Normen
GesmbH.-Gesetz §15 (1)
GesmbH.-Gesetz §16 (1)
GesmbH.-Gesetz §41
ZPO §235 (1)
GesmbH.-Gesetz §15 (1)
GesmbH.-Gesetz §16 (1)
GesmbH.-Gesetz §41
ZPO §235 (1)
Spruch:
Zur Abberufung des im Gesellschaftsvertrag für die Dauer des Gesellschaftsverhältnisses zum Geschäftsführer einer Gesellschaft m. b. H. bestellten Gesellschafters.
Nach Ablauf der Frist des § 41 GesmbHG. ist die Ausdehnung einer rechtzeitig eingebrachten Klage auf einen neuen Klagsgrund selbst mit Zustimmung der beklagten Partei unzulässig.
Entscheidung vom 19. Dezember 1967, 8 Ob 349/67.
I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.
Text
Der Kläger hat mit Gesellschaftsvertrag vom 30. April 1965, berichtigt am 21. Mai 1965, mit Dipl.-Ing. Franz B., Johann P. und Josef St. eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter der Firma "B. Gesellschaft m. b. H." mit dem Sitz in V. gegrundet. Die Gesellschaft wurde am 10. Juni 1965 in das Handelsregister eingetragen. Das Stammkapital betrug 400.000 S, wovon der Kläger und Josef St. je 32.000 S, Dipl.-Ing. Franz B. 144.000 S und Johann P. 112.000 S übernahmen. In dem Gesellschaftsvertrag wurden der Kläger und Johann P. für die Dauer ihres Gesellschaftsverhältnisses zu Geschäftsführern bestellt. Die Vertretung der Firma, die Firmenzeichnung und die Abgabe von Willenserklärungen für die Gesellschaft hatte durch beide Geschäftsführer gemeinsam zu erfolgen. Die Generalversammlung war mit eingeschriebenem Brief einzuberufen. Zwischen dem Tag der Aufgabe dieses Schreibens bei der Post und dem Tag der Generalversammlung hatte mindestens ein Zeitraum von zehn Tagen zu liegen. Beschlußfähigkeit der Generalversammlung sollte gegeben sein, wenn wenigstens drei Viertel des Stammkapitals anwesend bzw. vertreten waren.
Mit Schreiben vom 12. Juli 1966 hat der Gesellschafter Dipl.-Ing. Franz B. für den 23. Juli 1966 eine Generalversammlung ohne Bekanntgabe der Tagesordnung einberufen. Bei dieser Versammlung waren alle vier Gesellschafter und Dipl.-Kfm. Dr. I. als Bevollmächtigter des Gesellschafters B. anwesend. Der Kläger hat selbst die Beschlußfähigkeit dieser Versammlung festgestellt.
Auf Antrag des Gesellschafters Dipl.-Ing. B. wurde mit den Stimmen aller übrigen Gesellschafter gegen die Stimme des Klägers beschlossen, daß 1. die Geschäftsführung für den entstandenen Schaden voll verantwortlich sei, 2. die Geschäftsführung mit sofortiger Wirkung von ihrer Funktion enthoben sei und 3. die Gesellschaft sofort aufgelöst sei. Keiner dieser Beschlüsse wurde notariell beurkundet. Mit Schreiben vom 3. August 1966, am gleichen Tage zur Post gegeben, wurde von DipL.-Kfm. Dr. I. im Vollmachtsnamen der Gesellschafter B., P. und St. mit eingeschriebenem Brief für den 13. August 1966 eine außerordentliche Generalversammlung in sein Büro einberufen. Als Tagesordnung war angeführt: 1. Beschlußfassung über die Auflösung der Gesellschaft,
2. Bestellung von Liquidatoren. 3. Beschlußfassung über die Verwertung. Der Kläger hat die Einladung zu dieser Generalversammlung mit einem Schreiben vom 10. August 1966 an Dipl.- Kfm. Dr. I. beantwortet, in dem er ausführte, er bedauere feststellen zu müssen, daß auch diese Berufung einer Generalversammlung den gesetzlichen Bestimmungen nicht entspreche und ihm aus diesem Gründe die Teilnahme nicht möglich sei. Bei der Generalversammlung am 13. August 1966 waren die Gesellschafter mit Ausnahme des nicht anwesenden Klägers durch Dr. I. vertreten. Diese drei Gesellschafter haben einstimmig 1. den Beschluß vom 23. Juli 1966 wiederholt und beschlossen, die Gesellschaft mit Wirkung vom 31. Juli 1966 aufzulösen und unter der Firma B. Gesellschaft m. b.
