European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00527.85.0710.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Klägerin begehrte von der Beklagten ursprünglich die Bezahlung eines Betrages von S 196.162,‑‑ s.A.. Sie habe am 10. 10. 1981 von der Beklagten den Auftrag erhalten, Türen und Fenster nach Maß zu liefern, wobei die Lieferung und Zahlung bis Dezember 1981 vereinbart wurde. In der Folge habe die Beklagte erklärt, daß sie kein Geld habe und nicht zahlen könne. Durch die Maßanfertigung sei ein Schaden in der Höhe der Auftragssumme von S 96.155,‑‑ entstanden. Mit dem Auftrag vom 22. 10. 1981 habe die Beklagte weitere Fenster und Türen nach Maß bestellt, wobei ein Preis von S 100.007,‑‑ vereinbart wurde. Die Lieferung und Zahlung sollte im Februar 1982 erfolgen. Es sei jedoch nicht geliefert worden, weil die Beklagte auch in diesem Fall erklärt habe, nicht zahlen zu können bzw. zu wollen. Nachdem die Klägerin bereits in der mündlichen Streitverhandlung vom 9. 9. 1983 ein auf den Titel des Schadenersatzes gestütztes Eventualbegehren auf Bezahlung eines Betrages von S 78.464,80 s.A. (40 % des Auftragswertes) erhoben hatte, „präzisierte“ sie in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 11. 5. 1984 ihr Begehren dahin, daß dieses zuletzt lautete, die Beklagte sei schuldig, einen Betrag von S 196.162,‑‑ samt 18 % Zinsen aus S 96.155,‑‑ seit 1. 1. 1982 und aus S 100.007,‑‑ seit 1. 3. 1982 Zug um Zug gegen Lieferung der vereinbarten Leistungen aufgrund der Kaufverträge vom 10. 10. 1981 und 22. 10. 1981 zu bezahlen. Für den Fall der Nichtverurteilung Zug um Zug möge sie in eventu schuldig erkannt werden, der Klägerin den Betrag von S 78.464,80 samt 18 % Zinsen seit 1. 1. 1982 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe wohl die in der Klage dargestellten Aufträge erteilt, doch seien diese Verträge in der Folge aufgehoben worden. Nachdem die Beklagte im Dezember 1981 erkannt habe, daß ein Darlehen, mit dessen Zuzählung sie gerechnet habe, vorerst nicht gewährt werden würde, habe sie den Geschäftsführer der Klägerin von diesen dadurch bedingten Zahlungsschwierigkeiten in Kenntnis gesetzt und dieser habe erklärt, daß sie das Geschäft vorerst lassen würden und sich die Beklagte wieder melden solle, wenn der Kredit gewährt würde; mit der Anfertigung der Fenster und Türen sei wegen einer Auftragsüberlastung ohnehin noch nicht begonnen worden. Die Gewährung des von der Beklagten erwarteten Darlehens sei auch eine Bedingung des Auftrages gewesen. Im übrigen sei die erhobene Forderung nicht fällig, weil bisher nicht geliefert worden und auch eine Rechnungslegung unterblieben sei; dies sei aber nach den vertraglichen Vereinbarungen Voraussetzung der Fälligkeit. Anläßlich der Erhebung des Eventualbegehrens bzw. der Präzisierung des Gesamtbegehrens brachte die Beklagte vor, daß es sich dabei um eine unzulässige Klageänderung handle.
Das Erstgericht erkannte im Sinne des Eventualbegehrens auf Zuspruch eines Betrages von S 78.464,80 s.A., wobei lediglich eine Abweisung des Zinsenmehrbegehrens von 6 % erfolgte; eine Entscheidung über das Hauptbegehren unterblieb. Das Erstgericht legte seiner Entscheidung im wesentlichen nachstehende Feststellungen zugrunde:
Bereits vor dem Auftrag vom 10. 10. 1981 hatte die Beklagte bei der Klägerin Fenster und Türen bestellt, die auch geliefert wurden. Auf die Rechnungssumme von ca. S 85.000,‑‑ zahlte die Beklagte in der Folge S 35.000,‑‑, während ein Betrag von S 50.000,‑‑ derzeit noch offen aushaftet.
