OGH 8Ob338/65

OGH8Ob338/6523.11.1965

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lenk als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachout, Dr. Bauer, Dr. Rothe und Dr. Steinböck als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, Italien, vertreten durch Dr. Gustav Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei J. P*****, Großhandelsgesellschaft OHG, *****, vertreten durch Dr. Erasmus Schneditz, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen Lire 36.000 s. A. (Streitwert 1.512,-- S) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 13. September 1965, GZ R 367/65-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 2. Juni 1965, GZ 3 C 797/64-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 426,90 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei hat durch Vermittlung ihres Vertreters E***** Ende März/Anfang April 1962 15 Tonnen Äpfel nach Österreich, davon 9 Tonnen an die beklagte Partei und 6 Tonnen an die Firma G***** in Gmunden geliefert. E***** hatte mit den Abnehmern einen Preis von 74 Lire pro Kilogramm vereinbart. Die beklagte Partei hatte eine von E***** ausgestellte und mit 30. 3. 1962 datierte, für die Verzollung bestimmte Faktura über die gelieferten 9 Tonnen Äpfel zum Preis von 70 Lire je Kilogramm (Gesamtpreis 630.000 Lire) erhalten. E***** hatte für das Kilogramm Äpfel versehentlich 70 Lire anstatt 74 Lire verrechnet. Die beklagte Partei bezahlte am 26. 6. 1962 den Fakturenbetrag. Im März 1963 teilte die Klägerin ihrem Vertreter E***** mit, dass von der beklagten Firma um 36.000 Lire zu wenig eingegangen sei. Dies hielt E***** bald darauf der Beklagten vor und verlangte von ihr die Restzahlung.

Die klagende Partei begehrt die Bezahlung des Differenzbetrages von 36.000 Lire samt 10 % Zinsen seit 1. 4. 1962 und behauptet, durch die nachträglich übersandte Originalfaktura sei die beklagte Partei über den Preisirrtum in der pro forma-Faktura aufgeklärt worden. Die beklagte Partei entgegnete, sie habe nur jene Faktura, in der der Preis der Ware mit 70 Lire berechnet war, erhalten. Die klagenden Partei habe die Zahlung ohne Beanstandung angenommen, sodass die beklagte Partei durch die Rechnung einen echten Preisnachlass als gegeben ansehen konnte.