H. in Liquidation zu liquidieren, ferner 2. Dipl.-Kfm. Dr. I. zum Liquidator mit selbständigem Vertretungs- und Zeichnungsrecht zu bestellen, und den Beschluß vom 23. Juli 1966 wiederholt, nach dem die bisherige Geschäftsführung mit sofortiger Wirkung ihrer Funktion enthoben wurde und die Geschäftsführungsbefugnis der Mitgesellschafter und Geschäftsführer Johann P. und Armand Ch. (Kläger) widerrufen wurde, schließlich 3. den Liquidator beauftragt und ermächtigt, zur Abwendung einer weiteren Verschärfung der Insolvenz des Unternehmens so schnell wie möglich das Gesellschaftsvermögen als Ganzes zu veräußern.
Der Kläger begehrt mit zwei getrennten, zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen die Nichtigerklärung der bei den Generalversammlungen vom 23. Juli 1966 und 13. August 1966 gefaßten Beschlüsse.
Das Erstgericht hat das Begehren auf Nichtigerklärung der Beschlüsse vom 23. Juli 1966, daß die Geschäftsführung für den entstandenen Schaden verantwortlich sei und die Geschäftsführung mit sofortiger Wirkung aus ihrer Funktion enthoben sei, abgewiesen, im übrigen der Klage aber stattgegeben. In rechtlicher Hinsicht hat das Erstgericht ausgeführt: Die Generalversammlung vom 23. Juli 1966 sei zwar nicht ordnungsgemäß einberufen worden, da aber alle Gesellschafter anwesend gewesen seien, sei es möglich gewesen, Beschlüsse zu fassen. Der Beschluß über die Auflösung der Gesellschaft hätte notariell beurkundet werden müssen, die anderen damals gefaßten Beschlüsse jedoch nicht. Der Widerruf der im Gesellschaftsvertrag enthaltenen Geschäftsführerbestellung sei mit einfacher Mehrheit zulässig gewesen. Zur Einberufung der Generalversammlung vom 13. August 1966 seien die Gesellschafter B., P. und St. mangels Vorhandenseins von Geschäftsführern berechtigt gewesen, die Einberufung sei jedoch nicht ordnungsgemäß erfolgt, da zwischen dem Tag der Aufgabe des Einladungsschreibens und dem Tag der Generalversammlung nicht die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Frist von zehn Tagen gelegen sei. Da der Kläger bei dieser Versammlung weder anwesend noch vertreten gewesen sei, habe ein Beschluß nicht gefaßt werden können. Die Voraussetzungen für die Nichtigerklärung eines Beschlusses der Gesellschafter seien somit hinsichtlich der Beschlüsse der Generalversammlung vom 13. August 1966 und des Beschlusses über die Auflösung der Gesellschaft vom 23. Juli 1966 gegeben. Der Kläger habe gegen die Beschlüsse vom 23. Juli 1966 gemäß § 41 GesmbHG. Widerspruch zu Protokoll gegeben, weil er gegen die Beschlüsse gestimmt habe.
Das Berufungsgericht hat das von beiden Parteien bekämpfte Ersturteil im abweisenden Teil bestätigt und im stattgebenden Teil dahin abgeändert, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.
