OGH 8Ob51/63

OGH8Ob51/6312.3.1963

SZ 36/38

Normen

ABGB §879
ABGB §1299
ABGB §879
ABGB §1299

 

Spruch:

Zur Haftung einer Sparkasse für auf Grund gefälschter Überweisungsaufträge vorgenommene Überweisungen.

Entscheidung vom 12. März 1963, 8 Ob 51/63.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Oberlandesgericht Graz.

Text

Die beklagte Sparkasse hat dem Kläger vor Jahren ein Girokonto unter der Nummer 15.636 eröffnet, das auch noch bei Schluß der Verhandlung erster Instanz bestand. Auf die Geschäftsverbindung der Streitteile sind nach der von ihnen getroffenen Vereinbarung die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der dem Hauptverband der österreichischen Sparkassen angeschlossenen Sparkassen anzuwenden. Gemäß Punkt 2 dieser Geschäftsbedingungen hat der Kläger eine eigenhändige Unterschriftsprobe auf den von der Beklagten zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten Vordruck abgegeben und hiebei seine Unterschrift mit vollem Vor- und Zunamen, also mit "Heinrich A.", gezeichnet. In der Zeit vom 7. Juli 1958 bis 8. November 1958 hat der damals beim Kläger als Buchhalter beschäftigte Karl K. mit den ihm zugänglichen Giroauftragsformularen unbefugt Überweisungen in Schädigungsabsicht einmal an sich selbst und einmal auf sein Konto bei der Sparkasse in Deutschlandsberg veranlaßt. Er hat hiebei auf den Überweisungsaufträgen an die Beklagte die Unterschrift des Klägers "H. A." gefälscht, und zwar unter Beisetzung eines Firmenstampiglienabdruckes der klagenden Firma auf den Überweisungsscheinen. Die Beklagte hat diese Überweisungsaufträge ausgeführt und das Konto des Klägers mit den in den Überweisungsaufträgen angeführten Beträgen belastet. Die Beklagte hat jeweils nach Durchführung der Überweisungen einen Tageskontoauszug an die Adresse des Klägers abgesandt. Diese Auszüge hat der Kläger nicht erhalten, weil sie Karl K., dem auch die Aufgabe zugefallen war, die Post abzuholen, verschwinden ließ.

Der Kläger behauptet, daß er auf dem oben angeführten Girokonto ständig im Debet sei, so daß sich die Zinsen, die er der Beklagten zu leisten habe, zwischen 10 und 11% p. a. bewegen; er begehrt sohin aus dem Titel des Schadenersatzes die Bezahlung des dem Karl K. geleisteten Betrages von 29.664 S 55 g samt 10% Zinsen seit 9. September 1958.

Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil fest, daß der Anspruch des Klägers der Beklagten gegenüber auf Rückersatz der Überweisungen, die von der Beklagten zur Girokontonummer 15.636 mittels Auftragsnummer X - Z in der Zeit vom 7. Juli 1958 bis 8. November 1958 durchgeführt wurden, dem Gründe nach zu 50% zu Recht bestehe.

Das Berufungsgericht wies in Abänderung des erstgerichtlichen Urteiles das Klagebegehren ab.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klagers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Auch wenn man der Auffassung des Berufungsgerichtes beitritt, daß die Beklagte den Kläger schuldhaft geschädigt habe, weil sie die von K. nur mit dem Anfangsbuchstaben des Vornamens und mit dem Zunamen des Klägers gefälschten Giroaufträge ungeachtet dessen ausgeführt habe, daß der Kläger anläßlich des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Girovertrages seine Unterschrift mit dem vollen Vor- und Zunamen gezeichnet hatte, ist damit für den Kläger nichts gewonnen.

