European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00037.840.0117.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit 16.086,74 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von 1.920 S die Umsatzsteuer von 1.287,89 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Am 17. September 1981 ereignete sich auf der Landesstraße Nr 201 in U***** im Bereich von Feldbach ein Verkehrsunfall, an welchem die Fahrzeuge der Streitteile beteiligt waren. Die Klägerin war Eigentümerin und Halterin der Zugmaschine M*****, mit dem polizeilichen Kennzeichen ***** samt Tiefladeanhänger. Die Zweitbeklagte war dies beim Sattelzugfahrzeug Steyr 1490.320/G29, mit dem polizeilichen Kennzeichen ***** und dessen Sattelanhänger. Lenker des Fahrzeugs der Klägerin war Walter S*****, des Fahrzeugs der Zweitbeklagten der Erstbeklagte. Die Drittbeklagte war dessen Haftpflichtversicherer. Die Klägerin begehrte nach teilweiser Erledigung ihrer Ansprüche durch Teilanerkenntnisurteil von den Beklagten noch die Zahlung von 622.246,50 S sA an Schadenersatz. Das Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalls treffe den Erstbeklagten. Dieser sei zu schnell gefahren. Dadurch sei es für Walter S***** unvorhersehbar zu einer überraschenden Querschleuderung des Sattelaufliegers des Fahrzeugs der Zweitbeklagten und zu dem Anprall an die Zugmaschine der Klägerin gekommen. Die Klägerin habe am 20. Jänner 1982 einen mit 12, 5 % verzinslichen Reparaturkostenkredit von 484.513 S aufnehmen müssen. Die Drittbeklagte habe zwar am 20. Jänner 1982 325.000 S zu Handen des Klagevertreters bezahlt. Diesen Betrag habe die Klägerin jedoch als Teilzahlung nicht angenommen. Der Klägerin „sei erst darnach“ dieser Betrag als unpräjudizieller Reparaturkostenvorschuss zugewiesen worden, als welchen sie ihn angenommen habe.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Sie räumten ein Mitverschulden des Erstbeklagten am Zustandekommen des Unfalls von 75 % ein. Das Verschulden des Lenkers des Fahrzeugs der Klägerin liege darin, dass er eine überhöhte Geschwindigkeit und zum rechten Fahrbahnrand einen Abstand von 1 m eingehalten habe, sodass das Fahrzeug der Klägerin somit die Leitlinie überfahren habe. Die Betriebsgefahr des LKW‑Zugs der Klägerin sei zufolge seiner Beschaffenheit größer gewesen, als jene des Fahrzeugs der Zweitbeklagten. Die Kreditaufnahme durch die Klägerin am 20. Jänner 1982 sei nicht notwendig gewesen. In dem Betrag von 325.000 S, den diese entgegengenommen habe, seien 18 % Umsatzsteuer enthalten. Die Umsatzsteuer fordern die Beklagten nunmehr zurück und wenden diesen Betrag aufrechnungsweise gegen die Klageforderung ein.
Nachdem der Klägerin bereits mit Teilanerkenntnisurteil der Betrag von 227.815,52 S sA zugesprochen worden war (AS 263), erkannte das Erstgericht – ausgehend von einer Verschuldensteilung von 4 : 1 zugunsten der Klägerin –, dass die Klageforderung mit einem weiteren Betrag von 436.815,04 S sA, die Gegenforderung mit 13.099,80 S zu Recht bestehen, verurteilte die Beklagten zur Zahlung von 423.715,24 S sA und wies das Mehrbegehren von 198.531,26 S sA ab.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Klägerin und der Beklagten nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung.
Dagegen richtet sich die Revision nur der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das noch offene Klagebegehren abgewiesen werde.
Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Ausgehend von den Feststellungen der beiden Vorinstanzen – wie sie im Ersturteil eingehend dargestellt sind – ergibt sich im Ergebnis, dass beide Fahrzeuglenker im Unfallsbereich eine Geschwindigkeit von 20 km/h einhalten hätten sollen, um aufgrund der Breite ihrer Fahrzeuge, der Beschaffenheit der Fahrbahn und des Kurvenverlaufs gefahrlos aneinander vorbeifahren zu können. Während aber der Lenker des Fahrzeugs der Klägerin dem nur geringfügig zuwiderhandelte, indem er eine Geschwindigkeit von ca 27 km/h einhielt, fuhr der Erstbeklagte mit einer solchen von 44 km/h. Der Unfall wurde – was hier den Ausschlag gibt – herbeigeführt durch das Überfahren des Fahrbahnteilers durch den Sattelauflieger der Zweitbeklagten. Der Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge ereignete sich so, dass der Sattelauflieger des Fahrzeugs der Zweitbeklagten in seiner Fahrtrichtung gesehen nach links im Sinne des Uhrzeigers ausbrach und dabei ca 70 cm in den Bereich der Fahrbahn nördlich der Leitlinie geriet.
Die Klägerin verlangte am 23. Oktober 1981 von der Drittbeklagten zur Abdeckung der Reparaturkosten vorschussweise einen Betrag von 531.920,68 S. Die Drittbeklagte nahm hiezu in der Weise Stellung, dass sie sich bereit erklärte, im Vergleichsfall 325.000 S zu bezahlen, zumal sie von einem 30%igen Mitverschulden und von einer anderen Reparaturkostenhöhe ausging. Die Klägerin lehnte die Annahme des Betrags von 325.000 S unter diesen Bedingungen ab und wandte ein, dass sie den Betrag zurücküberweisen werde. Sie erklärte sich nur bereit, den Betrag als „Reparaturkostenvorschuss“, somit verschuldensunabhängig zur Vermeidung von Zinsen und Kosten entgegenzunehmen. Am 20. Jänner 1982 nahm die Klägerin zur Abdeckung der Reparaturkosten einen Rahmenkredit von 500.000 S auf, der mit 12,5 % zu verzinsen war. Dieser Kredit wurde ab 21. Jänner 1982 mit 484.513 S, ab 22. Jänner bis 9. Februar 1982 mit, 489.763 S, ab 10. Februar bis 28. Februar 1982 mit 164.763 S, und seit 1. März 1982 mit 158.305 S in Anspruch genommen. Zu diesem Kredit kommt noch an Umsatzprovision der Betrag von 1.836 S. Am 27. Jänner 1982, somit nach der Kreditaufnahme, langte beim Klagevertreter die Einwilligung der Drittbeklagten ein, den Betrag von 325.000 S als „unpräjudiziellen Reparaturkostenvorschuss“ zu geben. Der Geldbetrag von 325.000 S war bereits am 20. Jänner 1982 beim Klagevertreter eingelangt. Der Klagevertreter bearbeitete das am 27. Jänner 1982 eingelangte Schreiben erst am 8. Februar 1982 zufolge urlaubsbedingter Abwesenheit. Der Betrag von 325.000 S wurde am 10. Februar 1982 dem Kreditkonto der Klägerin gutgebucht. Von der Klägerin wurde die in den nicht strittigen unfallskausalen Reparaturrechnungen enthaltene Umsatzsteuer jeweils mitbezahlt. Sie ist vorsteuerabzugsberechtigt und hat die mitbezahlten Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer zur Gänze abgezogen. Die Klägerin bekam somit alle diese Umsatzsteuerbeträge wieder herein. Sie ist im relevanten Zeitraum vom Finanzamt umsatzsteuerlich jedoch noch nicht geprüft worden.
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, dass eine Verschuldensteilung von 1 : 4 zugunsten der Klägerin vorzunehmen sei. Das Verschulden des Fahrzeuglenkers der Klägerin trete bei dem vorzunehmenden Schadensausgleich im Sinne des § 11 Abs 1 EKHG im Vergleich zu jenem des Erstbeklagten stark zurück. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, eine Teilzahlung anzunehmen. Sie habe den Betrag von 325.000 S nur als „unpräjudiziellen Reparaturkostenvorschuss“ entgegengenommen, weshalb dies auf die Fassung des Urteilsspruchs insoweit keinen Einfluss habe, als sie diesen Betrag zurückzuerstatten gehabt hätte, wenn er im als berechtigt erkannten Klageanspruch nicht Deckung gefunden hätte. Die Kreditaufnahme der Klägerin sei berechtigt gewesen, weil ihr bis dahin nur eine Teilzahlung angeboten worden sei, mit der sie nicht einverstanden zu sein brauchte. eine aufrechnungsweise Rückforderung des Umsatzsteueranteils mit dem Betrag von 325.000 S sei nicht berechtigt, weil die Hingabe dieses Betrags nicht als Zahlung angesehen werden könne.
