OGH 8Ob2299/96p

OGH8Ob2299/96p17.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1.) Anna H*****, 2.) Margit R*****,

3.) Günther H*****, alle vertreten durch Dr.Gerhard Rieger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Dr.Ingrid K*****, vertreten durch Dr.Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, 2.) Othmar E*****, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 30.Mai 1996, GZ 40 R 205/96k-28, mit dem infolge der Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 2.Jänner 1996, GZ 9 C 1820/94p-20, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der erstbeklagten Partei die mit S 3.735,93 (darin S 622,65 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erstbeklagte (in der Folge Beklagte genannt - der Zweitbeklagte hat keine Einwendungen gegen die Aufkündigung erhoben und beteiligte sich nicht am Verfahren) bezog die im 14. Wiener Gemeindebezirk liegende, nunmehr aufgekündigte Wohnung im Jahr 1976. 1984 oder 1985 zog ihr Lebensgefährte zu ihr in die aufgekündigte Wohnung. Die Beklagte und ihr Lebensgefährte bewohnten die aufgekündigte Wohnung gemeinsam ständig und ausschließlich und wirtschafteten dort auch gemeinsam, bis die Beklagte am 1.12.1987 ihre erste eigene Praxis in L***** eröffnete. Zunächst hatte die Beklagte in L***** nur die gemieteten Ordinationsräume zur Verfügung, verbunden mit einer provisorischen Übernachtungsmöglichkeit, einem Notbett in einem Büroraum. Die Beklagte fuhr damals nahezu täglich zwischen Wien und L***** hin und her und übernachtete fast täglich in der aufgekündigten Wohnung. 1989 kaufte die Beklagte das Haus in L*****, in dem sich ihre Ordinationsräume befinden. Sie begann mit der Renovierung dieses Hauses und übernachtete etwa ab 1990 öfter in L***** als in Wien. Ihr Lebensgefährte blieb weiterhin in der aufgekündigten Wohnung wohnen, da er in Wien berufstätig ist und kein Auto besitzt. Er übernachtet weiterhin an etwa fünf Tagen in der Woche in der aufgekündigten Wohnung, die Wochenenden verbringt er großteils bei der Beklagten in L*****. Seit 1990 übernachtete die Beklagte nur durchschnittlich ein- bis zweimal pro Woche in der aufgekündigten Wohnung.

Die Kläger kündigten der Beklagten die gemietete Wohnung aus dem Grund des § 30 Abs 2 Z 4 erster und zweiter Fall MRG mit der Begründung auf, die Wohnung sei zur Gänze untervermietet und diene nicht der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses der Gekündigten; vorsichtshalber behaupteten sie auch das Begehren eines unverhältnismäßig hohen Untermietzinses.