Die allgemeinen Geschäftsbedingungen wurden vereinbarungsgemäß von den Streitteilen zum Inhalt des von ihnen abgeschlossenen Girovertrages erhoben. Sie sind daher, soweit sie nicht als sittenwidrig anzusehen sind, als Vertragsinhalt für beide Vertragsteile verbindlich. Nach Punkt 6 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind Reklamationen gegen Anzeigen über die Ausführung von Geschäften unverzüglich mündlich oder telegraphisch zu erheben. Da die Anzeigen von einer vom Kläger hiezu bestimmten Person übernommen wurden, sind sie als dem Kläger ordnungsgemäß zugekommen zu behandeln. Durch Punkt 6, letzter Satz, der Geschäftsbedingungen, wonach die Unterlassung der unverzüglichen Beanstandung einer Anzeige der Sparkasse bewirkt, daß diese Anzeige, d. h. richtig die mit der Anzeige bekanntgegebene Geschäftsausführung, als vom Kunden, also hier vom Kläger, genehmigt gilt, soll die Haftung der Sparkasse für nicht ordnungsgemäß ausgeführte Aufträge oder für die Ausführung nicht vom Kunden erteilter Aufträge ausgeschaltet werden. Ein solcher Haftungsausschluß für vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der Vertragspflichten durch die Sparkasse als Beauftragte wäre, als gegen die guten Sitten verstoßend, nichtig. Eine grob fahrlässige oder gar vorsätzliche Vertragsverletzung liegt aber hier nicht vor. Die Ausführung der gefälschten Giroaufträge durch die Beklagte ist wohl eine schuldhafte Vertragsverletzung. Ein grobes Verschulden ist jedoch der Beklagten nicht anzulasten. Denn auf den gefälschten Giroaufträgen, die K. nicht mit dem Vor- und Zunamen des Klägers, sondern nur mit den Anfangsbuchstaben des Vornamens und dem Zunamen des Klägers gefertigt hatte, hatte K. der gefälschten Unterschrift einen Abdruck der Firmenstampiglie des Klägers beigesetzt. Er hatte überdies die dem Kläger von der Beklagten ausgehändigten, mit Kontrollnummern versehenen Spargiroauftragsformulare verwendet. Hätten auch bei sorgfältiger Prüfung der Giroaufträge die mit dieser Prüfung betrauten Angestellten der Beklagten die Fälschungen erkennen können, kann ihnen doch keine ungewöhnliche und darum auffallende Vernachlässigung der erforderlichen Sorgfalt vorgeworfen werden. Von grober Fahrlässigkeit kann nur dann gesprochen werden, wenn das unterlaufene Versehen mit Rücksicht auf seine Schwere und Häufigkeit nur bei besonders nachlässigen und leichtsinnigen Menschen vorkommen kann und nach den Umständen die Vermutung des bösen Vorsatzes nahelegt (vgl. Ehrenzweig System[7] II/1 § 302 unter I 1 b S. 58). Für die Annahme einer solchen Qualifikation des Versehens der Beklagten bzw. ihrer Angestellten fehlt in den Prozeßbehauptungen des Klägers jeder tatsächliche Anhaltspunkt. Eine solche Qualifikation ist nach den Verfahrensergebnissen zu verneinen. Nach Punkt 6 der Geschäftsbedingungen hatte, wie erwähnt, der Kläger das Recht, die Anzeigen über die Geschäftsausführungen zu beanstanden, und damit die Möglichkeit, den Haftungsausschluß wirkungslos zu machen. Daß K. die Anzeigen unterschlagen hat, macht ihn noch zusätzlich (neben seiner Haftung für den Schaden durch die Fälschung) dem Kläger gegenüber schadenersatzpflichtig, weil er damit die rechtzeitige Beanstandung der Ausführung der von ihm gefälschten Giroaufträge verhindert hat, läßt aber die Zustellung der Anzeigen an den Kläger, weil diese Zustellung an die vom Kläger dazu bestimmte Person erfolgte, nicht als vertragswidrig erscheinen. Die Bestimmungen der §§ 1313a, 1315 ABGB. kommen in diesem Zusammenhang nicht zur Anwendung, weil die Beklagte aus der Unterschlagung der Anzeigen durch K. keinen Schadenersatzanspruch gegen den Kläger ableitet. Sie behandelt nur die Giroaufträge ungeachtet der von ihr verschuldeten Vertragsverletzung - durch Durchführung nicht ordnungsgemäß gezeichneter Aufträge (P. 10 a der Geschäftsbedingungen) - als vom Kläger genehmigt (P. 6, letzter Satz der Geschäftsbedingungen).

Da das auf Grund des Girovertrages zugunsten des Klägers vor der Beklagten eingerichtete Girokonto ständig ein Passivkonto war, könnte eine Schadenersatzleistung durch die Sparkasse überdies nur in der Weise vorgenommen werden, daß die auf Grund der gefälschten Giroaufträge erfolgten Lastschriften storniert werden. Die Bezahlung eines Betrages in der Höhe dieser Lastschriften an den Kläger würde nicht die im Gesetze vorgesehene Wiederherstellung des vorigen Zustandes (§ 1323 ABGB.), also nicht Ersatz des erlittenen Schadens, sondern Leistung eines Geldbetrages bedeuten, auf den der Kläger einen Anspruch hatte.

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