Mit den Verträgen vom 10. 10. 1981 und 22. 10. 1981 bestellte die Beklagte bei der Klägerin diverse Fenster und Türen nach Maß im Auftragswert von S 196.162,‑‑, die für das Kaffeehaus der Beklagten in *, bestimmt waren. Die Verträge wurden auf Seiten der Klägerin durch Kurt L*, einen selbständigen Handelsvertreter, abgeschlossen. Bei den Vertragsgesprächen wies die Beklagte darauf hin, daß sie zur Bezahlung einen Kredit in Anspruch nehmen müsse und daß sich die Sache deshalb etwas hinziehen werde. Es wurde vereinbart, daß die Bezahlung, die hinsichtlich des ersten Vertrages für Dezember 1981 und hinsichtlich des zweiten Vertrages für Februar 1982 in Aussicht genommen war, bar bei Lieferung zu erfolgen habe. In den allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen, welche von der Beklagten unterfertigt wurden, war vereinbart, daß als Stornogebühr alle entstandenen Kosten (Vertriebs‑, Werbe‑, Fahrt‑ und Betriebskosten anteilig, Zentralregien, Verdienstentgang etc.) verrechnet werden. Der Beklagten war bekannt, daß der Verkäufer zu anderen als aus diesem Kaufvertrag ersichtlichen Zusagen nicht berechtigt war.
Zwischen Weihnachten 1981 ‑ zu diesem Zeitpunkt vermeinte die Beklagte ihre wirtschaftliche Situation noch im Griff zu haben ‑ und 5. 2. 1982 ‑ zu diesem Zeitpunkt wurde das Haus der Beklagten versteigert - hatte die Beklagte einige Male telefonischen Kontakt mit dem Geschäftsführer der Klägerin, wobei sie ihn immer wieder ersuchte, „mit den klagsgegenständlichen Aufträgen zuzuwarten“. Im Mai 1982 erfuhr der Geschäftsführer der Klägerin, daß das Haus der Beklagten versteigert worden war. Die Klägerin veranlaßte die Maßanfertigung der bestellten Fenster und Türen nicht. Es wurde von ihr auf die Aufträge nichts geliefert, von der Beklagten wurden keine Zahlungen geleistet.
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß im Hinblick auf die Höhe des der Klägerin entstandenen Schadens, den das Erstgericht mit 40 % der Auftragssumme feststellte, ihrem Begehren im Umfang des letztlich erhobenen Eventualbegehrens Berechtigung zukomme. Die Behauptung der Beklagten, daß die Gewährung eines Kredites Bedingung des Vertrages war, sei nicht erwiesen worden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Begehren von S 78.464,80 s.A. abwies. Die Revision wurde für zulässig erklärt.
Das Gericht zweiter Instanz vertrat die Auffassung, daß das Erstgericht insoweit zu Recht das Eventualbegehren behandelt habe, als diesbezüglich keine Klageänderung vorgelegen sei. Das Erstgericht sei jedoch irrtümlich von einer Einschränkung des Begehrens auf das Eventualbegehren ausgegangen. Verletze das Gericht das Gebot zur Vollständigkeit, sei das Urteil deshalb aber noch nicht nichtig. Werde über einen mit Klage geltend gemachten Anspruch versehentlich nicht entschieden, so könne entweder ein Ergänzungsurteil beantragt, oder die nicht vollständige Erledigung des Klagebegehrens mit Berufung angefochten werden (§ 496 Abs. 1 Z 1 ZPO). Da der Kläger weder zeitgerecht ein Ergänzungsurteil beantragt noch Berufung erhoben habe, sei der betreffende Anspruch aus dem Prozeßrechtsverhältnis ausgeschieden. Gegenstand des Verfahrens sei damit nur mehr das Begehren der Klägerin auf Bezahlung von Schadenersatz in der aus dem Spruch ersichtlichen Höhe. Bei der Beurteilung dieser Frage sei davon auszugehen, daß zwischen den Streitteilen ein Werkvertrag zustande kam, in dem sich die Klägerin verpflichtete, für die Beklagte verschiedene Türen und Fenster nach Maß anzufertigen bzw. anfertigen zu lassen. Die Bezahlung des vereinbarten Werklohnes von S 196.162,‑‑ sollte nach den Vereinbarungen jeweils anlässlich der Lieferung erfolgen. Das