Die Beklagte erhob fristgerecht Einwendungen gegen die Aufkündigung und brachte vor, sie bewohne die aufgekündigte Wohnung seit 10 Jahren mit ihrem Lebensgefährten; eine Untervermietung liege nicht vor.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das auf Räumung gerichtete Klagebegehren ab. Die aufgekündigte Wohnung diene nach wie vor der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Lebensgefährten der Beklagten, der gemäß § 14 Abs 3 MRG zum Kreis der eintrittberechtigten Personen zähle, sodaß die geltend gemachten Kündigungsgründe nicht vorlägen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Die Rechtsansicht der Kläger sei unrichtig, daß das Eintrittsrecht des Lebensgefährten nur für den Todesfall des Hauptmieters bestünde. Durch Verweisung des Begriffes "eintrittsberechtigte Personen" in § 30 Abs 2 Z 4 und 6 MRG auf § 14 Abs 3 MRG solle der Personenkreis der Eintrittsberechtigten in gleicher Weise wie in § 30 Abs 2 Z 5 MRG bestimmt werden. Es komme also darauf an, ob die betreffende Person eintrittsberechtigt wäre, wenn der Mieter im maßgeblichen Zeitpunkt verstorben wäre. Damit müsse sie nicht nur den in § 14 Abs 3 MRG genannten Personenkreis angehören, sondern mit dem Mieter im maßgeblichen Zeitpunkt auch im gemeinsamen Haushalt gelebt habe, ohne daß es dafür der Mindestzeiten des § 12 Abs 1 MRG für die Abtretung der Mietrechte bedürfte; anders sei dies beim Lebensgefährten, dessen Begriff ja die mindestens 3-jährige Gemeinschaft voraussetze. Die Überlassung einer Wohnung an eintrittsberechtigte Personen stelle daher keine Weitergabe iSd § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall dar. Da zwischen der Beklagten und ihrem Lebensgefährten die Lebensgemeinschaft in der aufgekündigten Wohnung mehr als drei Jahre lang bestanden habe, und zwar bis zur Verlagerung ihres Lebensschwerpunktes nach L*****, zähle ihr Lebensgefährte zum Kreis der eintrittsberechtigten Personen. Die regelmäßige Verwendung der Wohnung zu Wohnzwecken durch ihn stehe - unter der weiteren erfüllten Voraussetzung seines dringenden Wohnbedürfnisses - der Aufkündigung entgegen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision der Kläger mit dem Antrag, die Entscheidung dahingehend abzuändern, daß die Aufkündigung für rechtswirksam erklärt werde; hilfsweise stellen sie auch einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung die außerordentliche Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Kläger meinen zu Recht, es fehle ausreichende oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG verwirklicht sei, wenn die Wohnung nur noch vom Lebensgefährten, der im Zeitpunkt der "Weitergabe" mehr als drei Jahre mit der Mieterin in der Wohnung in Haushaltsgemeinschaft gelebt hat, dauernd benützt wird dieser und an ihr ein dringendes Wohnbedürfnis hat.

Die einzig einschlägige oberstgerichtliche Entscheidung, die aufgefunden werden konnte (1 Ob 526/82, MietSlg 34.441) scheint in ihrem veröffentlichten Teil der Ansicht des Berufungsgerichts zu widersprechen, sodaß die außerordentliche Revision als zulässig angesehen werden muß.

Sie ist jedoch nicht berechtigt. Die Beklagten meinen, Lebensgefährte iSd § 14 Abs 3 MRG sei nur der, der bis zum Tod mit dem Mieter in der Wohnung in Haushaltsgemeinschaft gewohnt habe; daher sei der Verweis in § 30 Abs 2 Z 4 (und 6) MRG auf § 14 Abs 3 MRG einschränkend auszulegen; der Lebensgefährte könne daher nicht zu den eintrittsberechtigten Personen im Sinn dieser Gesetzesstellen zählen. Im übrigen sei nicht einsichtig, daß das Gesetz zwar die Weitergabe an Lebensgefährten nicht als Kündigungsgrund ansehe, die Abtretung der Mietrechte an diese jedoch nicht zulasse.

Diesen Ausführungen vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen.

Es ist zwar richtig, daß eine Mietrechtsabtretung unter Lebenden nach § 12 Abs 1 MRG nur an bestimmte nahe Angehörige unter gewissen Bedingungen (gemeinsamer Haushalt in dieser Wohnung durch eine bestimmte Zeit, verschieden je nach der Nähe des Angehörigenverhältnisses), nicht aber an Lebensgefährten vorgesehen ist, sowie daß im Todesfall des Mieters nach § 14 Abs 3 MRG diese Personen (allerdings ohne zeitliche Mindestfrist, aber nur bei einem dringenden Wohnbedürfnis, das nach § 12 Abs 1 MRG nicht gefordert wird) und auch der Lebensgefährte eintrittsberechtigt sind. Es zeigt sich daher, daß der Gesetzgeber den Eintritt im Todesfall an andere Voraussetzungen als die Abtretung der Mietrechte knüpft, sodaß aus der diesbezüglichen unterschiedlichen Behandlung des Lebensgefährten für den vorliegenden Fall, bei dem das Vorliegen eines Kündigungsgrundes zu prüfen ist, weil der Mieter die Wohnung seinem Lebensgefährten überlassen hat, nichts abgeleitet werden kann.

