Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
In Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen werden die Einreden der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der Unzuständigkeit verworfen.
Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen. Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 47.890,76 bestimmten Kosten des Zuständigkeitsstreites (einschließlich Umsatzsteuer S 7.200,50 und Barauslagen S 4.688,--) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Kläger begehren vom Beklagten, der seinen Wohnsitz in Deutschland hat, die Zahlung von DM 24.000 samt Zinsen für am 28.3.1990 erfolgte Warenlieferungen. Zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit des Erstgerichtes führten sie aus, der Beklagte verfüge über Vermögen in Bregenz, und zwar einen Drucker, ein Add-on-pack, eine 30 MB-Festplatte sowie einen Drehkreuzsimulator. Der Gesamtwert dieser Gegenstände betrage mindestens öS 110.000.
Gemäß § 243 Abs. 4 ZPO wurde dem Beklagten ohne Anberaumung einer ersten Tagsatzung die Beantwortung der Klage aufgetragen. In dieser bestritt er das Klagebegehren sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach und erhob die Einrede der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes; insbesondere fehle es auch an der inländischen Gerichtsbarkeit. Der Gerichtsstand gemäß § 99 JN sei nicht gegeben, da der Beklagte in Österreich über keinerlei Vermögen verfüge. Einzig und allein ein in seinem Eigentum befindlicher Drucker sei im Besitze der Kläger in Österreich, er habe aber höchstens einen Wert von DM 2.500.
Nach Einschränkung des Verfahrens auf die Frage der Zuständigkeit wies das Erstgericht die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen;
Der Beklagte übergab den Klägern einen Thermodrucker der Marke WAM, Type 3400/3, ein Add-on-pack und eine
30 Mega-Byte-Festplatte sowie einen Drehkreuzsimulator. Diese im Eigentum des Beklagten stehenden Geräte befinden sich nach wie vor in der Gewahrsame der Kläger. Der Thermodrucker hat einen Wert von öS 28.000, das Add-on-pack und die
30 Mega-Byte-Festplatte samt Zubehör einen solchen von öS 8.500. Der Drehkreuzsiumulator hat keinen Verkehrswert. Die zum Bau notwendigen Bestandteile kosten etwa öS 1.500, die Arbeitskosten betragen höchstens öS 4.000. An Entwicklungskosten für diesen Drehkreuzsimulator entstanden DM 4.000 bis DM 5.000. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, das im Inland befindliche Vermögen des Beklagten stelle nur etwa 1/4 des Streitgegenstandes dar und reiche nicht aus, um den Gerichtsstand des § 99 JN zu begründen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Kläger nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Es führte zur Rechtsfrage aus, die Einrede der Unzuständigkeit sei in der Klagebeantwortung, und somit gemäß § 243 Abs. 4 ZPO rechtzeitig, erhoben worden.
Auch wenn man für die Bewertung des Drehkreuzsimulators neben den Baukosten die Entwicklungskosten berücksichtige, errechne sich der Wert des im Inland befindlichen Vermögens des Beklagten mit maximal öS 44.834, dieser Wert liege erheblich unter einem Drittel des Streitwertes. Das im Inland befindliche Vermögen des Beklagten habe daher einen unverhältnismäßig geringeren Wert als der Streitgegenstand, sodaß der Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 JN und damit die inländische Gerichtsbarkeit nicht gegeben sei.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Kläger mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Zuständigkeit des Landesgerichtes Feldkirch auszusprechen.
Der Beklagte begehrte in der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel der Kläger nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
§ 99 JN enthält den unbestimmten Gesetzesbegriff "unverhältnismäßig geringer", zu dem die Rechtsprechung zwar Leitsätze entwickelt hat (EvBl. 1984/133; 2 Ob 508, 509/90), die jedoch noch genauerer Konkretisierung bedürfen, sodaß eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs. 1 ZPO vorliegt.
Die Kläger vertreten in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, aus der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung EvBl. 1984/133 ergebe sich keinesfalls, daß der Wert des inländischen Vermögens des Beklagten mindestens 1/3 des Streitwertes betragen müsse. Im vorliegenden Fall entspreche der Betrag von öS 44.834 etwa 27 % des Streitwertes, sodaß keinesfalls von einem unverhältnismäßig geringen Vermögen ausgegangen werden könne. Überdies habe der Beklagte die Einrede der Unzuständigkeit verspätet erhoben, da er in der Klagebeantwortung zuerst das Klagebegehren bestritten und erst dann die Unzuständigkeitseinrede ausgeführt habe. Der Beklagte habe sich dadurch in den Streit eingelassen, eine allfällige Unzuständigkeit wäre daher geheilt.
