European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00562.840.0607.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung:
Mit der am 9. 3. 1984 erhobenen Klage begehrte Franz S*****, die „W*****“ Gesellschaft m.b.H. schuldig zu erkennen, die Erklärung abzugeben, der Ausfolgung des bei Rechtsanwalt Dr. O***** als Betriebskostenpauschale einer Wohnungseigentümerin erliegenden Geldbetrages von 21.048 S an den Kläger zuzustimmen. Die Klage samt Ladung zur Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 27. 3. 1984 wurde der beklagten Gesellschaft am 14. 3. 1984 durch postamtliche Hinterlegung zugestellt. Am 27. 3. 1984 erging gegen die bei der Tagsatzung nicht erschienene Beklagte ein Versäumungsurteil im Sinne des Klagebegehrens, das der Gesellschaft am 2. 4. 1984 zugestellt wurde. Am 28. 3. 1984 wurde über das Vermögen der Beklagten das Ausgleichsverfahren eröffnet, Dr. Friedrich F***** zum Ausgleichsverwalter bestellt und der Ausgleichsschuldner gemäß § 3 Abs. 2 AO auf die Rechte eines Gemeinschuldners beschränkt worden (Sa 10/84‑2 des Landesgerichtes Linz).
Nachdem der Ausgleichsverwalter dem Erstgericht von diesem Ausgleichsverfahrenseröffnungsbeschluß Mitteilung gemacht hatte (ON 4 d.A.), stellte das Erstgericht mit Beschluß vom 12. 4. 1984 (ON 5 d.A.) fest, daß durch die Eröffnung des Ausgleiches über das Vermögen der Beklagten unter gleichzeitiger Beschränkung des Ausgleichsschuldners auf die Rechte eines Gemeinschuldners die Unterbrechung dieses Verfahrens eingetreten sei (Punkt 1.); außerdem „hob es 2.) die Zustellung des Versäumungsurteiles als nichtig auf“. Es vertrat die Ansicht, daß durch die Beschränkung des Ausgleichsschuldners auf die Rechte eines Gemeinschuldners gemäß § 3 Abs. 2 AO am 28. 3. 1984 ex lege die Unterbrechung dieses Verfahrens gemäß §§ 6 ff. KO eingetreten sei, weshalb die am 2. 4. 1984 erfolgte Zustellung des Versäumungsurteiles von Amts wegen als nichtig „aufzuheben“ sei.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Klägers Folge und hob den erstgerichtlichen Beschluß ersatzlos auf. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht jedoch 300.000 S übersteige, und erklärte den Revisionsrekurs nach den §§ 528 Abs. 2 und 502 Abs. 4 ZPO für zulässig, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu den hier entscheidenden materiellen und formellen Rechtsfragen fehle.
Rechtlich vertrat das Rekursgericht die Ansicht, daß die analoge Anwendung der §§ 6 bis 8 KO verfehlt sei. Diese Bestimmungen könnten aus der Gesamtheit konkursrechtlicher Normen nicht herausgelöst werden, weil sie den Begriff der Konkursmasse voraussetzten, der dem Ausgleichsrecht weitgehend - von dem hier nicht zutreffenden Fall des Liquidationsausgleiches mit Vermögensübergabe abgesehen - fremd sei. Die Unterbrechungsnorm des § 7 KO ziele in ihrem Abs. 3 wieder auf die im Ausgleichsrecht nicht stattfindende Prüfungstagsatzung ab. Prozeßsperre und Unterbrechungswirkung als typisch konkursrechtlich bedingte Besonderheiten des Zivilprozeßrechtes könnten wegen der grundsätzlichen Unterschiede zwischen Konkurs und Ausgleich nicht auf den letzteren übertragen werden. Sie seien Ausfluß der im Konkurs durch § 1 Abs. 1 und § 3 KO gesetzlich und unabdingbar verfügten Dispositionsunfähigkeit des Schuldners und könnten als prozessual einschneidende Ausnahmetatbestände nicht auf andere Rechtsbereiche übertragen werden. Im Ausgleich und im insolvenzrechtlichen Vorverfahren bestehe wohl für die Zeit ab Antragstellung bis zur Eröffnung durch § 8 Abs. 1 AO und für die Zeit ab Eröffnung durch Abs. 2 dieser Gesetzesstelle eine Anzahl ähnlicher gesetzlicher Beschränkungen, die durch Willensakt des Ausgleichsverwalters mit bedingter Außenwirkung auch erweitert werden könnten. Auch nach der Rechtslage vor dem IRÄG 1982 habe § 3 Abs. 2 EO bereits die gerichtliche Anordnung von weitergehenden Verfügungsbeschränkungen als Sicherungsmaßnahmen vorgesehen. Auf der gleichen Ebene lägen die im Eröffnungsstadium möglichen einstweiligen Vorkehrungen gemäß § 73 KO und § 3 Abs. 2 letzter Satz AO. Soweit feststellbar, hätten Lehre und Rechtsprechung für diese Bereiche nie die analoge Anwendung der typisch konkursrechtlichen Prozeßregelungen (insbesondere der Unterbrechung gemäß § 7 KO) oder auch nur des Prozeßstillstandes wegen Verlustes der Prozeßfähigkeit gemäß § 158 ZPO in Erwägung gezogen. Aus all diesen Überlegungen ergäbe sich, daß der durch Richterspruch hinsichtlich des Ausgleichschuldners angeordnete Entzug materieller Verfügungsberechtigung keine adäquaten prozessualen Folgen habe und daher keine Prozeßunterbrechung gemäß § 7 KO oder § 158 ZPO nach sich ziehe.
Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlußes gerichtete Revisionsrekurs des Ausgleichsverwalters der Beklagten, der zuläßig, aber nicht berechtigt ist.
Rechtliche Beurteilung
Werden dem Schuldner diejenigen Beschränkungen auferlegt, die einen Gemeinschuldner kraft Gesetzes treffen (§ 3 Abs. 2 AO und § 81 Abs. 2 AO), so hat dies jedenfalls zur Folge, daß der Schuldner die zivilrechtliche Verfügungsgewalt und die Prozeßfähigkeit verliert. Insoweit wird für ihn der Ausgleichs- bzw. vorläufige Verwalter tätig. Ob der Verlust der Prozeßfähigkeit auch die Unterbrechung von Rechtsstreitigkeiten zur Folge hat - wie dies nach der KO der Fall ist -, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Wit (Unternehmensfortführung durch das neue Insolvenzrecht, 30) und Neumayer (Rechtsprobleme im insolvenzrechtlichen Vorverfahren, ÖJZ 1984, 259) bejahen diese Frage, Jelinek (Das neue österreichische Vorverfahren, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIP, Köln, 502) verneint sie. Begründet werden diese Ansichten allerdings nicht. Das Rekursgericht lehnte die analoge Anwendung der Bestimmungen der §§ 6 bis 8 KO unter Hinweis auf grundsätzliche Unterschiede zwischen Konkurs- und Ausgleichsverfahren sowie die Unzulässigkeit der analogen Anwendung von Ausnahmetatbeständen auf andere Rechtsbereiche ab. Dem ist im Ergebnis beizupflichten.
Bei der hier zu lösenden Frage ist zunächst zu berücksichtigen, daß die Ausgleichsordnung schon vor dem IRÄG 1982 die Möglichkeit der Anordnung von Verfügungsbeschränkungen kannte (§ 3 Abs. 2 AO aF). Dadurch durfte allerdings die Verfügungsbefugnis des Schuldners nicht so eingeschränkt werden, daß dieser einem Gemeinschuldner gleichgestanden wäre (vgl. Pollak in Bartsch-Pollak , Kommentar 3 II 96 f; Wegan , Österreichisches Insolvenzrecht 236 f.). Da sich in der Praxis gezeigt hat, daß diese Verfügungsbeschränkungen unter Umständen zur Fortführung des Unternehmens nicht hinreichten, wurde durch das IRÄG 1982 die Anordnung konkursähnlicher Verfügungsbeschränkungen ermöglicht (vgl. RegVorlage zum IRÄG, 3 BlgStProtNR XV. GP 30). Diese Möglichkeit wurde allerdings auf jene Fälle beschränkt, bei welchen eine derart weitreichende Einschränkung der Verfügungsbefugnisse des Schuldners bis zu deren gänzlichen Beseitigung zur Sicherung der Fortführung des Unternehmens erforderlich ist. Dem Schuldner können daher nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes jene Beschränkungen, die den Gemeinschuldner kraft Gesetzes treffen, nur zur Sicherung der Unternehmensfortführung (nicht also etwa im Rahmen eines Liquidationsausgleiches) auferlegt werden. Bei der Beurteilung der rechtlichen Auswirkung einer solchen über den Schuldner verfügten Beschränkung darf daher der Zweck dieser Maßnahme nicht außer Acht gelassen werden. Soll aber eine Maßnahme der Fortführung des Unternehmens dienen, so ist kein Raum für Bestimmungen, die nicht auf dieses Ziel hin ausgerichtet sind. Das Ausgleichsverfahren steht zum Unterschied vom Konkursverfahren unter gesetzlichem Zeitdruck (§§ 67, 68 AO). Die Auslegung ausgleichsrechtlicher Bestimmungen hat daher unter dem Gesichtspunkt der Verfahrenskonzentration zu erfolgen. Mit diesem Anliegen ist aber eine ex lege eintretende Unterbrechung von Rechtsstreitigkeiten unvereinbar. Der Wunsch nach schneller Abwicklung des Vor- und Ausgleichsverfahrens verbietet daher eine analoge Anwendung der Bestimmungen der KO über die Unterbrechung