Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden derart abgeändert, daß die Aufkündigung vom 3. Juli 1989, 5 K 102/89, als wirksam erkannt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen a) die Wohnung im ersten Obergeschoß des Hauses Salmannsdorferstraße 88 in 1190 Wien geräumt zu übergeben und
b) die mit S 26.169,04 bestimmten Kosten des Verfahrens (einschließlich der Barauslagen von S 3.490 und der Umsatzsteuer von S 3.779,84) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Vertrag vom 1. September 1981 mietete die Beklagte vom Kläger die im ersten Obergeschoß des Hauses S*****straße 88 im
19. Wiener Gemeindebezirk befindliche Wohnung. Im Punkt 4 Abs. 4 des schriftlichen Mietvertrages wurde als wichtiger Kündigungsgrund vereinbart, daß der Vermieter das Haus veräußert und der Erwerber zur Wirksamkeit des Veräußerungsvertrages die ausdrückliche Bedingung stellt, daß der Mietgegenstand unvermietet an ihn übergeben wird.
Am 22. Juni 1989 verkaufte der Kläger die Liegenschaft, auf der sich das gegenständliche Haus befindet; die Verbücherung erfolgte am 22. August 1989.
Hinsichtlich der Wohnungen enthält der Kaufvertrag folgende Bestimmung:
"Die kaufgegenständlichen Liegenschaften werden samt allem rechtlichen und tatsächlichem Zubehör mit allen Rechten und Pflichten, so wie diese der Verkäufer bisher besessen und benutzt hat oder doch zu besitzen und benutzen berechtigt war, an die Käuferin verkauft und übergeben.
Die Käuferin hat die kaufgegenständlichen Liegenschaften besichtigt und ist ihr deren jeweiliger Zustand bekannt.
Der Verkäufer haftet jedoch dafür, daß das gesamte Erdgeschoß sowie die im Dachgeschoß befindliche Mansardenwohnung hinsichtlich der sub I.a genannten Liegenschaft bestandfrei an die Käuferin übergeben wird. Des weiteren haftet der Verkäufer für die Bestandfreiheit der sub. I.b genannten Liegenschaft."
Der Kläger kündigte mit der vorliegenden Klage das mit der Beklagten abgeschlossene Bestandverhältnis gemäß § 30 Abs. 2 Z 13 MRG mit der Begründung, mit Kaufvertrag vom 22. Juni 1989 sei die Liegenschaft an die Firma G***** Gesellschaft mbH verkauft worden. Im Punkt 5 des Kaufvertrages sei festgehalten, daß für die Käuferin wesentliche Bedingung für diesen Kaufvertrag die Bestandfreiheit der aufgekündigten Wohnung sei. Der im Mietvertrag vereinbarte Kündigungsgrund der Veräußerung sei dadurch verwirklicht.
Die Beklagte bestritt die Aktivlegitimation des Klägers und vertrat in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, die im Punkt 4 Abs. 4 des Mietvertrages getroffene Vereinbarung des Kündigungsgrundes der Veräußerung des Hauses sei rechtsunwirksam. Der für den Vermieter bestehende wirtschaftliche Grund, nämlich die Erzielung eines höheren Kaufpreises für ein bestandfreies Objekt, sei von der Rechtsprechung nicht als objektiv wichtiger Kündigungsgrund anerkannt worden.
Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das diesbezügliche Räumungsbegehren ab.
Über den eingangs wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhalt hinausgehend traf es folgende wesentliche Feststellungen:
Das Haus S*****straße 88 besteht aus vier Wohneinheiten, die selbständig nutzbar sind. Davon wurde die Wohnung im Dachgeschoß durch nachträglichen Ausbau geschaffen. Der ehemaligen Hausbesorgerwohnung im Keller, die aus zwei kleinen Zimmern, Küche, Bad und WC bestand, wurde im Jahre 1961 wegen Mauerfeuchtigkeit der Benützungskonsens entzogen.
Zwischen den Parteien des Kaufvertrages über die Liegenschaft, auf der sich das Haus S*****straße 88 befindet, herrschte Übereinstimmung, daß wesentliche Bedingung der Käuferin für diesen Kaufvertrag die Bestandfreiheit der Wohnung im ersten Obergeschoß ist.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, nur bei Ein- oder Zweifamilienhäusern stehe ein aufrechtes Bestandverhältnis der Veräußerung hindernd im Wege. Das Haus S*****straße 88 habe aber sowohl im Zeitpunkt des Abschlusses des Bestandvertrages mit der Klägerin als auch im Zeitpunkt des Verkaufes drei selbständig nutzbare Bestandobjekte aufgewiesen. Gemäß § 30 Abs 2 Z 13 MRG habe der Verkauf des Hauses als Kündigungsgrund nicht rechtswirksam vereinbart werden können.
