Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht eine Sachentscheidung über den Rekurs aufgetragen.
Text
Begründung
Über das Vermögen der späteren Gemeinschuldnerin wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 8. 4. 1991 das Ausgleichsverfahren eröffnet, das in der Folge mit Beschluß vom 3. 6. 1991 gemäß § 67 Abs 1 Z 1, 3 und 9 AO eingestellt wurde. Mit Beschluß vom 4. 6. 1991 wurde der Anschlußkonkurs eröffnet. Zum Masseverwalter wurde Dr. Richard S***** bestellt.
Am 24. 6. 1991 meldeten Helga N*****, Gerlinde P***** und Anna P***** Forderungen von S 48.971,- netto, S 51.724,- netto und S 60.088,-
netto (jeweils Gehalt vom 1. 5. 1991 bis zum 13. 6. 1991, Kündigungsentschädigung, aliquoter Urlaubszuschuß für 1991, aliquote Weihnachtsremuneration für 1991 und Urlaubsentschädigung) als Masseforderungen an. Sie hätten ihre seit 20. 8. 1990 bestehenden Dienstverhältnisse mit der nunmehrigen Gemeinschuldnerin am 13. 6. 1991 gemäß § 25 Abs 1 KO aufgelöst.
Mit Schriftsatz vom 3. 11. 1997 (ON 265) legte der Masseverwalter, der zuvor die vollständige Verwertung des Massevermögens berichtet hatte, Schlußrechnung und Verteilungsentwurf vor. In der Schlußrechnung sind Zahlungen an die drei genannten Gläubigerinnen oder an den nunmehrigen Rekurswerber (der erstmals mit dem vorliegenden Rechtsmittel im Verfahren einschritt) nicht ausgewiesen. Im Verteilungsentwurf sind noch zu berichtigende Masseforderungen nicht erwähnt.
Über Ersuchen der Finanzprokuratur wurden am 24. 11. 1997 eine Fotokopie der ON 265 und des Verteilungsentwurfes an die Finanzprokuratur abgefertigt.
Erinnerungen gegen den Verteilungsentwurf wurden nicht vorgebracht.
Mit Beschluß vom 25. 2. 1998 genehmigte das Erstgericht den Verteilungsentwurf (ON 275). Dieser Beschluß wurde dem Masseverwalter, der Gemeinschuldnerin, dem Kreditschutzverband von 1870 und dem Alpenländischen Kreditorenverband zugestellt; ein Anschlag an der Gerichtstafel (§ 130 Abs 4 KO idF vor dem IRÄG 1997) ist nicht erfolgt.
Am 24. 3. 1998 berichtete der Masseverwalter, das Massevermögen samt den mittlerweile abgereiften Zinsen gemäß dem genehmigten Verteilungsentwurf an die Konkursgläubiger verteilt zu haben, worauf das Erstgericht über seinen Antrag den Konkurs gemäß § 139 KO aufhob.
Gegen den zuletzt genannten Beschluß erhob der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds Rekurs mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Konkursverfahrens aufzutragen. Die im Konkursverfahren geltend gemachten Dienstnehmer- forderungen seien gemäß § 11 Abs 1 IESG auf ihn übergegangen, wovon der Masseverwalter durch die Forderungsanmeldungen der Dienstnehmer, durch seine Teilnahme am Verwaltungsverfahren nach dem IESG und durch die auch ihm zugestellten Bescheide über die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld in Kenntnis sei. "U. a." seien die Masseforderungen der oben genannten Dienstnehmerinnen (S 48.104,-, S 58.168,- und S 50.736) geltend gemacht und anerkannt worden. Da diese Forderungen nicht befriedigt worden seien und kein Nachweis der Verteilung vorliege, sei der Konkurs zu Unrecht gemäß § 139 KO aufgehoben worden.
Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Rekursgericht diesen Rekurs zurück und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Auf Grund von ihm durchgeführter Erhebungen stellte es fest, daß der Masseverwalter an die gemäß dem genehmigten Verteilungsentwurf zu berücksichtigenden Konkursgläubiger die auf die entfallenden Beträge zuzüglich anteiliger Zinsen überwiesen habe; nach Durchführung der Überweisungen sei das Massekonto mit S 88,- im Soll. Im übrigen vertrat das Rekursgericht folgende Rechtsauffassung:
Mit dem Übergang der nach dem IESG gesicherten Ansprüche gegen den Arbeitgeber (gegen die Konkursmasse) auf die Rekurswerberin sei keine Änderung des Rechtsgrundes, des Rangs oder der Bevorrechtung der Forderung verbunden (§ 11 Abs 1 IESG). Gemäß der im vorliegenden, als Anschlußkonkurs am 4. 6. 1991 eröffneten Konkurs noch anzuwendenden Bestimmung des § 46 Abs 2 Z 2 lit a KO idF Art II Z 11 IRÄG 1982 seien die von den genannten Dienstnehmerinnen angemeldeten Forderungen tatsächlich Masseforderungen. § 139 KO nenne als einzige Voraussetzung der Konkursaufhebung nach dieser Gesetzesstelle den Vollzug der Schlußverteilung. Im Gegensatz dazu lasse das Gesetz in den Konkursaufhebungsfällen nach § 157 und § 166 Abs 1 KO die Aufhebung des Konkurses erst nach Sicherstellung oder Befriedigung der Massegläubiger und im Fall § 167 KO nach Zustimmung aller nicht befriedigter oder sichergestellter Massegläubiger zu. Daraus schließe Pollak (Bartsch/Pollak3 I 607), daß bei einer Konkursaufhebung nach § 139 KO die Rechte der etwa unbefriedigt gebliebenen Massegläubiger nicht berücksichtigt werden. Diese seien an ihrer Rechtsverfolgung weder während noch nach der Konkursaufhebung gehindert; auch sei ihnen der Masseverwalter für die schuldhafte Unterlassung der rechtzeitigen Befriedigung der Ansprüche verantwortlich. Dieser Meinung schließe sich das Rekursgericht an. Mit dem Vollzug der Schlußverteilung aufgrund des genehmigten Verteilungsentwurfes sei der Konkurszweck erreicht, sodaß der Konkurs gemäß § 139 Abs 1 KO aufzuheben sei. Die Befriedigung oder Sicherstellung der Massegläubiger nenne das Gesetz nicht als Voraussetzung dieser Aufhebung. Seien - wie hier - die Voraussetzungen für die Aufhebung des Konkurses gegeben, dürfe ein weiteres Konkursverfahren nicht stattfinden. Ein Massegläubiger sei nicht legitimiert, mit Rekurs gegen die begründete (Vollzug der Schlußverteilung) Aufhebung des Konkurses nach § 139 Abs 1 KO geltend zu machen, seine Rechte seien unbefriedigt.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil zur hier zu beurteilenden Frage eine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Beschluß des Konkursgerichtes über die Aufhebung des Konkurses aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Konkursverfahrens aufgetragen werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Daß sich der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds erstmals mit seinem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß auf Aufhebung des Konkurses am Verfahren beteiligt hat, stellt sein Recht, diesen Beschluß zu bekämpfen, unter den hier gegebenen Umständen nicht in Frage. Gemäß § 11 Abs 1 IESG gehen die dem IESG unterliegenden gesicherten Ansprüche gegen den Arbeitgeber (gegen die Konkursmasse), soweit sie nicht bestritten sind, auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds mit der Antragstellung (§ 6 Abs 1 bzw 4 IESG), sind die gesicherten Ansprüche nach § 1 Abs 5 IESG anzumelden, mit dieser Anmeldung über; bestrittene Ansprüche gehen mit der Zahlung des mit Bescheid (§ 7 Abs 2 IESG) zuerkannten Insolvenz-Ausfallgeldes auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds über. Mit diesem Übergang ist unbeschadet § 47 Abs 2 KO keine Änderung des Rechtsgrundes, des Ranges oder der Bevorrechtung der Forderung verbunden. Im vorliegenden Fall hat der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds in seinem Rekurs darauf verwiesen, daß die im Konkursverfahren geltend gemachten Dienstnehmerforderungen nach § 11 Abs 1 IESG auf ihn übergegangen seien und hat dabei ua vorgebracht, daß den betroffenen Arbeitnehmerinnen Insolvenz-Ausfallgeld zuerkannt worden sei. Zu diesem seine Rekurslegitimation betreffenden Vorbringen war der Fonds auch im Rechtsmittelverfahren berechtigt (RS0060830). Damit ist aber iS der dargelegten Rechtslage davon auszugehen, daß die von den betroffenen Arbeitnehmerinnen im Konkurs geltend gemachten Ansprüche jedenfalls auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds übergegangen sind, der somit Gläubiger dieser Forderungen und damit in der Lage ist, alle mit dieser Stellung verbundenen Rechte auszuüben.
Die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes, daß nach der hier anzuwendenden Bestimmung des § 46 KO idF des IRÄG 1982 Ansprüche des Arbeitnehmers, die sich aus der Lösung des Arbeitsverhältnisses durch vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers gemäß § 25 KO ergeben, im Anschlußkonkurs Masseforderungen sind, ist zutreffend (SZ 61/12).
