Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger den Betrag von S 205.102,50 samt 4 % Zinsen seit 4.8.1977 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Das Mehrbegehren von S 211.167,50 samt 4 % Zinsen seit 4.8.1977 wird abgewiesen.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten an Kosten des Verfahrens erster Instanz S 15.133,44 (darin an Barauslagen S 814,20, an USt. S 1.431,92), an Kosten des Berufungsverfahrens S 1.639,07 (darin an Barauslagen S 128,--, an USt. S 137,37) sowie an Kosten des Revisionsverfahrens S 3.784,13 (darin an Barauslagen S 480,--, an USt. S 300,38) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 8.7.1977 ereignete sich in der Waidmannsdorferstraße in Klagenfurt ein Verkehrsunfall, an dem Herbert G*** als Fußgänger und Alois W*** als Lenker des PKW Peugeot 404, pol. Kz. K 206.895, der bei der Beklagten haftpflichtversichert war, beteiligt waren. Herbert G*** trat seine Schadenersatzforderungen dem Kläger ab. Dieser begehrte von der Beklagten insgesamt S 656.270,--, zog hievon eine Teilzahlung von S 240.000,-- ab, sodaß sich seine Forderung auf S 416.270,-- s.A. belief.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein Mitverschulden des Fußgängers von einem Drittel ein.
Das Erstgericht ging von einer Schadensteilung von 1 : 3 zugunsten des Klägers aus, bemaß dessen Schadenersatzanspruch mit S 350.902,50 und sprach ihm unter Berücksichtigung der erhaltenen Zahlung von S 240.000,-- S 110.902,50 s.A. zu; das Mehrbegehren von S 305.367,50 s.A. (darin die Kosten einer kosmetischen Operation von S 80.000,-- s.A.) wies es ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht, hingegen jener des Klägers teilweise Folge und änderte - von der gleichen Schadensteilung ausgehend wie das Erstgericht - dessen Urteil dahin ab, daß es dem Kläger S 148.402,50 s.A. zuerkannte und ein Mehrbegehren von S 267.867,50 s.A. abwies. Das Gericht zweiter Instanz erkannte dem Kläger zwar eine höhere Verunstaltungsentschädigung zu, verneinte aber ebenfalls die Berechtigung auf Ersatz der Kosten einer kosmetischen Operation. Zu letzterem Belang erklärte es die Revision für zulässig. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Klägers, welche er auch hinsichtlich der Frage seines Mitverschuldens ausführt und diesbezüglich als (zulässige) ao. Revision verstanden wissen will. Er stützt sich auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragt die Abänderung des angefochtenen Urteiles dahin, daß ihm um S 209.467,50 mehr, also insgesamt S 357.870,-- s.A. zuerkannt werden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Vorweg ist festzuhalten, daß die Rechtsmittelschrift des Klägers, soweit sie die Verschuldensteilung der Vorinstanzen bekämpft, zu einem Revisionsinteresse von S 149.467,50 keine erheblichen Rechtsfragen iS des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO betrifft. Auf die Verschuldensteilung der Vorinstanzen ist daher nicht weiter einzugehen.
In Ansehung der auf der Grundlage der vorgenommenen Verschuldensteilung von 1 : 3 zugunsten des Klägers erfolgten Abweisung des Anspruches auf Ersatz der Kosten einer kosmetischen Operation (S 80.000,-- beantragt, Teilungsverhältnis 1 : 3 = S 60.000,--) ist die für zulässig erklärte Revision auch berechtigt. Zu diesem Fragenkomplex gingen die Vorinstanzen von nachstehenden Feststellungen aus:
Der Fußgänger G*** erlitt durch den Unfall eine Gehirnerschütterung, einen Schädelbasisbruch in der rechten Schläfengegend, einen Bruch des Augenhöhlenbogens rechts, des Oberkiefers und des rechten Jochbeines, eine Verletzung des rechten Augapfels mit Verlust des rechten Auges, einen Bruch des linken Schienbeines, mehrfache Rißquetschwunden im Gesicht, eine Rißquetschwunde an der rechten Schulter und am rechten Arm und eine Rißquetschwunde am rechten Oberschenkel. Er erlitt auch ein schweres Schädelhirntrauma mit Gehirnkontussionen und subduralem Haematom rechts temporal. Bleibende Unfallsfolgen sind außer dem Verlust des rechten Auges die störenden Narben im Gesicht und eine mäßiggradige Muskelschwäche am linken Unterschenkel. Aus neurologischer Sicht resultiert aus den Verletzungen noch ein pseudoneurasthenisches Syndrom bei mäßig abnormem EEG und Herdzeichen rechts temporoparietal und eine geringgradige Peroneusparese links. Ein späteres Auftreten posttraumatischer Epilepsie ist nicht auszuschließen. Durch eine kosmetische Operation zu beheben sind die störenden Veränderungen des Gesichtes (ausgedehnte Narbenkorrektur der rechten Wange und Unterfütterung am Boden der rechten Augenhöhle) und die Narben am rechten Oberarm. Eine weitgehende Besserstellung des Aussehens ist möglich. Die Kosten einer Operation würden S 70.000,-- bis S 75.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer kosten.
