European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00559.85.0513.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Ein Zuspruch von Kosten des Verfahrens über den Revisionsrekurs findet nicht statt.
Begründung:
Die Streitteile haben am 27. 6. 1953 die Ehe geschlossen; aus ihrer Ehe stammen keine Kinder.
Der Kläger begehrte im vorliegenden im Jänner 1975 eingeleiteten und nach mehrjährigem Ruhen des Verfahrens im April 1981 fortgesetzten Scheidungsverfahren zuletzt die Scheidung der Ehe gemäß § 55 Abs. 3 EheG. Die Beklagte bestritt die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft seit Februar 1975 nicht, beantragte aber, gemäß § 61 Abs. 3 EheG das alleinige Verschulden des Klägers an der Zerrüttung der Ehe auszusprechen.
Mit Teilurteil vom 17. 1. 1984 (ON 24) schied das Erstgericht die Ehe gemäß § 55 Abs. 3 EheG. Diese Entscheidung wurde mit Urteil des Berufungsgerichtes vom 20. 7. 1984 (ON 39) bestätigt und erwuchs somit, da eine weitere Anfechtung nicht mehr erfolgte, in Rechtskraft. Die Ehe der Streitteile ist somit rechtskräftig geschieden; eine Entscheidung über den von der Beklagten beantragten Ausspruch nach § 61 Abs. 3 EheG steht aber noch aus.
In einem zu 25 C 205/75 des BG Innere Stadt Wien anhängig gewesenen Unterhaltsprozeß haben die Streitteile in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 5. 11. 1975 einen Vergleich geschlossen, mit dem sich der Kläger unter anderem verpflichtete, der Beklagten ab 1. 12. 1975 einen monatlichen Unterhalt von 33 % seines jeweiligen Nettoeinkommens, und zwar seines Nettoeinkommens auf Grund eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses sowie seines sonstigen Nettoeinkommens, zu bezahlen.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Beklagte mit einem am 7. 11. 1984 beim Erstgericht eingebrachten Schriftsatz (ON 42), dem Kläger mit einstweiliger Verfügung gemäß § 382 Z 8 lit. a EO die Leistung eines vorläufigen Unterhalts von monatlich S 3.850,44 und den Ersatz der Beiträge zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung bis zur rechtskräftigen Enderledigung des anhängigen Scheidungsverfahrens aufzutragen. Die Beklagte begründete ihren Antrag im wesentlichen damit, daß ihr der Kläger keinen Unterhalt leiste. Gegen die von ihr auf Grund des erwähnten Unterhaltsvergleiches erwirkte Exekutionsbewilligung habe der Kläger eine Oppositionsklage mit der Begründung eingebracht, daß infolge der Rechtskraft des Teilurteiles über die Ehescheidung der Anspruch der Beklagten aus diesem Unterhaltsvergleich erloschen sei. Der Kläger beziehe eine Pension von der PVA der Angestellten in einer solchen Höhe, daß der von der Beklagten verlangte vorläufige Unterhalt den Einkommensverhältnissen des Klägers angemessen sei.
Der Kläger begehrte die Zurückweisung des Antrages der Beklagten auf Erlassung der einstweiligen Verfügung im wesentlichen mit der Begründung, daß zur Entscheidung über einen derartigen Antrag nach Rechtskraft der Ehescheidung ausschließlich das Bezirksgericht zuständig sei, sodaß es an der Zuständigkeit des Erstgerichtes mangle. Ferner liege infolge des vor dem BG Innere Stadt Wien abgeschlossenen Unterhaltsvergleiches entschiedene Streitsache vor.
Das Erstgericht wies den Antrag der Beklagten auf Erlassung der einstweiligen Verfügung zurück. Es begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, daß zwar seine Zuständigkeit zur Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gegeben sei, doch sei der Einwand der entschiedenen Streitsache berechtigt. Nach den Behauptungen der Beklagten sei ihr auf Grund des Vergleiches vom 5. 11. 1975 die Exekution bewilligt worden. Sie habe nicht behauptet, daß dieser Exekutionstitel unwirksam sei, sondern nur die Befürchtung zum Ausdruck gebracht, der Kläger könne mit seiner im Hinblick auf die Rechtskraft der Ehescheidung erhobenen Oppositionsklage durchdringen, sodaß die Beklagte dann ohne Exekutionstitel dastehen würde. Es könne aber nicht der Beurteilung des Exekutionsgerichtes über eine allfällige Unwirksamkeit dieses Vergleiches vorgegriffen werden, sodaß derzeit vom Vorliegen eines Exekutionstitels über den von der Beklagten begehrten Unterhalt auszugehen und daher ihr Antrag zurückzuweisen sei.