Das Berufungsgericht hat aus den vorgelegten Urkunden ergänzend festgestellt, daß der Kläger bei der Generalversammlung vom 23. Juli 1966 gegen die mit dem Stimmenverhältnis 3:1 gefaßten Beschlüsse keinen ausdrücklichen Widerspruch erhoben, jedoch über Aufforderung des Gesellschafters Dipl.-Ing. Franz B. die Schlüssel zu den Geschäftsräumen an Dr. I. übergeben habe. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus: Der Kläger habe sich bei der Generalversammlung vom 23. Juli 1966 nicht dagegen verwahrt, daß die Formvorschriften über die Einberufung der Generalversammlung nicht eingehalten worden seien, sondern er habe im Gegenteil über den Einwand des Gesellschafters Josef St., daß die Frist bei der Einladung zur Generalversammlung nicht eingehalten worden sei, sogar ausdrücklich festgestellt, daß durch die Tatsache der Anwesenheit sämtlicher Gesellschafter diese Frage geklärt und die Beschlußfähigkeit gegeben sei. Durch das Erscheinen des Klägers bei der Generalversammlung und die Unterlassung eines Protestes gegen die Mängel bei ihrer Einberufung seien diese Mängel geheilt worden. Die Abgabe einer Nein-Stimme bei der Beschlußfassung sei einem Widerspruch nur bei Beschlußfassung auf schriftlichem Wege gleichzuhalten. Ein bei der Generalversammlung anwesender Gesellschafter, der gegen einen gefaßten Beschluß Klage erheben wolle, müsse in irgendeiner Form die Erhebung des Widerspruches zum Ausdruck bringen, wobei zwar nicht das Wort "Widerspruch" gebraucht werden müsse, vielmehr jede Erklärung genüge, aus der sich die Rechtsverwahrung der Person ergebe, die dann den Beschluß mit Klage bekämpfe. Eine Anfechtung der Beschlüsse der Generalversammlung vom 23. Juli 1966 durch den Kläger sei daher schon aus diesem Gründe unzulässig. Als Nichtigkeitsgrund hinsichtlich der Beschlüsse der Generalversammlung vom 13. August 1966 habe der Kläger in seiner Klage angeführt, daß die Generalversammlung nicht durch die Geschäftsführer, sondern durch Dipl.-Kfm. Dr. I. als Vertreter der Gesellschafter einberufen und die Generalversammlung nicht am Sitz der Gesellschaft abgehalten worden sei. Den Gesellschaftern stehe das Recht zur Einberufung der Gesellschaft zu, wenn die zur Einberufung der Versammlung zuständigen Organe der Gesellschaft nicht vorhanden seien. Da aber die Bestellung des Klägers als Geschäftsführers der beklagten Partei ebenso wie jene des Gesellschafters Johann P. bereits bei der Generalversammlung vom 23. Juli 1966 wirksam widerrufen worden sei, hätten die Gesellschafter die Generalversammlung vom 13. August 1966 einberufen können. Unter Sitz der Gesellschaft sei der Ort und seien nicht die Geschäftsräume der Gesellschaft zu verstehen. Die Nichteinhaltung der Frist zwischen Postaufgabe der Einladung und Abhaltung der Generalversammlung habe der Kläger nicht als Nichtigkeitsgrund geltend gemacht.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Was zunächst die in der Generalversammlung vom 23. Juli 1966 gefaßten Beschlüsse anlangt, so bekämpft der Kläger die zutreffende Ansicht des Berufungsgerichtes, mangels Widerspruches in der Generalversammlung sei er nicht berechtigt, diese Beschlüsse anzufechten, nicht. Er meint nur, der Schluß des Berufungsgerichtes sei unrichtig, aus der Tatsache, daß der Kläger nach der Generalversammlung die Schlüssel herausgegeben habe, sei zu ersehen, daß er die Beschlüsse der Generalversammlung praktisch anerkannt habe. Was der Kläger in diesem Zusammenhang über Vorfälle bei der Generalversammlung ausführt, ist eine unbeachtliche Neuerung im Revisionsverfahren. Auf sein Schreiben vom 6. August 1966 an Dipl.- Kfm. Dr. I., das nicht Gegenstand des Verfahrens der Vorinstanzen gewesen ist, kann sich der Kläger ebenfalls nicht mehr stützen. Bei der Generalversammlung vom 13. August 1966 ist von diesem Schreiben nur erwähnt worden, daß der Kläger darin die Einberufung der Generalversammlung vom 23. Juli 1966 durch den Gesellschafter Dipl.- Ing. B. gerügt habe. Außerdem würde ein solcher nachträglicher Widerspruch einen bei der Generalversammlung selbst unterbliebenen Widerspruch nicht ersetzen. Daher hat das Berufungsgericht mit Recht ausgesprochen, daß dem Kläger die Legitimation zur Anfechtung der Beschlüsse der Generalversammlung vom 23. Juli 1966 fehle. Auf die Frage, ob für diese Beschlüsse, insbesondere den Beschluß auf Enthebung von Gesellschaftern, die im Gesellschaftsvertrag auf die Dauer ihrer Gesellschaftereigenschaft zu Geschäftsführern bestellt wurden, eine notarielle Beurkundung erforderlich gewesen wäre, ist daher in diesem Zusammenhang nicht einzugehen.
