN genannten Klagen. Daher seien Erbrechtsansprüche, die nach der Einantwortung nur mehr in Form der Klage auf Herausgabe des Nachlasses gegen den Scheinerben (Erbschaftsklage nach § 823 ABGB) erhoben werden könnten, oder ähnliche Ansprüche nur mehr beim allgemeinen Gerichtsstand des Erben geltend zu machen.

Da hier der Nachlaß an Zahlungs statt überlassen und der Beschluß in Rechtskraft erwachsen sei, erscheine das Verlassenschaftsverfahren abgeschlossen und die Zuständigkeitsvoraussetzungen des § 77 Abs 1 JN seien daher weggefallen. Der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten liege nicht im Sprengel des Erstgerichtes.

Gegen die rekursgerichtliche Entscheidung erhebt der Kläger außerordentlichen Revisionsrekurs mit dem Abänderungsantrag, die Zuständigkeit des Erstgerichtes für den vorliegenden Rechtsstreit zu bejahen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) Ausspruch des Rekursgerichtes zulässig, er ist aber nicht gerechtfertigt.

Nach der Anordnung des § 77 Abs 1 JN "bestimmt sich der Gerichtsstand für Klagen, durch die Erbrechte oder Ansprüche aus Vermächtnissen oder sonstigen Verfügungen auf den Todesfall geltend gemacht werden, ........ solange die Einantwortung nicht erfolgt ist, nach dem Sitz des Gerichtes, bei welchem die Nachlaßabhandlung anhängig ist".

Es trifft nun im Sinne der Behauptungen des Revisionswerbers zu, daß zur Frage, ob eine Überlassung des Nachlasses an Zahlungs statt einer bereits erfolgten Einantwortung des Nachlasses gleichzuhalten ist und der Gerichtsstand des § 77 Abs 1 JN daher ebenfalls nicht mehr beansprucht werden kann, keine aktuelle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorhanden ist; die Entscheidung GlU 8.008, die besagt, daß dieser Gerichtsstand dann, wenn keine Einantwortung erfolgt ist, mit dem Ausspruch der Erblosigkeit des Nachlasses und seiner durchgeführten Übergabe an den Fiskus endet, stammt aus dem Jahre 1880 und liegt demnach mehr als 110 Jahre zurück. Die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO liegen daher vor.

In der Sache selbst ist aber der Rechtsansicht der Vorinstanzen beizupflichten. Zweck der Bestimmung des § 77 Abs 1 JN ist es offenbar, die auf das Nachlaßvermögen bezogenen Klageführungen während des anhängigen Verlassenschaftsverfahrens auch am Sitze des Verlassenschaftsgerichtes zu ermöglichen. In diesem Sinne besteht aber kein Grund dafür, diesen Gerichtsstand allein durch die ausdrücklich im Gesetz angeführte Einantwortung des Nachlasses, nicht aber durch einen in anderer Weise erfolgten Abschluß des Nachlaßverfahrens zeitlich zu begrenzen. Auch Fasching vertritt die Ansicht (I 408 f), daß mit der Überlassung des Nachlasses an Zahlungs statt dieser Gerichtsstand wegfällt und ebenso - wie schon in der vorgenannten Entscheidung GlU 8.008 ausgesprochen wurde - mit der Übergabe des erbslosen Nachlasses nach dem Heimfall an die Republik Österreich.

Somit besteht entgegen der Ansicht des Rekurswerbers, der Gerichtsstand des § 77 Abs 1 JN grundsätzlich nur während der Anhängigkeit des Verlassenschaftsverfahrens. Hier wurde nach den vorinstanzlichen Feststellungen durch die Überlassung der Nachlaßaktiva an Zahlungs statt das Verlassenschaftsverfahren rechtskräftig beendet. Dies nimmt der Kläger auch dadurch zur Kenntnis, daß er den Anspruch als Miterbe einer nach seinen Behauptungen zum Nachlaßvermögen gehörenden Spareinlage nicht durch Antragstellung im Verlassenschaftsverfahren sondern im Rechtsweg geltend macht.

Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.

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