Diese Entscheidung wurde von beiden Streitteilen (vom Kläger nur hinsichtlich der Kostenentscheidung) mit Rekurs bekämpft. Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem Rekurs des Klägers keine Folge. Hingegen gab es dem Rekurs der Beklagten teilweise Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Antrag des Klägers, das Begehren der Beklagten auf Bestimmung eines einstweiligen Unterhaltes zurückzuweisen, abwies. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Rekurs nach § 528 Abs. 2 (§ 502 Abs. 4 Z 1) ZPO zulässig sei.
Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus, daß gemäß § 382 Z 8 lit. a EO für die Bestimmung eines einstweiligen Unterhaltes für den Ehegatten der Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe genüge. Die Ehe der Streitteile sei zwar rechtskräftig geschieden, doch sei das Ehescheidungsverfahren noch nicht endgültig beendet, weil über den von der Beklagten begehrten Ausspruch nach § 61 Abs. 3 EheG noch durch Endurteil abgesprochen werden müsse.
Es entspreche ständiger Rechtsprechung, daß nach Scheidung der Ehe infolge eingetretener Teilrechtskraft oder eines Teilurteiles bei weiterer Anhängigkeit des Ehescheidungsverfahrens zur Entscheidung über den Verschuldensausspruch ein einstweiliges Unterhaltsbegehren möglich sei, jedoch nicht mehr auf die Bestimmung des § 94 ABGB über den Unterhalt bei aufrechter Ehe, sondern nur auf jene der §§ 66 ff EheG über den Unterhalt nach Scheidung der Ehe gegründet werden könne, weil die Ehe eben schon wirksam geschieden sei. Es handle sich also um einen Unterhaltsanspruch des bereits geschiedenen Ehegatten.
Streng nach dem Wortlaut des § 382 Z 8 lit. a EO könnte allerdings über ein erst nach Rechtskraft der Scheidung gestelltes Begehren auf einen derartigen einstweiligen Unterhalt im noch anhängigen Scheidungsverfahren nicht entschieden werden, weil es nicht um den Unterhalt eines „Ehegatten“, sondern um den eines „geschiedenen Ehegatten“ gehe, der nur im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Leistung dieses Unterhalts einstweilen bestimmt werden könne. Eine solche Auslegung widerspreche aber dem Sinn der Regelung des § 382 Z 8 lit. a EO, weil ein Auseinanderfallen von Rechtskraft der Scheidung und endgültiger Beendigung des Scheidungsverfahrens vom Gesetzgeber nicht berücksichtigt worden sei. Eine dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung Rechnung tragende Auslegung ergebe daher, daß auch der Unterhalt eines bereits geschiedenen Ehegatten im Scheidungsverfahren einstweilen bestimmt werden könne, bis das Scheidungsverfahren auch hinsichtlich der noch offen gebliebenen Verschuldensfrage oder Verschuldensaussprüche endgültig beendet sei. Jede andere Auslegung würde den unterhaltsbedürftigen, durch Teilurteil oder zufolge Teilrechtskraft bereits rechtskräftig geschiedenen Ehegatten weitgehend rechtlos stellen und eine sinnlose Zweigleisigkeit zur Folge haben. Denn dann müsste in einem weiteren Rechtsstreit beurteilt werden, welche Voraussetzungen nach dem jeweiligen Stand des noch anhängigen Ehescheidungsverfahrens dem vorläufigen Unterhaltsanspruch als bescheinigt zugrundezulegen seien. Die Einklagung des nach Scheidung gebührenden Unterhalts wäre auch nicht sinnvoll, weil noch der für die abschließende Beurteilung des Unterhaltsanspruches für die Zeit nach der Scheidung wesentliche Verschuldensausspruch oder ein Verschuldensausspruch überhaupt fehle.
