OGH 8Ob503/84

OGH8Ob503/8410.5.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Anton K*****, vertreten durch Dr. Dietrich Clementschitsch, Rechtsanwalt in Villach, wider den Antragsgegner B*****, wegen Festsetzung einer Enteignungsentschädigung, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 4. Oktober 1983, GZ 2 R 383/83‑24, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 17. Juni 1983, GZ 10 Nc 11/81‑20, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00503.840.0510.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Antragsteller ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 355 Katastralgemeinde F*****, zu deren Gutsbestand die Grundstücke 420/4 und 422 gehören. In dem auf dem Grundstück 420/4 stehenden Gebäude *****, betreibt der Antragsteller zwei Gastlokale in der Form einer Diskothek und einer Tagesbar. Das Grundstück 422, welches der Antragsteller mit dem Vertrag vom 14. April 1977 käuflich erworben hatte, liegt, gemeinsam am Fußweg, rund 100 m vom Haus ***** entfernt. Am Grundstück 422 führt im Süd‑Westen die Landesstraße (L 57) mit der Grundstücksnummer 1179/1 Katastralgemeinde F***** vorbei. Mit dem Bescheid vom 26. Juni 1980, Zahl 8 BauR 2‑196/2/1980, enteignete die Kärntner Landesregierung als Straßenbehörde nach den Bestimmungen der §§ 36–38 des Kärntner Straßengesetzes 1978, LGBl Nr 33/1978, und des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl Nr 71/1954, zum Zwecke des Ausbaus und der Umlegung der genannten Landesstraße unter anderem aus dem Grundstück 422 des Antragstellers einen entlang der Straße verlaufenden Streifen mit der projektierten Fläche von 240 m 2 , wobei dem Antragsteller eine Entschädigung von 175 S pro Quadratmeter zuerkannt wurde. Eine Einigung über diese Entschädigung war mit dem Antragsteller im Enteignungsverfahren nicht erzielt worden.

Mit der Eingabe vom 25. Juni 1981 begehrte der Antragsteller die gerichtliche Neubemessung der Enteignungsentschädigung mit 846.000 S, allenfalls mit 450.000 S. Er habe das Grundstück 422 als Fahrzeugabstellfläche zum Zwecke der besseren Nutzung seiner auf dem Grundstück 420/4 geführten Gewerbebetriebe angekauft. Die Gemeinde F***** habe die Umwidmung des Grundstücks in „Grünland‑Parkplatz“ genehmigt und die Errichtung von Parkflächen bewilligt. In der Folge sei bereits mit einer Aufschotterung des Grundstücks begonnen worden. Durch die Enteignung der Teilfläche sei nun das Grundstück 422 insgesamt als Parkplatz nicht mehr verwendbar und damit für den Antragsteller wertlos geworden, zumal an der Landesstraße auch eine ca 1,5 m hohe Böschung entstanden sei. Der Verlust der Parkfläche wirke sich auf das gastgewerbliche Unternehmen des Antragstellers ertragsmindernd aus. Diese Ertragsminderung sei für 47 Autostellflächen kapitalisiert mit 846.000 S zu bewerten. Falls eine ordnungsgemäße Zufahrt zum Grundstück 422 geschaffen würde, verliere der Antragsteller 25 Stellplätze, für die die Ertragsminderung mit 450.000 S zu kapitalisieren sei.

Das Bundesland K***** als Antragsgegner machte im Wesentlichen geltend, dass der Antragsteller bei seinem Objekt auf dem Grundstück 420/4 über eine ausreichende Anzahl von Parkplätzen verfüge. Das von der Enteignung teilweise betroffene Grundstück 422 sei im amtlichen Flächenwidmungsplan nur als Grünland ausgewiesen. Es bestehe daher auch keine straßenbehördlich genehmigte Zufahrt für Kraftfahrzeuge. Im Übrigen habe der Antragsteller das Grundstück 422 mit einem Pachtvertrag auf die Dauer von 99 Jahren an die Gemeinde F***** zum Zwecke der Errichtung eines öffentlichen Parkplatzes im Ortsgebiet von F***** verpachtet. Die Gemeinde F***** habe mit den Anschüttungen auf dem Grundstück begonnen, diese jedoch über Betreiben der Anrainer mangels entsprechender Widmung des Areals wieder einstellen müssen. Das Grundstück 422 sei daher keineswegs als Bestandteil des Gewerbebetriebs des Antragstellers anzusehen und deshalb auch nicht als eine zu diesem Betrieb gehörige Abstellfläche höher zu bewerten.

