OGH 8Ob37/88

OGH8Ob37/8813.7.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Philipp P***, Baumeister, 1100 Wien, Quellenstraße 36, vertreten durch Dr. Friedrich Flendrovsky und Dr. Thomas Pittner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Herbert H***, Rechtsanwalt, 1040 Wien, Brucknerstraße 4-6, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Philipp P*** Gesellschaft mbH (S 61/83 des Handelsgerichtes Wien) wegen S 73.636,52 s.A infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 24.Juni 1988, GZ 3 R 82/88-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 12.Juni 1987, GZ 25 Cg 165/86-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das bezüglich der Abweisung des 4 % übersteigenden Zinsenbegehrens rechtskräftig wurde, wird im übrigen aufgehoben.

Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Eigentümer der Liegenschaft EZ 1343 KG Favoriten, Haus in Wien 10, Quellenstraße 36, sind der Kläger zu 2/10, die Gemeinschulderin Philipp P*** Gesellschaft mbH zu 3/10 und Antonia K*** zu 5/10. Das Haus besteht aus einem Vordertrakt, zwei Seitentrakten und einem Hintertrakt. Zwischen den Miteigentümern besteht eine Benützungsregelung derart, daß der Vordertrakt und die beiden Seitentrakte Antonia K*** zustehen, der Hintertrakt hingegen dem Kläger und der Gemeinschuldnerin. Dementsprechend wurden auch die Instandsetzungskosten von den jeweils Nutzungsberechtigten für den von ihnen benützten Gebäudeteil getragen.

Mit Bescheid vom 7.Dezember 1982 trug die Stadt Wien (Baupolizei) den Eigentümern dieser Liegenschaft auf, den schadhaften Verputz an der Feuermauer des Hintergebäudes instandsetzen zu lassen. Die von Antonia K*** und der Philipp P*** Gesellschaft mbH dagegen erhobene Berufung wurde mit Berufungsbescheid vom 24.März 1983, zugestellt am 14.April 1983, abschlägig erledigt.

Über das Vermögen der Philipp P*** Gesellschaft mbH wurde am 28. Februar 1983 der Konkurs eröffnet.

Nach Einleitung des Vollstreckungsverfahrens (13.Juni 1984:

Androhung der Ersatzvornahme; 10.Juni 1985: Auftrag zur Vorauszahlung der voraussichtlichen Instandsetzungskosten an die Stadt Wien) ließ der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger zur Vermeidung der Ersatzvornahme die aufgetragenen Instandsetzungsarbeiten im August 1985 durchführen und bezahlte hiefür S 122.727,54 (einschließlich S 20.454,59 Umsatzsteuer). Daraufhin wurde das Vollstreckungsverfahren eingestellt. Der Miteigentumsanteil der Gemeinschuldnerin wurde nach Behebung der Baumängel im Konkurs durch Versteigerung verwertet. Der Kläger begehrt von der beklagten Partei die Zahlung von S 73.636,52 samt 10 % Zinsen seit 10.11.1985, das sind 60 % des von ihm aufgewendeten Betrages für die oben angeführten Instandsetzungsarbeiten, mit der Begründung, der Instandsetzungsaufwand beziehe sich nur auf den vom Kläger und der Philipp P*** Gesellschaft mbH benützten Hintertrakt und sei daher von diesen im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen. Jedenfalls sei die Konkursmasse bereichert, weil sie im Falle der Ersatzvornahme zumindest anteilsmäßige Kosten zu tragen gehabt hätte. Der beklagte Masseverwalter wendete ein, der geltend gemachte Anspruch sei keine Masseforderung, weil das Klagevorbringen keinen Hinweis auf eine Rechtshandlung des Masseverwalters enthalte. Eine Bereicherung der Masse liege nicht vor, weil im Gutachten über die Schätzung des Liegenschaftsanteiles der Gemeinschuldnerin der Aufwand für die Behebung des Baugebrechens berücksichtigt worden sei. Das Erstgericht stellte im wesentlichen den oben wiedergegebenen Sachverhalt fest und gab auf dieser Grundlage dem Klagebegehren bei gleichseitiger - unangefochten gebliebener - Abweisung des 4 % übersteigenden Zinsenbegehrens statt. Die Bestimmungen der §§ 891 ff ABGB seien auch auf Solidarverpflichtungen anzuwenden, die auf öffentlichem Recht - hier der sich aus der Wiener Bauordnung ergebenden Verpflichtung der Liegenschaftseigentümer zur Behebung von Baugebrechen - beruhen. Der Kläger habe daher gemäß § 896 ABGB einen mit der - nach Konkurseröffnung - erfolgten Zahlung der Instandsetzungskosten entstandenen Regreßanspruch. Seine Forderung sei eine Masseforderung gemäß § 46 Abs 1 Z 1 KO in der Fassung vor dem IRÄG (§ 2 Abs 2 Z 1 lit a IRÄG). Es handle sich nämlich um Auslagen, die mit der Erhaltung, Verwaltung und Bewirtschaftung der Masse verbunden seien. Eine grundlose Bereicherung der Masse (§ 46 Abs 1 Z 5 KO aF) liege hingegen nicht vor.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil in klageabweisendem Sinn ab. Es vertrat folgende Rechtsansicht:

Durch einen baupolizeilichen Auftrag zur Behebung von Baugebrechen werde eine Verpflichtung der Liegenschaftseigentümer nicht begründet, sondern nur konkretisiert. Da die Baugebrechen schon vor Konkurseröffnung vorgelegen wären, hätte auch die Solidarverpflichtung des Klägers und der Gemeinschuldnerin zu deren Behebung schon vor der Konkurseröffnung bestanden. Der Kläger hätte daher schon zur Zeit der Konkurseröffnung einen durch die Zahlung der Gebrechensbehebungskosten durch ihn aufschiebend bedingten Regreßanspruch gegen die Gemeinschuldnerin gehabt. Gemäß § 17 Abs 1 KO könnten aber Mitschuldner zur ungeteilten Hand und Bürgen des Gemeinschuldners das Begehren auf Ersatz der vor oder nach der Konkurseröffnung von ihnen auf die Forderung geleistete nur als Konkursforderung geltend machen. Als Verwaltungskosten (§ 46 Abs 1 Z 1 KO aF) könnten die Aufwendungen des Klägers schon deshalb nicht qualifiziert werden, weil er die Konkursmasse nicht verwaltet und die Aufwendungen auch nicht gleichsam als Geschäftsführer ohne Auftrag für den Masseverwalter vorgenommen habe, sondern auf Grund eigener Verpflichtung. Auf § 1042 ABGB könnte das Begehren des Klägers nicht gestützt werden, weil der Verwendungsanspruch nur subsidiär zustehe. Eine Bereicherung der Masse läge nur dann vor, wenn der Aufwand von einem hiezu nicht verpflichteten Dritten gemacht worden wäre.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision zulässig sei, weil zur Frage, ob demjenigen, der als Mitverpflichteter des Gemeinschuldners Leistungen zur Erhaltung der Konkursmasse erbringe, eine Masseforderung nach § 46 Abs 1 Z 2 KO = § 46 Abs 1 Z 1 KO aF zustehe, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im klagestattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte begehrt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig. Sie ist auch berechtigt.

Nach § 837 letzter Satz ABGB gilt ein Teilgenosse einer gemeinsamen Sache, also auch der Miteigentümer einer Liegenschaft, als Verwalter des gemeinschaftlichen Gutes, auch wenn er es ohne Auftrag der übrigen Teilnehmer verwaltet. Es ist nicht erforderlich, daß er die ganze Verwaltung führt. Diese Gesetzesbestimmung gilt auch, wenn der Miteigentümer nur einzelne Verwaltungshandlungen vornimmt (SZ 23/351 mwH). Zweifellos gehört die Befolgung eines behördlichen Instandsetzungsauftrages zur Verwaltung der Liegenschaft. Bei Setzung dieser Verwaltungshandlung gilt er nach § 837 ABGB auch als Machthaber der übrigen Miteigentümer, hier also auch der Konkursmasse.