Das Berufungsgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung und vertrat die Rechtsansicht, für die Auslegung des Begriffes "Ein- oder Zweifamilienhaus" komme es nicht auf den Wortlaut der Bestimmung des § 1 Abs 4 Z 2 MRG an, sondern allein auf die Anzahl der vermietbaren Objekte, sodaß von einem Wohnhaus mit zumindest drei selbständigen Wohneinheiten auszugehen sei. Im Sinne der Entscheidung 3 Ob 508/88 sei ein besonderes Anliegen des Vermieters auf Auflösbarkeit des Bestandvertrages im Hinblick auf die Mehrzahl der verwertbaren Bestandobjekte zu verneinen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß gerade der gegenständliche Bestandvertrag der Verwertbarkeit der Liegenschaft entgegenstehe, sodaß sich eine Überprüfung der Auswirkungen des mit der Beklagten abgeschlossenen Mietvertrages auf den Kaufpreis erübrige.
Die ordentliche Revision wurde mit der Begründung für zulässig erklärt, daß eine Rechtsprechung über die Rechtswirksamkeit der Vereinbarung des Kündigungsgrundes des Verkaufes bei einem Haus mit zumindest drei selbständigen Wohneinheiten nicht vorliege.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung der Kündigung Folge zu geben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte begehrte in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Zutreffend hat das Berufungsgericht zur Begründung des Ausspruches gemäß § 500 Abs 2 Z 3 ZPO ausgeführt, daß eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob bei einem Haus mit drei selbständigen Wohneinheiten der Verkauf des Hauses rechtswirksam als Kündigungsgrund vereinbart werden kann, nicht vorliegt. Dieser Frage kommt daher erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu.
Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, das Erstgericht hätte Beweise darüber aufnehmen müssen, daß der Keller als Bestandobjekt überhaupt nicht benutzbar ist und der Dachboden nachträglich ausgebaut wurde. Es liege daher ein "Zweifamilienhaus" vor, sodaß die Vereinbarung des Kündigungsgrundes der Veräußerung des Hauses rechtswirksam sei. Die Gleichartigkeit des Hauses S*****straße 88 mit einem Ein- oder Zweifamilienhaus ergebe sich auch aus der geringen Größe der Nutzfläche und der fehlenden Möglichkeit der Sanierbarkeit. Ohne Auflösung des Mietverhältnisses mit der Beklagten sei im konkreten Fall ein angemessener Kaufpreis nicht erzielbar.
Dazu wurde erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Der vorliegende Bestandvertrag wurde zwar vor Inkrafttreten des MRG abgeschlossen, doch sind die Vorinstanzen und auch die Parteien zutreffend davon ausgegangen, daß das erste Hauptstück des MRG auch für diesen Vertrag gilt (§ 43 Abs 1 MRG).
Das Mietverhältnis an der der Beklagten in Bestand gegebenen Wohnung unterliegt den Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG. Der Vermieter kann den Mietvertrag nur aus wichtigen Gründen kündigen. Gemäß § 30 Abs 2 Z 13 MRG ist es als ein wichtiger Grund für die Kündigung eines Mietvertrages anzusehen, wenn ein im Mietvertrag schriftlich als Kündigungsgrund vereinbarter Umstand eintritt, der in bezug auf die Kündigung oder die Auflösung des Mietverhältnisses für den Vermieter (Untervermieter), für seine nahen Angehörigen oder für das Unternehmen, für das der Vermieter (Untervermieter) allein oder in Gemeinschaft mit anderen Personen vertretungsbefugt ist, als wichtig und bedeutsam anzusehen ist. Der nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG vereinbarte Kündigungsgrund muß den sonst im § 30 Abs 2 MRG angeführten Gründen zwar nicht gleich-, aber nahekommen (MietSlg. 40.471/11 = SZ 61/52 = ImmZ 1989, 154; 8 Ob 609/90; Würth in Rummel, ABGB, Rz 45 zu § 30 MRG).