Das Erstgericht setzte die dem Antragsteller für die enteignete Teilfläche des Grundstücks 422 gebührende Enteignungsentschädigung mit 175 S je m 2 fest. Der Verlust der Teilfläche des Grundstücks Nr 422 sei mit dem Verkehrswert dieser Trennfläche zu entschädigen. Wie schon im Verwaltungsverfahren habe auch im gerichtlichen Verfahren die Ermittlung dieses Verkehrswerts einen Betrag von 175 S pro m 2 ergeben. Im Zeitpunkt der Enteignung habe für den Antragsteller nicht die reale Möglichkeit bestanden, das Grundstück 422 in absehbarer Zeit als Privatparkplatz für die Gäste seines Unternehmens zu verwenden. Auf eine solche Verwendungsmöglichkeit sei daher bei der Bemessung der Entschädigung nicht Bedacht zu nehmen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es gab dem Spruch nur insoweit eine neue Fassung, als es unter Zugrundelegung des vom Erstgericht festgesetzten Entschädigungsbetrags die Summe feststellte, die sich daraus errechnete. Das Rekursgericht vertrat wie das Erstgericht die Auffassung, dass eine Entschädigung nach dem Verkehrswert des Grundstücks zu erfolgen habe. Das Grundstück 422 sei vom Antragsteller und von seinen Gästen niemals als Parkplatz benützt worden. Der Antragsteller habe dieses Grundstück bereits im Jahre 1977 der Gemeinde F***** für 99 Jahre gegen einen Anerkennungszins in Pacht gegeben, damit auf diesen Flächen für die Allgemeinheit Parkplätze geschaffen werden können. Die Gemeinde habe dann in der Folge auf ihre Kosten das ursprünglich sumpfige Grundstück 422 aufgeschüttet und als Parkplatz planiert. Auch zur Umwidmung des Grundstücks 422 von „Grünland“ in „Grünland‑Parkplatz“ sei es erst nach dem Abschluss des Pachtvertrags auf Betreiben der Gemeinde F*****, nämlich mit Wirksamkeit vom 22. Dezember 1981, gekommen, somit nach dem für die Bemessung der Enteignungsentschädigung maßgeblichen Zeitpunkt. Der Antragsteller habe das Grundstück 422 ganz bewusst aus seinem Betriebsanlagengenehmigungsverfahren ausgenommen und damit von der mit dem Kaufvertrag des Jahres 1977 noch verfolgten Absicht der Zuordnung des Kaufgrundstücks zu seinen Gastgewerbebetrieben Abstand genommen, weil er zu gewärtigen hatte, dass ihm die Behörde umfangreiche Schallschutzmaßnahmen auf dem Grundstück vorschreiben werde. Es gehe nicht an, einerseits die wirtschaftliche Trennung im Liegenschaftsbesitz zu vollziehen und das Grundstück 422 der Gemeinde pachtweise zur öffentlichen Nutzung zur Verfügung zu stellen, und zum anderen damit zu operieren, dass mit der Enteignung betriebliche Ertragsmöglichkeiten des Antragstellers geschmälert wurden. Die wirtschaftliche Beziehung des Grundstücks 422 zu den Gastwirtschaftsunternehmen des Antragstellers, mit der er seinen höheren Entschädigungsanspruch zu begründen trachtete, habe in Wahrheit weder im Zeitpunkt der Enteignung bestanden noch sei damit zu rechnen, dass in absehbarer Zeit eine solche Verbindung hergestellt wird. Für eine Entschädigung könne nur das in Anschlag gebracht werden, was bereits real oder für die nahe Zukunft wahrscheinlich sei. Verwendungsmöglichkeiten eines Objekts, die in ungewisser Zukunft liegen, hätten völlig außer Betracht zu bleiben. Das Entschädigungsverfahren habe erbracht, dass der Antragsteller zur Zeit der Enteignung beziehungsweise ihrer Rechtskraft aus der enteigneten Grundfläche weder die mit einer Nutzung als Parkraum allenfalls verbundenen privatwirtschaftlichen Vorteile gezogen, noch solche Vorkehrungen getroffen habe, die konkret erwarten ließen, dass es für den Antragsteller, sei es durch Widmung des Grundstücks für den Gastbetrieb, sei es unabhängig davon, zu derartigen Nutzungen kommt. Den Verlust der enteigneten Fläche nach der vergleichenden Ertragswertmethode für das Gastwirtschaftsunternehmen beziehungsweise für die Grundfläche zu entschädigen, sei daher nicht möglich.