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen ließ der Kläger Instandsetzungsarbeiten laut dem Auftrag der Baubehörde um S 122.727,54 vornehmen. Er hat daher gegenüber dem Beklagten Anspruch auf Ersatz aller nützlich gemachten Auslagen (Gamerith in Rummel, ABGB, Rdz 10 und 13 zu § 837). Die vom Kläger für die Durchführung der baubehördlich aufgetragenen Instandsetzungsarbeiten gemachten Auslagen sind im Zuge der Verwaltung auch der Konkursmasse entstanden und während des Konkursverfahrens fällig geworden. Sie sind demnach Masseforderungen gemäß § 46 Abs 1 Z 1 KO aF. Im übrigen wäre der Anspruch des Klägers - bestünde er nicht schon nach dem dargelegten Rechtsgrund - auch bereicherungsrechtlich begründbar: Durch die Vornahme der Instandsetzungsarbeiten hat der Kläger die Exekution des behördlichen Auftrags zur Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme in der Höhe von S 190.000,-- abgewendet. Der Kläger besorgte damit nicht nur sein eigenes Geschäft, sondern auch das des Beklagten, an den die baubehördlichen Aufträge auch ergangen waren und für deren Durchführung auch er zur ungeteilten Hand mit dem Kläger haftete. Er wendete dadurch von sich und einem anderen eine Gefahr ab, nämlich die regelmäßig mit höheren Kosten verbundene Ersatzvornahme und die hypothekarische Sicherstellung dieser Kosten auf der Liegenschaft (als öffentliche Abgabe mit gesetzlichem Pfand- oder Vorzugsrecht, 3 Ob 16/86). Der Kläger hätte daher nach § 1043 ABGB insoweit Anspruch auf Entschädigung, als er das Geschäft zu Gunsten seines Gefahrgenossen vorgenommen hat (SZ 32/22, die die Anwendbarkeit des § 1043 ABGB auf den vergleichbaren Fall aussprach, daß ein Miteigentümer zur Abwehr der behördlich angedrohten Ersatzvornahme zum Teil aus eigenem Vermögen eine Fassadeninstandsetzung vornahm; offenbar gebilligt von Rummel in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 1043). Die bereicherungsrechtliche Vorschrift des § 1043 ABGB gewährt nämlich dem zur Abwehr einer gemeinsamen Gefahr sein Vermögen aufopfernden einen Ausgleichsanspruch, weil seine Vermögenswerte ohne rechtfertigenden Grund einem Dritten zugute gekommen sind (Koziol-Welser, Grundriß8 I 388). Aus einer grundlosen Bereicherung (der Masse) abgeleitete Ansprüche sind aber nach § 46 Abs 1 Z 5 KO aF Masseforderungen. Für den Anspruch des Klägers ist der tatsächliche Aufwand, also die Bezahlung der über die durchgeführten Arbeiten gelegten Rechnung Voraussetzung. Das Erstgericht traf zwar eine diesbezügliche Feststellung, doch wurde diese vom Beklagten in der Berufung bekämpft. Das Berufungsgericht erledigte die diesbezügliche Rüge nicht, so daß die entsprechende erstgerichtliche Feststellung vom Obersten Gerichtshof einer Entscheidung nicht zugrundegelegt werden kann.

Das Berufungsgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren darüber zu entscheiden haben, ob die durch den Inhalt des Vorbringens des Klägers gedeckte Tatsachenfeststellung der Bezahlung der eingeklagten Kosten richtig ist, gegebenenfalls auch das Beweisverfahren hierüber zu ergänzen und sodann je nach dem Ausgang desselben im Sinne der oben aufgezeigten Rechtsansicht zu entscheiden haben.

Bemerkt wird, daß der Beklagte im Verfahren erster Instanz eine Behauptung des Inhaltes, die vom Kläger behauptetermaßen aufgewendeten Kosten seien unangemessen hoch, nicht aufstellte, so daß auf den diesbezüglich erstmals in dem Berufungsverfahren erhobenen Einwand nicht einzugehen ist.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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