Voraussetzung für die Schlußverteilung ist, daß alle Masseforderungen festgestellt sind und sämtliche feststehenden und fälligen Masseforderungen befriedigt sind; für die nicht fälligen müssen die Befriedigungsmittel verfügbar sein (Bartsch/Pollak KO3 Anm 2 zu §§ 136, 137; Petschek/Reimer/Schiemer, Das österreichische Insolvenzrecht 631; Bartsch/Heil, Grundriß des Insolvenzrechts4 Rz 326). Fehlt es an dieser Voraussetzung, liegen auch die Voraussetzungen für die Genehmigung des Verteilungsentwurfes durch das Konkursgericht, das diesen Entwurf von amtswegen zu prüfen hat (WBl 1988, 29), nicht vor (Bartsch/Pollak KO3 Anm 3 zu § 130). Die Entscheidung des Konkursgerichtes über die Genehmigung des Verteilungsentwurfes ist gemäß § 130 Abs 4 KO idF vor dem IRÄG 1997 durch Anschlag an der Gerichtstafel bekanntzumachen und überdies den in dieser Gesetzesstelle genannten Personen zuzustellen. Massegläubiger können zwar gegen den Verteilungsentwurf keine Erinnerungen einbringen, wohl aber gegen die Verteilung Rekurs erheben, wenn sie sich durch die Verteilung in ihrem den Konkursgläubigern vorangehenden Befriedigungsrecht beschwert fühlen (OLG Wien, EvBl 1937/559; Bartsch/Pollak KO3 Anm 11 zu § 130; Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht 145). Ist der Vollzug der Schlußverteilung nachgewiesen, ist der Konkurs gemäß § 139 Abs 1 KO vom Konkursgericht aufzuheben. Da allfällige Mängel des Verteilungsentwurfs durch dessen rechtskräftige Genehmigung geheilt sind, kann der Beschluß, mit dem der Konkurs gemäß § 139 Abs 1 KO aufgehoben wird, nicht mehr mit dem Einwand der Unrichtigkeit des Verteilungsentwurfes bekämpft werden (8 Ob 2062/96k).
Im vorliegenden Fall, in dem der Masseverwalter die in Rede stehenden Dienstnehmerforderungen nicht befriedigt, aber auch nicht bestritten hat, kann dem Rekursrecht des als Massegläubiger einschreitenden Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds die Rechtskraft des Beschlusses über die Genehmigung des Verteilungsentwurfes nicht entgegengehalten werden, weil dieser Beschluß entgegen § 130 Abs 4 KO in der hier anzuwendenden Fassung vor dem IRÄG 1997 nicht an der Gerichtstafel angeschlagen wurde und daher den Massegläubigern gegenüber nicht rechtskräftig wurde.
Das Rekursgericht hat aber ein Rekursrecht des Massegläubigers gegen den Aufhebungsbeschluß nach § 139 KO generell verneint, wobei es sich auf die Ausführungen Pollaks (Bartsch/Pollak KO3 Anm 4 zu § 139) stützt, nach denen es im Falle der Aufhebung nach § 139 KO - anders als in den Aufhebungsfällen der §§ 157, 166 Abs 1 und 167 KO - möglich sei, daß die Rechte der unbefriedigt gebliebenen Massegläubiger unberücksichtigt bleiben. Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes sind diese Ausführungen Pollaks nicht iS einer generellen Verneinung des Rekursrechtes der Massegläubiger zu verstehen, zumal Pollak an anderer Stelle (aaO Anm 1 zu § 139) ausdrücklich den Standpunkt vertritt, daß der Beschluß über die Aufhebung des Konkurses nach § 139 KO ua auch den Massegläubigern zuzustellen sei, weil "nur auf diese Weise den Gläubigern die praktische Möglichkeit des Rekurses gegen die Konkursaufhebung gewahrt" sei. Damit liegt es aber nahe, die vom Rekursgericht zitierten Ausführungen Pollaks als Hinweis darauf zu interpretieren, daß - wie schon oben ausgeführt - einzige Voraussetzung für die Aufhebung des Konkurses nach § 139 KO der Vollzug der Schlußverteilung ist, sodaß - falls der Verteilungsentwurf rechtskräftig genehmigt wurde - eine weitere Bedachtnahme auf die Rechte der Massegläubiger nicht in Betracht kommt. Eine Verneinung des Rekursrechtes der Massegläubiger gegen die Aufhebung des Konkurses nach § 139 KO auch für den hier zu beurteilenden Fall, daß der Verteilungsentwurf nicht rechtskräftig genehmigt wurde, ist daher aus den zitierten Ausführungen Pollaks - vor allem im Zusammenhang mit der an anderer Stelle erfolgten Bejahung eines Rekursrechtes der Massegläubiger - nicht abzuleiten. Auch die von Pollak (zur Untermauerung seiner vom Rekursgericht ins Treffen geführten Rechtsansicht) zitierten Entscheidungen GlUNF 967, 1001 und 1047, die sämtlich von einem Rekursrecht des Massegläubigers ausgehen, stehen mit diesem Verständnis in Einklang.
Eine Verneinung des Rekursrechtes des Massegläubigers auch für den hier zu beurteilenden Fall wäre nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs auch nicht vertretbar, weil sonst - worauf gerade Pollak hinweist (aaO Anm 1 zu § 139) - den Massegläubigern keine Möglichkeit zur Wahrung ihrer übergangenen Rechte zur Verfügung stünde. Demgemäß wurde auch in der - allerdings durchwegs älteren - Rechtsprechung das Rekursrecht der Massegläubiger gegen den Beschluß über die Aufhebung des Konkurses nach § 139 KO grundsätzlich nicht in Frage gestellt (vgl die schon vom Rekursgericht zitierte E. EvBl 1965/409; ferner die schon oben zitierten E. GlUNF 967, 1001 und 1047; die E. EvBl 1956/376 betrifft keine Aufhebung des Konkurses nach § 139 KO).
Dem Rekursgericht war daher die sachliche Erledigung des von ihm zu Unrecht zurückgewiesenen Rekurses aufzutragen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)