European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0080OB00048.14P.0626.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Ob die Voraussetzungen für eine Obsorgeübertragung erfüllt sind und eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab und wirft im Regelfall keine Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG auf (RIS‑Justiz RS0115719 ua; zur Übertragung auf den Jugendwohlfahrtsträger [nunmehr: Träger der Kinder‑ und Jugendhilfe, § 10 Abs 1 B‑KJHG 2013]: 7 Ob 184/04s). Bei der Entscheidung ist ausschließlich das Wohl des Kindes maßgebend, wobei eine Änderung der Obsorgeverhältnisse nur als äußerste Notmaßnahme unter Anlegung eines strengen Maßstabs (RIS‑Justiz RS0047841 [T15]; RS0048712 [T1]) und nur insoweit angeordnet werden darf, als dies zur Abwendung einer drohenden Gefährdung notwendig ist (RIS‑Justiz RS0048712; der hier anwendbare § 181 ABGB blieb inhaltlich gegenüber § 176 ABGB idF vor dem KindNamRÄG 2013, BGBl I 2013/15, unverändert, 5 Ob 63/13w mwH). Eine Verletzung dieser Grundsätze wird hier nicht aufgezeigt.
2. Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass die Mutter derzeit nicht in der Lage ist, sich in ausreichender Form um die Pflege und Erziehung der Tochter zu kümmern. Sie gingen davon aus, dass das Wohl der Minderjährigen bei einem weiteren Verbleib bei der Mutter gefährdet wäre. Diese Ansicht wird durch die umfangreiche und eingehende Stellungnahme zweier Psychologinnen der Familiengerichtshilfe ebenso bestätigt, wie durch den Umstand, dass die Minderjährige, die vorwiegend im Kinderwagen oder im Bett gelagert wurde, bereits im Frühjahr 2013 eine therapiebedürftige muskuläre Hypotonie und einen motorischen Entwicklungsrückstand aufwies. Ebenso steht fest, dass sich der Entwicklungsrückstand durch die nun schon Monate dauernde Fremdunterbringung deutlich verringert hat.
3. Dass die Entziehung der Obsorge lediglich eine Folge des schlechten Verhältnisses der Mutter zum Träger der Kinder‑ und Jugendhilfe sei, trifft nicht zu. Richtig ist aber, dass die Situation nach den durch den Akteninhalt bestätigten Feststellungen durch die Verweigerung der Unterstützungsanbote des Trägers der Kinder- und Jugendhilfe noch verschärft wurde.
4. Die Einholung eines Sachverständigengut-achtens hat die (bereits im Verfahren erster Instanz zeitweise auch anwaltlich vertretene) Mutter weder in erster noch in zweiter Instanz beantragt. Überdies lässt das nunmehr dazu erstattete Vorbringen die umfangreiche und überzeugende Stellungnahme der beiden Psychologinnen der Familiengerichtshilfe (§ 106a AußStrG) völlig außer Acht. Dass sich die Mutter ‑ wie sie in ihrem Rechtsmittel vorbringt ‑ bei Besuchen liebevoll um ihre Tochter kümmert, ändert im Übrigen nichts an den Feststellungen, nach denen sie deren Bedürfnisse nur schwer wahrnehmen kann und es ihr schwerfällt, entsprechend diesen Bedürfnissen zu handeln.
Auf die den älteren Bruder der Minderjährigen betreffende Entscheidung 4 Ob 165/13p, mit der die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Einholung eines psychologischen Gutachtens aufgehoben wurden, kann sich die Mutter nicht mir Erfolg berufen, da die dort gegebene Entscheidungsgrundlage von der hier zu beurteilenden in mehrfacher Hinsicht abweicht.
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