Herbert G*** wurde am 12.10.1954 geboren. Er scheint von besonderer Konstitution, Vitalität und Lebensaktivität zu sein. Obwohl eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliegt, arbeitet G*** als Maurer unvermindert weiter, doch muß er sich mehr anstrengen und wird leichter müde. Er ist entschlossen, die kosmetische Operation nicht vornehmen zu lassen.
Nach Ansicht des Berufungsgerichtes habe das Erstgericht den Ersatz der Kosten einer wohl zweckmäßigen Operation, die der Verletzte aber nicht durchführen lassen will, zu Recht abgelehnt.
Ein Teil der Rechtsprechung und Lehre gehe dahin, daß der Anspruch auf Ersatz der Heilungskosten schon mit der Körperverletzung entsteht und daß auch Kosten einer zweckmäßigen kosmetischen Operation unabhängig davon, ob sie schon aufgewendet wurden oder in Zukunft aufgewendet werden, beansprucht werden können. Stehe aber - wie hier - fest, daß der Geschädigte eine kosmetische Operation ablehnt, das heißt sie nicht durchführen lassen wird, komme es für den Ersatzanspruch darauf an, ob eine objektiv-abstrakte, oder subjektiv-konkrete Schadensberechnung in Betracht kommt. Die Rechtsprechung sei nur selten mit der Tatsache konfrontiert gewesen, daß bei Geltendmachung der Kosten einer zweckmäßigen kosmetischen Operation der Geschädigte selbst die Durchführung einer solchen Operation ablehnte und dafür durch seine Aussage auch noch den unwiderlegbaren Beweis lieferte. Ein solcher Fall zeige aber, daß bei Heilungskosten die objektiv-abstrakte Schadensberechnungsmethode versagen muß, vielmehr die subjektiv-konkrete angebracht ist. Die Zuerkennung eines Schadenersatzanspruches unabhängig davon, ob der Geschädigte den Aufwand für eine kosmetische Operation auch tatsächlich machen will, scheine wohl in der Rechtsprechung erfolgt zu sein (vgl. JBl. 1955, 305 mit kritischer Anmerkung Gschnitzer, ZVR 1976/264); gerade bei Heilungskosten aber, insbesondere den Kosten einer kosmetischen Operation, die meist nur mehr der Verbesserung des äußeren Erscheinungsbildes dienen soll, ergebe sich ganz zwanglos, daß erst durch die tatsächliche oder beabsichtigte Aufwendung das Vermögen des Geschädigten vermindert wird. Erst der Aufwand also bestimme den Schaden. Da G*** einen hier durchaus zweckmäßigen und angebrachten Aufwand für eine kosmetische Operation nicht getätigt hat und auch nicht beabsichtigt, die kosmetische Operation in Zukunft ausführen zu lassen, stehe ihm und damit dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz von Kosten einer kosmetischen Operation nicht zu.