In der Entscheidung MietSlg. 35.382/36 wurde ausgeführt, für das Vorliegen einer nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG (§ 19 Abs 6 MG) zulässigen Vereinbarung des Kündigungsgrundes des Verkaufes des Bestandobjektes sei nur erforderlich, daß diese für die Vermieterin wichtige und bedeutsame Tatsache schriftlich als Kündigungsgrund vereinbart worden sei. Bestandobjekt war in diesem Fall ein "Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen".
In der Entscheidung MietSlg. 40.471/11 = SZ 61/52 = ImmZ 1989, 154 wurde die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen des § 30 Abs 2 Z 13 MRG seien dann als gegeben anzusehen, wenn ein in Erwägung gezogener Verkauf eines Einfamilienhauses als Kündigungsgrund vereinbart werde. Wenn das Bestandverhältnis der Verwertung der Liegenschaft hindernd entgegenstehe, müsse das besondere Anliegen des Vermieters auf Auflösung des Bestandvertrages anerkannt werden.
In der Entscheidung ImmZ 1989, 153 wurde schließlich dargelegt, es mache keinen wesentlichen Unterschied, ob ein Einfamilienhaus oder ein Objekt mit zwei selbständigen Wohnungen verkauft werden solle. Maßgebend sei, daß bei kleinen Wohnobjekten die Frage, ob diese Objekte zur Gänze frei sind oder nicht, für die Verwertungschancen und die Preisbildung von ausschlaggebender Bedeutung sein könne, was bei Zinshäusern im allgemeinen zumindest nicht in diesem Ausmaß der Fall sei. Wolle man die Bestandfreiheit bei kleinen Objekten nicht als für den Vermieter wichtig und bedeutsam anerkennen, würde man Hauseigentümer, die die Veräußerung eines Ein- oder Zweifamilienhauses in absehbarer Zeit in Erwägung ziehen, außerstande setzen, Wohnungen in diesem Haus zu vermieten. Für größere Objekte treffe diese Erwägung im allgemeinen nicht zu, was eine andere Bedeutung in Ausnahmefällen allerdings nicht ausschließe.
Nach Ansicht des erkennenden Senates kann es bei der Beurteilung der Frage, ob die Veräußerung des Hauses rechtswirksam als Kündigungsgrund für das Mietrechtsverhältnis bezüglich einer darin gelegenen Wohnung vereinbart werden kann, nicht allein auf die Anzahl der im Bestandobjekt befindlichen Wohnungen ankommen, vielmehr bedarf es einer Wertung im Einzelfall (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 59 zu § 43 MRG). Es liegt auf der Hand, daß im Falle der Vermietung einer Wohnung in einem Ein- oder Zweifamilienhaus - vor allem bei niedrigem Mietzins - diese Tatsache für den Verkäufer objektiv wichtig sein kann, weil diese Objekte derart vermietet zu einem vernünftigen Preis kaum verkäuflich sind (Würth-Zingher aaO), es kann aber bei der Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Vereinbarung des Kündigungsgrundes der Veräußerung des Hauses nicht rein mechanisch an die Zahl der vermietbaren Wohnungen angeknüpft werden. Es bedarf vor allem einer Gegenüberstellung der für das Haus erzielbaren Kaufpreise mit und ohne Vermietung des strittigen Bestandobjektes. Nur dann, wenn bei Vermietung des strittigen Mietobjektes ein vernünftiger Kaufpreis nicht erzielbar ist, wenn also die Differenz der erzielbaren Kaufpreise sehr erheblich ist, muß der Kündigungsgrund der Veräußerung des Hauses als "wichtig und bedeutsam" angesehen werden. Im vorliegenden Fall ist aufgrund der Lage des Hauses in dem besonders starker Wohnungsnachfrage ausgesetzten 19. Wiener Gemeindebezirk und der deshalb dort sehr geringen Anzahl vermietbarer Wohnungen offenkundig, daß die Differenz der erzielbaren Kaufpreise, je nachdem ob die gegenständliche Wohnung vermietet ist oder nicht, sehr erheblich ist; der Kündigungsgrund der Veräußerung des Hauses konnte deshalb rechtswirksam vereinbart werden und er liegt auch tatsächlich vor.
Entgegen der vom Kläger vertretenen Rechtsansicht kann die Kündigung sowohl vom Vermieter als auch von dessen Rechtsnachfolger ausgesprochen werden (SZ 61/52
= MietSlg. 40.471/11 = ImmZ 1989, 154).
Es war daher der Revision Folge zu geben und die Aufkündigung als wirksam zu erkennen (§ 572 ZPO).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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