In seinem Rechtsmittel behauptet der Antragsteller eine „unrichtige rechtliche Beurteilung des Sachverhalts auch auf Grund unzureichende Sachverhaltsermittlung“. Ihm ist zunächst entgegenzuhalten, dass es sich bei der Maßgabebestätigung des erstgerichtlichen Beschlusses durch das Rekursgericht um einen echten Konformationsbeschluss handelte, weil damit keine Änderung des Inhalts der erstgerichtlichen Entscheidung und ihrer Rechtskraftwirkung gegenüber den Parteien und Beteiligten vorgenommen wurde (RZ 1972, 185; 5 Ob 24/80 ua). Da § 16 AußStrG auch für das Verfahren nach § 30 EEG gilt (SZ 23/10; 4 Ob 539/80 uza), kommt eine Anfechtung der bestehenden Entscheidung des Rekursgerichts nur nach Maßgabe der im § 16 AußStrG aufgestellten Anfechtungsgründe in Betracht. Auf solche stützt sich der Antragsteller jedoch nicht. Auch inhaltlich kann in den Ausführungen des Antragstellers ein Anfechtungsgrund des § 16 AußStrG nicht erkannt werden. Hier käme nach der Sachlage nur der Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzeswidrigkeit in Betracht. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit ist aber nur gegeben, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar gelöst ist, dass kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird (RZ 1967/204 uza). Davon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein:

Nach ständiger Rechtsprechung gebührt dem Enteigneten grundsätzlich der Verkehrswert des enteigneten Grundstücks (EvBl 1967/255; SZ 51/175 uza). Der Verkehrswert (Austauschwert) ist jener Betrag, um den die Sache im Verkehr angeschafft oder veräußert werden kann ( Koziol . Österreichisches Haftpflichtrecht I, 147), konkret jener Betrag, der für ein Grundstück gleicher Art und Beschaffenheit zum Zeitpunkt der Enteignung im örtlichen Bereich ( Jesch in ÖJZ 1962, 533) von Kauflustigen geboten worden wäre. Auf nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge ( Jesch aaO 535) bestehende wirtschaftliche Möglichkeiten ist Bedacht zu nehmen. Es kommt also auf die konkrete wirtschaftliche Verwendungsmöglichkeit nach der zum Zeitpunkt der Enteignung bestandenen Sach‑ und Rechtslage an (SZ 51/23 ua). Zu ersetzen ist der objektive Vermögensnachteil (EvBl 1976/255 ua; Brunner in ÖJZ 1969, 141). Entscheidend für die Höhe der Entschädigung ist die Art der Verwendungsmöglichkeit der enteigneten Sache im Zeitpunkt der Enteignung (RZ 1969, 107; SZ 51/175 ua). Auf alle diese Umstände hat der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts Bedacht genommen:

Im Gegensatz zur Ansicht des Rekurswerbers ist das Rekursgericht in Übereinstimmung mit dem Erstgericht zur Ansicht gekommen, dass sich die ursprünglich ins Auge gefasste Verwendung des Grundstücks als Parkplatz für Gäste des Gastgewerbebetriebs des Antragstellers nicht weiter konkretisierte und sich dieser der Nutzung der Liegenschaft durch einen auf 99 Jahre abgeschlossenen Pachtvertrag mit der Gemeinde F***** gänzlich begeben hätte. Nach ständiger Rechtsprechung hätte sich jedoch die Möglichkeit, dieses Grundstück als Parkplatz für das Gastgewerbe des Antragstellers zu benützen, schon zur Zeit der Enteignung so konkretisieren müssen, dass dies nach der Verkehrsauffassung bereits als zusätzliches werterhöhendes Moment angesehen hätte werden können (vgl SZ 51/175 uza); dies haben die Vorinstanzen verneint. Ob ein ausreichendes Maß an Konkretisierung einer solchen Möglichkeit anzunehmen war oder nicht, kann schon begrifflich nicht den Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit bilden: Die Frage, welche Voraussetzungen hiefür vorliegen müssten, ist in keiner gesetzlichen Vorschrift ausdrücklich geregelt, so dass auch aus diesem Grund von einer offenbaren Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG keine Rede sein kann (4 Ob 545/75 ua). Soweit der Antragsteller abschließend Spekulationen darüber anstellt, dass der Vertrag mit der Gemeinde F***** allenfalls aufgelöst werden könnte, läuft dies im Grunde genommen darauf hinaus, Argumente dafür zu bieten, um die Konkretisierung der beabsichtigten Verwendung des Grundstücks als Parkplatz plausibel zu machen. Eine solche haben die Vorinstanzen jedoch nicht als gegeben erachtet, weshalb der Revisionsrekurswerber auch mit diesem Vorbringen wiederum auf die dargelegte Rechtslage zu verweisen war.

Der Revisionsrekurs war somit zurückzuweisen.

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