Auch das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, dass das Verschulden des Erstbeklagten im oben dargestellten Umfang überwiege. Es dürfe nicht übersehen werden, dass dessen Geschwindigkeitsüberschreitung beträchtlich größer gewesen sei, als jene des Fahrzeuglenkers der Klägerin und dass die wesentliche Unfallsursache das Hinübergeraten des Sattelaufliegers der Zweitbeklagten in die für den Gegenverkehr bestimmte Fahrbahnhälfte gewesen sei. Richtig habe das Erstgericht auch erkannt, dass die Klägerin nicht verpflichtet war, eine Teilzahlung anzunehmen. Es habe sich daher im Sinne der Widmung der Beklagten bei der Hingabe des Betrags von 325.000 S nur um einen „unpräjudiziellen Reparaturkostenvorschuss“ gehandelt, was – zumal ein prozessuales Anerkenntnis dieser Forderung nicht abgegeben worden sei – auf die Sacherledigung ebenso wenig Einfluss gehabt habe wie auf die Kostenentscheidung. Der Rückersatz von Umsatzsteuer komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Ersatzleistung noch nicht erfolgt und ein Rückersatz vor Rechtskraft der Entscheidung noch nicht möglich sei. In der Revision vertreten die Beklagten den Standpunkt, dass eine Verschuldensteilung von 1 : 3 vorzunehmen gewesen wäre. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Auszugehen ist zunächst davon, dass es bei dem Ausgleich der gegenseitigen Ersatzansprüche gemäß § 11 Abs 1 EKHG nach ständiger Rechtsprechung in erster Linie auf das Verschulden der Beteiligten ankommt, in der nächsten Rangstufe die außerordentliche Betriebsgefahr und nach dieser die gewöhnliche Betriebsgefahr folgt (ZVR 1974/227; ZVR 1976/25; 8 Ob 93/83 uza). Bei der Verschuldensabwägung entscheidet aber vor allem die Größe und Wahrscheinlichkeit der durch das schuldhafte Verhalten bewirkten Gefahr, die Wichtigkeit der verletzten Vorschrift für die Sicherheit des Verkehrs und auch der Grad der Fahrlässigkeit des einzelnen Verkehrsteilnehmers (ZVR 1976/11 uza). Diese Kriterien sind beim Erstbeklagten im besonders krassen Ausmaß gegeben. Wie die Vorinstanzen übereinstimmend richtig erkannten, war für den Unfall ausschlaggebend, dass der Erstbeklagte nicht nur wesentlich schneller als der Lenker des Fahrzeugs der Klägerin fuhr, sondern insbesondere mit dem Sattelauflieger über die Fahrbahnmitte in die für den Gegenverkehr bestimmte Fahrbahnhälfte geriet. Soweit die Beklagten darzustellen versuchen, dass dem Erstbeklagten das Ausbrechen des Hängers nicht als Verschulden angelastet werden könne, sind sie auf die bereits vom Berufungsgericht zitierte Judikatur zu verweisen, wonach von einem Kraftfahrzeuglenker erwartet werden muss, dass er mit den Regeln der Fahrtechnik vertraut ist, die mit dem Fahren und Bremsen auf glatter Fahrbahn verbundenen Gefahren kennt und sein Verhalten danach einrichtet (ZVR 1982/249 uza). Gegen die von den Vorinstanzen vorgenommene Verschuldensteilung bestehen daher keine Bedenken.