anhängiger Prozesse. Das IRÄG 1982 hat bei der Änderung der Bestimmung des § 3 Abs. 2 AO nur die Beschränkung der Verfügungsbefugnisse des Schuldners im Auge; darüber hinausgehende Rechtsfolgen auf anhängige Verfahren ist den diesem Gesetz in dieser Beziehung zugrunde liegenden Wertungen und Zwecken nicht zu entnehmen. Die gänzliche Entziehung der zivilrechtlichen Verfügungsgewalt und der Prozeßfähigkeit im Ausgleichsverfahren und insolvenzrechtlichen Vorverfahren hat an sich verfahrensrechtlich nur zur Folge, daß der Schuldner selbst nicht mehr dispositionsfähig ist, für ihn vielmehr kraft Amtes der Ausgleichs- bzw. vorläufige Verwalter einzuschreiten hat. Daß anhängige Verfahren auch unterbrochen werden, ist - soweit dies im Gesetz nicht ausdrücklich angeordnet ist - keine essentielle Folge des Verlustes der Dispositionsfähigkeit des Schuldners. Die Schaffung der Möglichkeit, im Ausgleichsverfahren und insolvenzrechtlichen Vorverfahren dem Schuldner durch richterliche Anordnung ausnahmsweise jene Beschränkungen aufzuerlegen, die einem Gemeinschuldner kraft Gesetzes treffen, ohne gleichzeitig auch eine den §§ 6 bis 8 KO entsprechende Bestimmung zu normieren oder diese Normen entsprechend anwendbar zu erklären, stellt somit keine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des objektiven Rechtes, gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung, dar (vgl. Koziol-Welser 6 I 20 f. und Bydlinski in Rummel , ABGB, Rdz. 2 zu § 7 samt der dort jeweils angeführten Lehre und Rechtsprechung). Eine analoge Anwendung der genannten Bestimmungen der KO im Falle der richterlichen Anordnung jener Beschränkungen für den Schuldner, wie sie einen Gemeinschuldner treffen, gemäß § 3 Abs. 2 AO (idF des IRÄG 1982) ist daher mangels Vorliegens einer Rechtslücke nicht möglich. Sind die Bestimmungen der KO über die Unterbrechung von Rechtsstreitigkeiten nicht anwendbar, so scheidet aber auch eine Prozeßunterbrechung nach den Bestimmungen der ZPO aus, weil § 159 ZPO die Beantwortung der Frage, inwieweit der insolvenzrechtliche Verlust der Prozeßfähigkeit zu einer Unterbrechung des Zivilprozeßes führt, ausdrücklich der Konkursordnung überläßt.
Das Rekursgericht ist daher mit Recht zur Ansicht gelangt, daß die durch Richterspruch gemäß § 3 Abs. 2 AO verfügte Beschränkung des Schuldners auf die einem Gemeinschuldner zustehende Verfügungsmacht keine Unterbrechung von Rechtsstreitigkeiten bewirkt, an welchen der Schuldner beteiligt ist. Der vom Kläger gegen die W***** Gesellschaft m.b.H. geführte Prozeß wurde daher durch die am 28. 3. 1984 erfolgte Eröffnung des Ausgleichsverfahrens nicht unterbrochen. Es ist lediglich der Ausgleichsverwalter statt der Beklagten dem Prozeß beizuziehen und dementsprechend die Parteienbezeichnung umzustellen (§ 235 Abs. 5 ZPO). Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß der am 2. 4. 1984 - also nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens - an die Gesellschaft selbst vorgenommenen Zustellung des Versäumungsurteiles keine Rechtswirksamkeit zukam, das Urteil vielmehr - der Amtswegigkeit des Zustellbetriebes (§ 87 ZPO) entsprechend - dem Ausgleichsverwalter zuzustellen ist.
Die ersatzlose Behebung des erstgerichtlichen Beschlußes durch das Rekursgericht entspricht somit der Sach‑ und Rechtslage.
Dem Revisionsrekurs konnte daher kein Erfolg beschieden sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.
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