Im vorliegenden Fall sei daher auch nach Rechtskraft der Scheidung die Bestimmung eines vorläufigen Unterhaltes für den geschiedenen Ehegatten nach § 382 Z 8 lit. a EO im noch anhängigen Ehescheidungsverfahren zulässig, solange über den begehrten Verschuldensausspruch nach § 61 Abs. 3 EheG noch nicht rechtskräftig abgesprochen worden sei. Das Erstgericht habe somit seine Zuständigkeit mit Recht bejaht.
Der vom Kläger erhobene Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache sei nicht berechtigt. Die Einrede der verglichenen Sache stelle kein Prozeßhindernis dar, das zur Zurückweisung führen könnte, sondern einen Einwand des materiellen Rechtes, der nur zu einer Abweisung führen könne.
Es liege aber auch ein für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung wirksamer Unterhaltstitel auf Grund des zwischen den Parteien geschlossenen gerichtlichen Vergleiches vom 5. 11. 1975 gar nicht vor, sodaß die Einrede der verglichenen Sache, gleichgültig ob man darin einen materiellen oder einen formellen Einwand erblicke, dem Antrag auf Bestimmung eines einstweiligen Unterhaltes nicht entgegenstehen könne. Die Wirksamkeit eines während der Ehe geschaffenen Unterhaltstitels zugunsten des beklagten Ehegatten werde zwar durch eine Ehescheidung nach § 55 Abs. 3 EheG mit Ausspruch nach § 61 Abs. 3 EheG gemäß § 69 Abs. 2 EheG grundsätzlich nicht berührt. Im vorliegenden Fall sei aber die Ehe wohl gemäß § 55 Abs. 3 EheG geschieden worden, doch sei ein Ausspruch nach § 61 Abs. 3 EheG bisher nicht ergangen, sodaß die daran geknüpften Folgerungen, insbesondere das Weiterbestehen des Unterhaltsanspruches im Sinne des § 94 ABGB und das Weiterwirken des Unterhaltsvergleiches, zumindest derzeit nicht gegeben seien. Durch die Rechtskraft der Scheidung ohne einen Ausspruch nach § 61 Abs. 3 EheG habe sich daher eine derartige Änderung des Sachverhaltes und der rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen ergeben, daß die Beklagte auf Grund des Vergleiches über den bei aufrechter Ehe gebührenden Unterhalt gegen ihren geschiedenen Ehegatten nicht mehr erfolgreich Exekution führen könne, weil schon die Tatsache der rechtskräftigen Scheidung zum Erfolg der Einwendungen nach § 35 EO führe.
Das Erstgericht habe somit das Begehren der Beklagten auf Bestimmung eines einstweiligen Unterhaltes zu Unrecht zurückgewiesen.
Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses begründete das Rekursgericht damit, daß den Fragen der Möglichkeit der Geltendmachung des einstweiligen Unterhaltes zwischen Rechtskraft der Scheidung und Beendigung des über Verschuldensaussprüche noch anhängigen Ehescheidungsverfahrens und der Weitergeltung eines bei aufrechter Ehe geschlossenen Vergleiches für diesen Zeitraum erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zukomme, weil hiezu eine ausreichende und klare Rechtsprechung nicht vorliege.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Antrag der Beklagten auf Bestimmung eines einstweiligen Unterhaltes „zurück- oder abgewiesen“ werde.
Die Beklagte hat eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag erstattet, dem Revisionsrekurs des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil es sich bei der Rechtsfrage, ob das Gericht, das über die Ehescheidungsklage zu entscheiden hat, nach Rechtskraft eines Teilurteiles über die Scheidung der Ehe, aber noch vor der zu treffenden Endentscheidung über einen Verschuldensausspruch zur Entscheidung über den Antrag eines der Streitteile auf Bestimmung eines vorläufigen Unterhaltes im Sinne des § 382 Z 8 lit. a EO zuständig ist, um eine solche im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO handelt; es fehlt darüber, soweit überschaubar, eine ausdrückliche Rechtsprechung des OGH.
Sachlich ist der Revisionsrekurs aber nicht berechtigt.