von der Klägerin erhobene Eventualbegehren, das ‑ wie dargestellt ‑ allein noch Gegenstand des Verfahrens sei, habe einen Schadenersatzanspruch nach Vertragsauflösung zum Gegenstand. Zu prüfen sei daher, ob ein solcher Schadenersatzanspruch berechtigt ist: Voraussetzung für die Geltendmachung von Schadenersatz wegen Nichterfüllung nach § 921 Satz 1 ABGB sei ebenso wie nach dem Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag über die Stornogebühr, daß der Vertrag ordnungsgemäß aufgelöst wurde. Ein Rücktritt der Klägerin sei jedoch nicht erfolgt. Von einer Unmöglichkeit der Leistung der Beklagten sei nicht auszugehen. Die Erfüllung des Vertrages habe die Beklagte nicht verweigert. Das Begehren auf Schadenersatz schließt zwar die Erklärung des Rücktrittes in sich; da die Klägerin aber bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz das Leistungsbegehren auf Vertragserfüllung durch Zahlung des vereinbarten Preises Zug um Zug gegen die Lieferung der bestellten Ware aufrecht hielt, habe sie klar zum Ausdruck gebracht, daß sie nach wie vor auf dem Boden des Vertrages stehe. Unter diesen Umständen könne ihrem auf Schadenersatz gestützten Eventualbegehren die Erklärung des Vertragsrücktritts nicht unterstellt werden. Es ergebe sich damit, daß mangels einer ordnungsgemäßen Vertragsauflösung der Vertrag zwischen den Streitteilen im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz nach wie vor aufrecht bestand, sodaß dem aus einer Vertragsauflösung abgeleiteten Schadenersatzbegehren der Klägerin keine Berechtigung zukomme.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs. 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Eventualbegehren stattgegeben wird. Hilfsweise werde ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist sowohl zulässig als auch berechtigt.
Gegenstand des Verfahrens ist nur mehr das „Eventualbegehren“ der Klägerin, also das Begehren auf Leistung von S 78.464,80 s.A. (siehe AS 45). Diesbezüglich war das Berufungsgericht der Ansicht, daß die Voraussetzungen für seine Stattgebung schon deshalb fehlten, weil die Klägerin bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung auf Vertragszuhaltung bestand Das Gericht zweiter Instanz verkennt hier jedoch die Funktion des Eventualbegehrens. Dieses ist ein in der Klage oder während des Rechtsstreites gestelltes Begehren, dessen Verhandlung und Entscheidung von der Bedingung abhängig ist, daß dem unbedingt gestellten Hauptbegehren nicht stattgegeben wird (8 Ob 537, 538/76, 1 Ob 41/82 uza). Haupt- und Eventualbegehren schließen einander aus (1 Ob 564/84 ua). Wenn daher im vorliegenden Fall die Klägerin bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz den Standpunkt vertrat, daß der Vertrag mit der Beklagten aufrecht sei, stützte dies nur das Hauptbegehren; dieser Umstand kann aber noch nicht die Abweisung des Eventualbegehrens begründen:
Worauf dieses Eventualbegehren gestützt wurde, ist dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen. Es fehlt bisher jegliche Erörterung dieser Frage. Demgemäß wird es daher notwendig sein, der Klägerin Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Tatsachenbehauptungen aufzustellen, aus denen sie dieses allein noch aufrecht gebliebene Zahlungsbegehren von S 78.464,80 s.A. ableitet (§ 182 ZPO). Im Rahmen des zu erstattenden Vorbringens und der von der Beklagten erhobenen Einwendungen werden weiters die erforderlichen Festellungen zu treffen sein. Erst dann wird verläßlich beurteilt werden können, ob und inwieweit das Zahlungsbegehren von S 78.464,80 s.A. berechtigt ist oder nicht.
Der Kostenausspruch beruht auf § 52 ZPO.
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