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Vor Prüfung der Zuständigkeit ist die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für die inländische Gerichtsbarkeit zu kären. Nach nunmehr herrschender Lehre und Rechtsprechung besteht die inländische Gerichtsbarkeit in Zivilsachen für alle Rechtssachen, die durch positiv-gesetzliche Anordnung, durch völkerrechtliche Regeln oder zufolge eines durch die inländischen Verfahrensordnungen anerkannten Anknüpfungspunktes an das Inland, z. B. inländischen Gerichtsstand, vor die österreichischen Gerichte verwiesen sind. Wenn ein inländischer Gerichtsstand vorliegt, eine hinreichende Nahebeziehung zum Inland aber fehlt, ist die inländische Gerichtsbarkeit dennoch zu verneinen. Besteht eine ausreichende inländische Nahebeziehung und fehlt es an einem inländischen Gerichtsstand, so hat § 28 JN Abhilfe zu schaffen (SZ 62/101 mwN).
Es ist hier daher im weiteren zu prüfen, ob ein inländischer Gerichtsstand, und zwar jener des Vermögens nach § 99 JN, vorliegt.
Im Sinne der Vorschrift des § 99 Abs. 1 zweiter Satz JN begründet Vermögen, dessen Wert unverhältnismäßig geringer ist als der Wert des Streitgegenstandes, diesen Gerichtsstand des Vermögens nicht. Bei der Prüfung der Frage, ob das im Inland befindliche Vermögen unverhältnismäßig geringer ist als der Wert des Streitgegenstandes, kommt es folgerichtig nicht auf die Relation des Wertes des Vermögens zu den voraussichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung an (EvBl. 1984/133; 2 Ob 508, 509/90). Es muß sich jedenfalls um ein "Vermögen" nach dem üblichen Sprachgebrauch handeln, sodaß ganz geringwertig Sachen selbst dann für die Begründung dieses Gerichtsstandes ausscheiden, wenn der Streitwert gering ist. Trifft ersteres zu, dann ist ohne Anlegung eines allzu engherzigen Maßstabes nur zu fordern, daß der Streitgegenstand in einer angemessenen Relation zum Vermögen steht; das Vermögen darf nicht in krassem Mißverhältnis zum Streitwert stehen (EvBl. 1984/133). Gegenstände, die für andere Personen als den Beklagten keinen vermögensrechtlichen Wert darstellen, sind dem Vermögensbegriff des § 99 JN nicht zu unterstellen (JBl. 1974, 269).
Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, daß das im Inland befindliche Vermögen des Beklagten einen Wert von öS 36.500 hat, denn der Drehkreuzsimulator und die darauf entfallenden Entwicklungskosten haben mangels eines Verkehrswertes außer Betracht zu bleiben.
Bei den dem Beklagten gehörenden Gegenständen im Wert von öS 36.500 handelt es sich nicht um ganz geringwertige Sachen, sondern es liegt ein "Vermögen" nach dem üblichen Sprachgebrauch vor. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist aber auch ein krasses Mißverhältnis zum Streitwert nicht gegeben. Von einem solchen Mißverhältnis könnte nach Ansicht des erkennenden Senates erst dann gesprochen werden, wenn der Wert des Vermögens nicht einmal etwa 1/5 des Streitwertes erreichte. Diese Grenze wird hier jedenfalls überschritten (21,7 %), sodaß der Gerichtsstand des Vermögens gegeben ist.
Wie oben ausgeführt, indiziert das Vorliegen des inländischen Gerichtsstandes auch die inländische Gerichtsbarkeit. Die noch erforderliche zusätzliche Inlandsbeziehung liegt hier schon darin, daß der Beklagte, der seinen Wohnsitz in Deutschland hat, den Klägern, die ihren Wohnsitz in Österreich haben, die den Gerichtsstand begründenden Gegenstände lieferte, es sich also nicht um rein zufällig im Inland befindliches Vermögen handelt (vgl. SZ 60/277; SZ 59/205). Es ist sohin auch die inländische Gerichtsbarkeit gegeben.
Unrichtig ist auch der Einwand der Kläger, der Beklagte habe die Unzuständigkeitseinrede verspätet erhoben. Wie das Rekursgericht bereits zutreffend ausführte, schreibt § 243 Abs. 4 ZPO nicht vor, an welcher Stelle der Klagebeantwortung jene Einreden und Anträge vorzubringen sind, die an sich bei sonstigem Ausschluß in der ersten Tagsatzung vorzubringen wären. Es schadet nicht, wenn in der Klagebeantwortung zuerst die Einwendungen in der Hauptsache und danach erst diese Prozeßeinreden vorgebracht werden (Fasching, LB2, Rz 1270).
Die Einwände der fehlenden inländischen Gerichtsbarkeit und der örtlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes erweisen sich sohin als unberechtigt, sodaß spruchgemäß zu entscheiden war.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 261 Abs. 6, 41, 50 ZPO.
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