Diesen Argumenten ist zu erwidern:
Zu den vom Schädiger zu ersetzenden Heilungskosten gehören auch die Kosten einer kosmetischen Operation, soweit sie zur gänzlichen oder teilweisen Beseitigung einer durch die Verletzung hervorgerufenen Verunstaltung als zweckmäßig anzusehen sind (ZVR 1976/264; 8 Ob 66/83; 8 Ob 200/83 ua). Der Oberste Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, daß die Kosten einer künftigen Operation schon vor ihrer Vornahme gefordert werden können und es nicht einmal des Beweises einer Wahrscheinlichkeit der Vornahme der Operation bedarf (RZ 1937, 140; JBl. 1955, 305; ZVR 1976/264; 8 Ob 131/82; 8 Ob 66/83; 8 Ob 200/83 uva). Diese Rechtsprechung wurde in der Lehre verschiedentlich kritisiert (Gschnitzer in JBl. 1955, 305; Apathy, Aufwendungen zur Schadensbeseitigung 82; Reischauer in Rummel ABGB Rdz 18 zu § 1325). Der Oberste Gerichtshof hat in Ablehnung dieser Kritik unter Berufung auf die Ausführungen Koziols in Österreichisches Haftpflichtrecht 2 II 127 f seine bisherige Rechtsprechung im wesentlichen mit der Begründung aufrecht erhalten, es sei einzuräumen, daß bei einer Körperverletzung im Zeitpunkt der Verletzung nur ein realer Personenschaden vorliege, eine Vermögensminderung aber noch nicht eingetreten sei. Der Geschädigte habe einen Anspruch auf Wiederherstellung seiner Gesundheit. Die Beseitigung der durch die Körperverletzung entstandenen Nachteile erfordere aber einen in Geld meßbaren Aufwand, dessen objektivabstrakte Berechnung sich mit einem Größenschluß rechtfertigen lasse. Stehe nämlich dem Geschädigten für die Verletzung absoluter Vermögensgüter ein Anspruch auf Ersatz eines objektiv-abstrakt berechneten Schadens zu, müsse dies umso mehr für die Verletzung eines höher zu bewertenden Persönlichkeitsrechtes gelten. Einer Verletzung der Interessen des Schädigers durch das Begehren höherer Kosten als der tatsächlich notwendigen Aufwendungen könne durch Zuspruch des jedenfalls erforderlichen Minimums begegnet werden (RZ 1985/14; 8 Ob 32/85 ua).
Davon abzugehen bieten auch die Ausführungen des Berufungsgerichtes keinen Anlaß. Der erkennende Senat hält daher an der dargestellten einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fest. Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, daß es für den Zuspruch der Kosten der für erforderlich erachteten kosmetischen Operation unmaßgeblich ist, ob der Verletzte die Operation tatsächlich vornehmen lassen will oder nicht, denn der Schadenersatzanspruch des Klägers ist in seiner vollen Höhe schon durch die ihm zugefügte Körperverletzung und die daraus entstehenden Folgen existent geworden (JBl. 1955, 203 ua). Nach der ständigen Judikatur kommt es auf den Willen des Verletzten nicht an, daher auch nicht auf seine im vorliegenden Fall durchaus verständliche Absicht, die kosmetische Operation nicht durchführen lassen zu wollen: Nach dem Sachverständigengutachten wäre eine solche nur in Vollnarkose möglich, erforderte einen Krankenhausaufenthalt von 7 bis 10 Tagen und wäre als eine sehr ausgedehnte und schwierige Korrekturoperation zu beurteilen (AS 125).
Zur Höhe der dem Kläger demnach aus dem Rechtsgrund des § 1325 ABGB zustehenden Kosten hat bereits Koziol aaO, 128 darauf hingewiesen, daß diese objektiv mit jenem Betrag anzusetzen sind, der als Minimum jedenfalls erforderlich wäre. Dieser ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen zumindest mit S 70.000,-- zuzüglich der entsprechenden Umsatzsteuer anzusetzen, was unter Zugrundelegung der Berechnung des Sachverständigen (AS 125) den Betrag von S 75.600,-- ergibt. Im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichtes sind daher dem Kläger - ausgehend von den im übrigen gleichbleibenden Ersatzposten und unter Berücksichtigung des Schadensteilungsverhältnisses von 1 : 3 - insgesamt S 205.102,50 s. A. zuzusprechen und ein Mehrbegehren von S 211.167,50 s.A. abzuweisen.
Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz sowie jener der dritten Instanz beruht auf den §§ 43 Abs.1, 50 ZPO.
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