Auch in der Frage des sogenannten „unpräjudiziellen Reparaturkostenvorschusses“ erweisen sich die Ansichten der Vorinstanzen im Gegensatz zu jener der Beklagten als richtig. Auszugehen ist davon, dass gemäß § 1415 ABGB der Gläubiger nicht schuldig ist, die Zahlung einer Schuldpost teilweise oder auf Abschlag anzunehmen. Dies hat die Klägerin im Verfahren stets zum Ausdruck gebracht und den Betrag von 325.000 S nur als „unpräjudiziellen Reparaturkostenvorschuss“ insoweit entgegengenommen, als sie dadurch im beiderseitigen Interesse die Vermeidung von Kreditkosten und Spesen bezweckte. Eine einseitige Umwidmung dieser Leistung durch die Beklagten ist nicht möglich (vgl 8 Ob 194/70 ua). Die „unpräjudizielle“ Leistung der Beklagten kann aber auch nicht als Vorschuss in dem Sinn verstanden werden, dass damit eine Vorauszahlung erfolgte, obwohl der Gläubiger erst später Anspruch auf die Leistung dieses Geldbetrags hätte (vgl Heller‑Berger‑Stix 2102; EvBl 1981/157 ua). Vielmehr war nach dem ursprünglich übereinstimmenden Willen beider Teile die Überweisung des genannten Betrags nur zu dem Zweck der billigen Beschaffung des Reparaturkostengeldes erfolgt, ohne dass damit eine prozessual wirksame Erklärung der Anerkennung der Forderungsberechtigung des Gläubigers oder auf der anderen Seite der Entgegennahme dieses Betrags als Teilzahlung verbunden gewesen wäre. Die späteren Ausführungen der Beklagten (AS 59/60), wonach sie – unter der Bedingung, dass nunmehr der „unpräjudizielle Reparaturkostenvorschuss“ als Teilzahlung angesehen bzw entgegengenommen werde – nur mehr einen um diesen Betrag verminderten Klageanspruch von 577.062,02 S sA bestreitet, haben die Vorinstanzen zutreffend nicht als wirksames Anerkenntnis im Sinne des § 395 ZPO angesehen (vgl 8 Ob 138/66; 5 Ob 140/74 ua). Abgesehen davon, dass ein prozessuales Anerkenntnis im Sinne der zitierten Judikatur nur vorgelegen wäre, wenn sich aus der Erklärung der Beklagten einwandfrei und klar hätte erkennen lassen, dass sie ohne einschränkende Bedingungen den geltend gemachten Teil‑Klageanspruch anerkannten, hat die Klägerin sogleich ausdrücklich ihren damit weiterhin aufrecht erhaltenen Standpunkt zum Ausdruck gebracht, eine Teilzahlung nicht zu akzeptieren (AS 60). Von einer übereinstimmenden Umwidmung dahin, dass der „unpräjudizielle Reparaturkostenbetrag“ vereinbarungsgemäß zu einer „präjudiziellen Teilzahlung“ umfunktioniert worden wäre, kann somit nicht die Rede sein. Eine schikanöse Ausübung der dem Gläubiger gemäß § 1415 ABGB eingeräumten Befugnis haben die Beklagten nicht behauptet. Sie haben sich auch in der Revision nicht darauf berufen. Es fehlen somit jegliche Grundlagen, um auch auf letztere, hier daher nicht relevanten Fragen näher einzugehen.
Richtig verweist schließlich das Berufunggericht darauf, dass der Rückersatz der Mehrwertsteuer – wie dies auch die Beklagten einräumen – die Zahlung eines Schadenersatzbetrags zur Voraussetzung hat. Eine wirksame Zahlung durch die Beklagten ist jedoch nicht erfolgt. Sie haben den „unpräjudiziellen Reparaturkostenvorschuss“ vielmehr selbst zunächst bloß als Hingabe eines Darlehens verstanden (AS 375). Eine einseitige Umwidmung kam nach den obigen Ausführungen nicht zur Tragen. Auf die von den Beklagten zur Unterstützung ihrer Ansicht herangezogene Judikatur (EvBl 1978/28; EvBl 1981/110 ua) kann somit im vorliegenden Fall nicht zurückgegriffen werden.
Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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