Das Erstgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die beklagte Firma habe die ihr zugekommene Faktura und den darin angeführten Preis als verbindlich werten dürfen, zumal nicht erwiesen sei, dass sie die Originalfaktura erhalten habe. Nach Treu und Glauben sowie nach Übung des redlichen Verkehrs sei die Geltendmachung der Preisdifferenz erst nach einem Jahr als verspätet anzusehen. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil ab, und gab der Klage statt. Es führte aus, es sei davon auszugehen, dass zwischen den Parteien ein Kaufpreis von 74 Lire je Kilogramm Obst vereinbart und die Preisfrage nicht offen geblieben sei. Dadurch sei auszuschließen, dass durch Übersendung einer Faktura, die einen niedrigeren Preis irrtümlich anführe, dieser Preis schließlich als vereinbart angesehen werden könnte. Eine schlüssige Vereinbarung zum Preise von 70 Lire sei nicht zustandegekommen. Der dem Vertreter der klagenden Partei bei der Ausstellung der Rechnung unterlaufene Irrtum hätte der beklagten Partei auffallen müssen. Der Klägerin stehe der Anspruch auf Nachzahlung der Preisdifferenz zu. Sie habe ihren Klageanspruch auch nicht dadurch verwirkt, dass sie diesen erst etwa 1 Jahr nach der Warenlieferung geltend gemacht habe. Der Schuldner müsse jederzeit damit rechnen, dass der Gläubiger seine Forderung noch vor Ablauf der Verjährungsfrist geltend mache. Die beklagte Partei könne sich nicht darauf berufen, dass die Klägerin nach der Verkehrssitte ihren Anspruch durch verspätete Geltendmachung verwirkt habe. Die beklagte Partei erhob gegen dieses Urteil Revision aus den Gründen des § 503 Z 2 und 4 ZPO und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Ersturteil wieder hergestellt werde, oder das Urteil zweiter Instanz aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Gegenseite begehrt in der Revisionsbeantwortung die Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Unter dem Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt die beklagte Partei, hinsichtlich des Zinsenbegehrens hätte die Klägerin ein grobes Verschulden an der Verzögerung der Zahlung behaupten und beweisen, das Berufungsgericht die klagende Partei zu einem solchen Vorbringen anleiten und sodann darüber Beweise erheben müssen. Da die Frage der groben Fahrlässigkeit nicht geprüft worden sei, leide das Verfahren vor dem Berufungsgerichte an einem Mangel. Die Revisionswerberin übersieht jedoch, dass die Forderung nach mehr als 5 % Verzugszinsen aus Geschäften zwischen Kaufleuten ein grobes Verschulden des Schuldners nicht zur Voraussetzung hat (SZ V 553). Zu dem hat der belangte Schuldner zu beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft (§ 1298 ABGB). Diesen Beweis hat die beklagte Partei nicht angetreten. Der angeführte Verfahrensmangel ist sohin nicht gegeben. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes bekämpft die beklagte Partei, indem sie den in der Faktura aufscheinenden Preis als ein günstigeres Anbot als das zuletzt gestellte wertet. Da vor der Lieferung von E***** verschiedene Preise genannt worden seien, sei es für sie nicht auffallend gewesen, dass in der Faktura ein niedrigerer Preis angeführt und angeboten worden sei als der von der Bestellung zuletzt angebotene. Dem ist entgegenzuhalten, dass als Kaufpreis der zuletzt vor der Lieferung von E***** genannte Kilopreis von 74 Lire bindend vereinbart war. Die versehentlich nur zum Preis von 70 Lire ausgestellte Faktura konnte, da der Preis schon vereinbart war, kein neues Preisanbot enthalten. Eine Faktura stellt regelmäßig überhaupt kein Anbot dar, denn der Vertragsinhalt wird schon vorher festgelegt (RGR Komm zum HGB, zweite Auflage, 3. Band, zu § 346, Anm 16 c, S 39 f), sie bildet vielmehr eine zwischen Kaufleuten übliche Rechnungslegung über Warenlieferungen, damit der Schuldner über die Höhe der Schuld und deren Berechnung unterrichtet wird. Ebenso wie die Quittung ist die Rechnung keine rechtsgeschäftliche, rechtsbegründende Erklärung, sondern bloß eine Beweisurkunde, die nicht den Irrtumsregeln der §§ 871 ff ABGB, die nur für Rechtsgeschäfte Geltung haben, unterliegt. Dem Gläubiger bleibt es unbenommen, die Unrichtigkeit der Rechnung zu erweisen. Diesen Beweis hat im vorliegenden Fall die klagende Partei erbracht, sodass es rechtlich ohne Belang ist, ob sich die klagende Partei bzw deren Vertreter E***** bei Ausstellung der Rechnung über die Höhe der von der Beklagten geschuldeten Leistung irrte, ob dieser Irrtum der beklagten Partei hätte auffallen müssen und ob der Irrtum von der klagenden Partei rechtzeitig aufgeklärt wurde (EvBl 1958 Nr 230, SZ XIV 40). Die klagende Partei war trotz der fehlerhaften Rechnung nicht gehindert, den dem Kaufvertrag entsprechenden, richtigen Kaufpreis zu fordern. Der Käufer hat erst durch Zahlung des geschuldeten und nicht des auf der Rechnung ausgewiesenen Betrages erfüllt. Der Fehler auf der Faktura hat außer Betracht zu bleiben (vgl SZ XIV 40). Die Ansicht der Revisionswerberin, jener Preis, der in der an die beklagte Partei übersandten Faktura genannt war, habe als endgültig vereinbart zu gelten, kann sohin nicht geteilt werden. Aber auch die durch längere Zeit unbeanstandet gebliebene Bezahlung bloß der Fakturensumme kann nicht als Zustimmung der klagenden Partei aufgefasst werden, dass damit der Kaufpreis voll bezahlt sei. Stillschweigen gilt nicht allgemein als Zustimmung. Einen allgemeinen Verwirkungstatbestand kennt das österreichische Recht nicht. Nur wenn die verspätete Geltendmachung im Hinblick auf besondere Umstände gegen Treu und Glauben verstoßen würde, könnte eine Anspruchsverwirkung unter Heranziehung der Bestimmungen der §§ 863 ABGB und 346 HGB angenommen werden (EvBl 1962 Nr 311, EvBl 1957 Nr 303). Besondere Umstände hat die beklagte Partei weder behauptet noch erwiesen. Wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat, konnte die beklagte Partei nicht guten Glaubens sein, der Fakturenbetrag sei der nachträglich vereinbarte Preis. Auf Grund der Entgegennahme dieses Betrages durch die Klägerin konnte die beklagte Partei aber auch nicht annehmen, dass sie aus dem Kaufvertrag nichts mehr schulde. Der Klägerin steht sohin die Preisdifferenz von 36.000 Lire zu. Deshalb musste der Revision ein Erfolg versagt werden. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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