OGH 8Ob56/66

OGH8Ob56/6615.3.1966

SZ 39/49

Normen

ZPO §20
ZPO §130 (2)
ZPO §163
ZPO §168
ZPO §193
ZPO §20
ZPO §130 (2)
ZPO §163
ZPO §168
ZPO §193

 

Spruch:

Nach Schluß der mündlichen Verhandlung in erster Instanz können die Parteien Ruhen des Verfahrens nicht mehr gültig vereinbaren

Entscheidung vom 15. März 1966, 8 Ob 56/66

I. Instanz: Bezirksgericht Favoriten; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

Die klagende Partei kundigte der beklagten Partei das im Hause in Wien 10, H.-Gasse 10, gemietete Geschäftslokale für den 31. Dezember 1964 auf. Nach rechtskräftig erhobenen Einwendungen durch den Masseverwalter in dem damals über das Vermögen der beklagten Partei eröffneten - inzwischen eingestellten - Konkursverfahren trat dem Rechtsstreit u. a. die Rekurswerberin als Nebenintervenientin auf seiten der beklagten Partei bei. Diese Nebenintervention wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 28. Jänner 1965 zugelassen. Am 29. März 1965 wurde die Verhandlung geschlossen und der Beschluß verkundet, daß das Urteil schriftlich ergehe. Vor Abgabe des Urteiles an die Geschäftsabteilung langte beim Erstgericht ein gemeinsamer Schriftsatz der klagenden und der beklagten Partei mit der Anzeige des vereinbarten Ruhens des Verfahrens ein.

Das Erstgericht hat das Urteil, das die Aufkündigung aufhob, erlassen, und den Parteien am 2. bzw. 3. Juni 1965 zugestellt.

Das Berufungsgericht ordnete infolge Berufung der klagenden Partei gemäß dem in der Berufung gestellten Antrag zunächst für den 21. September 1965 eine mündliche Berufungsverhandlung an, widerrief jedoch mit Beschluß vom 20. September 1965 diese Anordnung und sprach aus, daß eine Berufungsverhandlung nicht stattfinde. Es sandte sodann den Akt dem Erstgericht zurück.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Nebenintervenientin Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes vom 20. September 1965 auf und trug dem Berufungsgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zunächst war die Frage zu prüfen, ob der Rekurs der Nebenintervenientin überhaupt zulässig ist.

An sich ist ein Rekurs gegen die Versagung der Anordnung einer Tagsatzung zulässig (arg. e contrario § 130 (2) ZPO., Pollak, Österreichisches Zivilprozeßrecht[2], I. Band, § 90 III d, nach Anm. 34, S. 434). Die Nebenintervenientin, die den Rekurs eingebracht hat, ist Untermieter der beklagten Partei. Als solche hat sie die Stellung eines streitgenössischen Nebenintervenienten nach § 20 ZPO. und wird prozessual als Partei behandelt, ist aber materiellrechtlich nicht Partei (Fasching, Komm. zu den ZP.- Gesetzen, II. Band, zu § 20 ZPO., Anm. 6, S. 231). Daher kann sie keine materiellrechtlichen Verfügungen über den Streitgegenstand treffen. Der Hauptmieter kann vielmehr über seine Mietrechte auch zum Nachteil des Untermieters verfügen (Jud. 31 neu, Fasching a. a. O., Anm. 3, S. 229). Wenn der streitgenössische Nebenintervenient auch in der Stellung prozessualer Anträge im allgemeinen nicht beschränkt ist, bringt es die Sonderstellung des Untermieters mit sich, daß er den Eintritt des Ruhens auf Grund einer Parteivereinbarung über den Streitgegenstand nicht verhindern kann, dies auch dann nicht, wenn er der Vereinbarung nicht zugezogen wurde, weil er auf eine solche Zuziehung keinen Anspruch hat (Fasching a. a. O., Anm. 6, 2. Abs., S. 231). Ein solcher Nebenintervenient ist daher auch nicht berechtigt, einen Beschluß, der vom Gericht als Folge des vereinbarten Ruhens gefaßt wird, zu bekämpfen.

Die Rekurswerberin meint nun, die Parteien hätten das Ruhen des Verfahrens nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht gültig vereinbaren können, die Vereinbarung sei daher wirkungslos. Sie stützt sich dabei darauf, daß nach § 169 ZPO. das Ruhen des Verfahrens so lange dauere, bis von einer der Parteien die Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung oder, wenn das Verfahren während des Laufes einer Frist zur Vornahme einer Prozeßhandlung eingestellt wurde, die neuerliche Bestimmung einer Frist für diese Prozeßhandlung beantragt wird. Daraus, daß einer der hier genannten Fälle der Fortsetzung des Verfahrens nicht in Betracht kommt, schließt die Rekurswerberin, daß das Ruhen nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht gültig vereinbart werden konnte.

Nach der in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vertretenen, im Gegenstandsfall aufrechterhaltenen Rechtsansicht kann in der Rechtsmittelinstanz Ruhen des Verfahrens nicht eintreten (ZBl. 1926 Nr. 306, SZ. XXI 8). Wollte man nun der nach Schluß der mündlichen Verhandlung getroffenen Vereinbarung des Ruhens Rechtswirksamkeit zuerkennen, käme dies auf ein Ruhen des Berufungsverfahrens hinaus; denn der Oberste Gerichtshof billigt die in der Lehre vertretene Ansicht, daß auch während des Ruhens des Verfahrens Rechtsmittelfristen - auch eine Unterbrechung wäre auf den Beginn solcher Fristen nach § 163 (1) ZPO. ohne Einfluß - beginnen und ablaufen (Fasching a. a. O., II. Band, zu § 168 ZPO., Anm. 4, S. 807, und Pollak, Österreichisches Zivilprozeßrecht[2] § 91 III b, S. 445), sonach trotz Ruhens das Urteil gemäß §§ 168, 163

(3) ZPO. zugestellt und über ein eingebrachtes Rechtsmittel auch entschieden werden muß, wobei noch darauf hinzuweisen ist, daß gemäß § 491 ZPO. auch das Ausbleiben beider Parteien von der Berufungsverhandlung der Entscheidung über die Berufung nicht im Wege steht.

Geht man aber von diesen Erwägungen aus, gelangt man zu dem Ergebnis, daß die Parteien nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz das Ruhen des Verfahrens nicht gültig vereinbaren konnten. Damit ist im vorliegenden Falle die Legitimation der Nebenintervenientin zur Anfechtung des Beschlusses des Berufungsgerichtes über die Abberaumung der mündlichen Berufungsverhandlung und die Berechtigung dieses Rekurses gegeben.

Es war daher dem Rekurs Folge zu geben.

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