Gemäß § 382 Z 8 lit. a EO genügt für die Bestimmung eines einstweiligen Unterhaltes des Ehegatten der Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe. Diese Gesetzesstelle erhielt ihre derzeit geltende Fassung durch das Eherechtswirkungsgesetz BGBl. 1975/412. Dabei wurde der letzte Halbsatz dieser Gesetzesstelle erst im Justizausschuß hinzugefügt. Den Gesetzesmaterialien (AB 1662 BlgNR 13. GP 9) ist dazu folgendes zu entnehmen: „Nach der gegenwärtigen Rechtspraxis kann der einstweilige Unterhalt für den Ehegatten und die Kinder nicht nur in einem Verfahren auf Leistung des Unterhalts, sondern auch in einem Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe, also in dem dafür bestimmten Verfahren, bestimmt werden. Diese dem Schutz des Unterhalts der Ehegatten und der ehelichen Kinder förderliche Rechtslage soll beibehalten und ausdrücklich im Gesetz verankert werden.“ Daraus ergibt sich die eindeutige Absicht des Gesetzgebers, die Entscheidung über einen von einem Ehegatten gestellten Antrag auf Festsetzung eines einstweiligen Unterhaltes in einem anhängigen Ehescheidungsverfahren, also von seinem Beginn bis zu seiner Beendigung, zu ermöglichen. Es mag zutreffen, daß dabei nicht an die Möglichkeit der getrennten Entscheidung über die Scheidung der Ehe und über Verschuldensaussprüche gedacht wurde; aus dem Wortlaut des Gesetzes und der dargestellten Absicht des Gesetzgebers ergibt sich aber die Zuständigkeit des Richters im Ehescheidungsverfahren zur Entscheidung über in diesem Verfahren gestellte Anträge auf Bewilligung eines einstweiligen Unterhaltes vom Beginn dieses Verfahrens bis zur Endentscheidung. In diesem Sinne wurden in der Rechtsprechung des OGH keine Bedenken in der Richtung geäußert, daß der Richter im Ehescheidungsverfahren seine Zuständigkeit zur Entscheidung über einen beantragten einstweiligen Unterhalt verlieren könnte, wenn über die Scheidung bereits rechtskräftig abgesprochen, eine Endentscheidung über den Verschuldensausspruch aber noch nicht getroffen wurde (vgl. EFSlg. 34.719, 36.926, 41.935; JBl. 1984, 198 ua.). Auch im vorliegenden Fall ist aus diesen Gründen die Zuständigkeit des Erstrichters zur Entscheidung über die von der Beklagten beantragte einstweilige Verfügung im derzeitigen Verfahrensstadium zu bejahen.
Daß die Einrede der verglichenen Sache kein prozessuales Hindernis gegen eine Sachentscheidung, sondern nur einen materiellrechtlichen Einwand begründet, der einer Sachentscheidung nicht entgegensteht, hat das Rekursgericht zutreffend ausgeführt (siehe dazu Fasching Zivilprozeßrecht Rdz. 1358, 1359; SZ 22/52; SZ 40/115 uva.). Im Revisionsrekurs des Klägers wird dazu nichts ausgeführt.
Das Rekursgericht hat somit zutreffend erkannt, daß den vom Kläger erhobenen prozessualen Einwänden gegen die Zulässigkeit der von der Beklagten verlangten einstweiligen Verfügung die Berechtigung fehlt und hat demgemäß mit Recht den Antrag des Klägers, das Begehren der Beklagten auf Bestimmung eines einstweiligen Unterhaltes zurückzuweisen, abgewiesen.
Zur Frage der materiellen Berechtigung des Antrages der Beklagten auf Bestimmung eines ihr zu leistenden einstweiligen Unterhaltes ist in dieser Entscheidung, die nur die Ablehnung der vom Kläger erhobenen prozessualen Einwendungen betrifft, nicht Stellung zu nehmen.
Dem Revisionsrekurs des Klägers mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.
Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Revisionsrekurses selbst zu tragen (§§ 402, 78 EO, §§ 41, 50 ZPO). Gemäß § 393 Abs. 1 EO hat die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung im Rahmen des Provisorialverfahrens.
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