Hinsichtlich der Beschlüsse der Generalversammlung vom 13. August 1966 bekämpft der Kläger die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß auf die Frage der Einhaltung der im Gesellschaftsvertrag vorgeschriebenen Frist zwischen der Absendung der Einladung und der Generalversammlung nicht einzugehen gewesen sei, da der Kläger diesen Anfechtungsgrund nicht geltend gemacht habe. Der Kläger beruft sich zu Unrecht darauf, daß er in dem Schreiben vom 10. August 1966 ausdrücklich gerügt habe, die Einberufung entspreche nicht den gesetzlichen Vorschriften. Der Beurteilung durch das Gericht unterliegt nur der in der Klage geltend gemachte Nichtigkeitsgrund. Wie der Oberste Gerichtshof mehrmals ausgeführt hat, geht aus der Festsetzung einer Ausschlußfrist für die Klage nach § 41 GesmbHG. hervor, daß die Unsicherheit, die in der Anfechtungsmöglichkeit von Generalversammlungsbeschlüssen liege, auf eine möglichst kurze Zeit beschränkt werden solle. Daher ist nach Fristablauf sogar die Klagsausdehnung einer rechtzeitig eingebrachte Klage auf einen neuen Klagsgrund selbst mit Zustimmung der beklagten Partei unzulässig (HS. 373 = II Nr. 76). Umsoweniger kam, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, von Amts wegen auf einen nicht geltend gemachten Nichtigkeitsgrund Bedacht genommen werden.
Aus der Tatsache, daß in der Generalversammlung vom 13. August 1966 der Beschluß auf Abberufung des Klägers und des Gesellschafters P. als Geschäftsführer wiederholt wurde, schließt der Kläger, daß seine Abberufung als Geschäftsführer auch nach Ansicht der beklagten Partei erst durch den Beschluß der Generalversammlung vom 13. August 1966 wirksam geworden sei, sodaß auch die Einberufung dieser Generalversammlung nicht gesetzmäßig, nämlich nicht durch die Geschäftsführer, erfolgt sei. Überdies stelle die Abberufung von Gesellschaftern, die im Gesellschaftsvertrag für die Dauer ihrer Gesellschaftereigenschaft bestellt worden seien, eine Änderung des Gesellschaftsvertrages dar, weshalb hiefür die notarielle Beurkundung erforderlich gewesen wäre. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die betreffende Stelle des Gesellschaftsvertrages nur dem Wortlaut des § 15 (1) GesmbHG. entspricht und sich daraus nicht ergibt, die Geschäftsführungsbefugnis sei dem Kläger als Sonderrecht eingeräumt worden. Auch wenn ein Gesellschafter für die Dauer des Gesellschaftsverhältnisses zum Geschäftsführer ohne Zusatz über eine Einschränkung des Widerrufes bestellt worden ist, kann er unbeschränkt abberufen werden (Gellis, Kommentar zum GesmbHG., § 16, Anm. 5, S. 64), und zwar von der Generalversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit (SZ. VII 123). Im vorliegenden Fall ist eine solche Beschränkung des Widerrufes vom Kläger nicht behauptet worden und in der Beweisaufnahme auch nicht hervorgekommen. Die Abberufung eines im Gesellschaftsvertrag bestellten Geschäftsführers ist keine Änderung des Gesellschaftsvertrages (Gellis a. a. O.), sodaß die von der Revision aus ihrer unrichtigen Ansicht gezogenen Schlüsse über die Notwendigkeit einer notariellen Beurkundung nicht zutreffen. Vom Berufungsgericht ist daher die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer durch den nach obigen Ausführungen vom Kläger nicht mehr anfechtbaren Beschluß vom 23. Juli 1966 mit Recht als wirksam anerkannt worden. Daraus ergibt sich aber, daß die Generalversammlung vom 13. August 1966 von den Gesellschaftern einberufen werden konnte.
Mit dem Revisionsgrund der mangelhaften Tatsachenfeststellung rügt die Revision die Nichtfeststellung der Tatsache durch das Berufungsgericht, daß im Protokoll über die Generalversammlung vom 13. August 1966 beurkundet worden sei, der Kläger habe die Mängel der ersten Generalversammlung vom 23. Juli 1966 mit seinem Schreiben vom 6. August 1966 gerügt. Abgesehen davon, daß der Kläger nicht ausführt, welche rechtlichen Schlußfolgerungen das Berufungsgericht aus einer solchen Feststellung hätte ziehen müssen, ist die Rüge nicht gerechtfertigt. Denn in dem Protokoll über die Generalversammlung vom 13. August 1966 ist, wie erwähnt, bloß festgehalten, daß der Kläger im Schreiben vom 6. August 1966 an Dipl.-Kfm. Dr. I. nachträglich gerügt habe, daß die frühere Generalversammlung lediglich vom Gesellschafter Dipl.-Ing. Franz B. einberufen worden sei. Daß eine solche nachträgliche Rüge den Widerspruch zu Protokoll nicht ersetzt, ist oben bereits ausgeführt worden.
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