Bei den Voraussetzungen für das Nichtvorliegen von Kündigungsgründen nach § 30 Abs 2 Z 4, 5 und 6 MRG hat der Gesetzgeber nicht an die in § 12 Abs 1 MRG, sondern an die § 14 Abs 3 MRG genannten Personen angeknüpft. Der Kündigungsgrund liegt demnach nicht vor, wenn der Mieter die aufgekündigte Wohnung einer eintrittsberechtigten Person iSd § 14 Abs 3 MRG überläßt. Es kommt darauf an, ob die betroffene Person eintrittsberechtigt gewesen wäre, wenn der Mieter im maßgeblichen Zeitpunkt (nach Z 4 den der Weitergabe, darunter ist jede entgeltliche oder unentgeltliche Gebrauchsüberlassung zu regelmäßigen Gebrauch zu verstehen) verstorben wäre (WoBl 1991/9; SZ 62/200) und diese an der Wohnung ein dringendes Wohnbedürfnis hat. Zu den eintrittsberechtigten Personen nach § 14 Abs 3 MRG zählt - wie erwähnt - auch der Lebensgefährte, der allerdings nach der ausdrücklichen Anordnung des § 14 Abs 3 Satz 2 MRG nur dann Lebensgefährte im Sinn dieser Bestimmung ist, wenn er mit dem Mieter mindestens 3 Jahre in der aufgekündigten Wohnung im gemeinsamen Haushalt gelebt oder die Wohnung seinerzeit mit dem bisherigen Mieter gemeinsam bezogen hat.

Die sich aus dem veröffentlichten Teil der Entscheidung 1 Ob 526/82, MietSlg 34.441, scheinbar ergebende gegenteilige Auffassung, geht von einem aus der Teilveröffentlichung nicht ersichtlichen abweichenden Sachverhalt aus. Dort war die Lebensgemeinschaft zum Zeitpunkt der Weitergabe bereits aufgehoben; nur deshalb gab der Oberste Gerichtshof dort der Kündigung zu Recht statt: Die Bestimmung soll nicht der Versorgung von ehemaligen Lebensgefährten mit einer Wohnung dienen, in dem der Mieter etwa in ein ihm gehöriges Haus oder eine ihm gehörige Eigentumswohnung oder zu einem neuen Lebenspartner zieht und bei der Trennung seinem ehemaligen Lebensgefährten die ehemals gemeinsam bewohnte Wohnung weiterhin benützen läßt.

Im vorliegenden Fall aber bestand im Zeitpunkt der Überlassung der Wohnung an den Lebensgefährten die Lebensgemeinschaft mit gemeinsamer Haushaltsführung in der nun aufgekündigten Wohnung mehr als drei Jahre und besteht auch heute noch fort: Die Lebensgefährten leben nur unter der Woche aus beruflichen Gründen in getrennten Wohnungen: Der Lebensgefährte verblieb in der gemeinsamen Wohnung am Ort seiner Arbeitsstätte, die Mieterin zog aus beruflichen Gründen an den Ort ihrer Berufstätigkeit. Ein solcher Fall getrennter Wohnungsnahme führt nicht zur Beendigung einer Lebensgemeinschaft, ändert doch auch der Umstand, daß ein Ehegatte aus beruflichen Gründen eine getrennte Wohnung nimmt, nichts am Weiterbestehen der Ehe. Hieraus folgt, daß der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG solange nicht verwirklicht ist, als die Lebensgemeinschaft aufrecht ist und der Lebensgefährte der Mieterin die Wohnung weiterhin dringend benötigt der Kündigungsschutz fällt daher weg, wenn die Lebensgemeinschaft aufgehoben wird.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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