Normen
HGB §13
VAG §109
VAG §106 Abs2 Z3
ZPO §1
ZPO §405
HGB §13
VAG §109
VAG §106 Abs2 Z3
ZPO §1
ZPO §405
Spruch:
Der ins Handelsregister eingetragenen Zweigniederlassung einer Handelsgesellschaft kommt keine Rechtspersönlichkeit zu. Die inländische Zweigniederlassung einer ausländischen Versicherungs-Aktiengesellschaft ist jedoch ermächtigt, Ladungen für das ausländische Unternehmen zu empfangen. Durch die Verdeutlichung, die ausländische Versicherungs-Aktiengesellschaft und nicht deren inländische Zweigniederlassung, der die Klage zugestellt wurde, zu belangen, tritt keine Änderung des geklagten Rechtssubjekts ein
OGH 3. Dezember 1974, 8 Ob 221, 222/74 (OLG Linz 3 R 66, 67/74: KG Wels 1 Cg 138/72)
Text
Am 20. September 1969 kam es auf der Wolfsegger Landesstraße zu einem Verkehrsunfall, bei dem der Zweitbeklagte Karl Heinz H. mit seinem PKW mit dem Kraftfahrzeug des Johann P zusammenstieß; hiebei erlitten die Klägerin und ihr Gatte als Insassen im PKW des P schwere Verletzungen; der Gatte der Klägerin ist an den Folgen dieser Verletzungen am 28. September 1969 gestorben. Das Verschulden des Zweitbeklagten steht zufolge dessen strafgerichtlicher Verurteilung bindend fest (13 E Vr 1203/69 des KG Wels). Der PKW des Zweitbeklagten war bei der "N-Versicherungs- AG" in der Bundesrepublik Deutschland haftpflichtversichert. Die N-Versicherungs-AG wurde auf Grund eines Verschmelzungsvertrages mit der C-Versicherungs-AG durch Aufnahme verschmolzen; diese Änderung wurde am 23. September 1969 in das Handelsregister beim Amtsgericht Köln und bezüglich der Zweigniederlassung Wien der N-Versicherungs-AG am 4. November 1969 in das Handelsregister des Handelsgerichtes Wien eingetragen. Am 9. Dezember 1971 wurde die Firma der Zweigniederlassung in "C-Versicherungs-AG, Direktion für Österreich" geändert.
Die Klägerin begehrte vom Zweitbeklagten als schuldigem Lenker und Halter des Unfallsfahrzeuges und von der Erstbeklagten, die als C-Versicherungs-AG, Direktion für Österreich, bezeichnet wurde, als dessen Haftpflichtversicherer die Bezahlung eines restlichen Schmerzengeldes von 55.000 S samt Anhang sowie der Begräbniskosten von 14.326.30 S samt Anhang.
Die beklagten Parteien beantragten Klagsabweisung; der Zweitbeklagte sei bei der Erstbeklagten nicht versichert gewesen, dieser fehle daher die Passivlegitimation; beide Beklagten verneinen die Angemessenheit der begehrten Beträge und die Aktivlegitimation der Klägerin zur Geltendmachung der Begräbniskosten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es führte aus: Die Zweigniederlassung bilde kein eigenes Rechtssubjekt, sie sei als eine rechtliche Einheit mit dem ausländischen Unternehmen anzusehen. Diese rechtliche Einheit hafte für sämtliche Verbindlichkeiten ohne Unterschied, ob die Verbindlichkeit im Bereich der Hauptniederlassung oder der Zweigniederlassung entstanden sei; es haften demnach beide Beklagten der Klägerin zur ungeteilten Hand.
Das Berufungsgericht verwarf die Nichtigkeitsberufung der Erstbeklagten und gab der Berufung beider Beklagten im übrigen in der Hauptsache keine Folge. Die Aktiengesellschaft sei Trägerin der Hauptniederlassung wie der Zweigniederlassung. Mangels rechtlicher Eigenständigkeit der Zweigniederlassung könne nur die Aktiengesellschaft selbst Rechtsträgerin und Prozeßpartei sein. Da immer nur die Aktiengesellschaft als solche Rechtssubjekt und damit Partei des Rechtsstreites sein könne, sei durch die Erklärung der Klägerin, die Klage sei gegen die C-Versicherungs-AG gerichtet, der Zweigniederlassung sollte die Klage nur als Bevollmächtigter zugestellt werden, auch kein anderes Prozeßsubjekt in das Verfahren einbezogen worden. Die Klage habe der Erstbeklagten unter ihrer Zweigniederlassung wirksam zugestellt werden können. Die Klägerin habe in ihrem Schriftsatz nur verdeutlicht, wer auf der Beklagtenseite Prozeßsubjekt ist. Aus der hier vertretenen Auffassung, nach welcher nur die Aktiengesellschaft als solche Träger von Rechten und Pflichten und damit Prozeßpartei sei, könne daher von einem Verzicht auf den Klagsanspruch, der zu einer Klagsabweisung gegen die als Beklagte bezeichnete Zweigniederlassung hätte führen müssen, nicht gesprochen werden. Entgegen der von der Erstbeklagten vertretenen Ansicht könne aber auch nicht deshalb, weil die C-Versicherungs-AG spruchgemäß zur Zahlung verurteilt worden sei, während im Kopf des Ersturteils als Beklagte die C-Versicherungs-AG, Direktion für Österreich, aufscheine, von einem Nichturteil gesprochen werden. Auch ein Vollmachtsmangel sei nicht gegeben. Die vom Beklagtenvertreter vorgelegte Vollmacht sei offensichtlich von der Leitung der Zweigniederlassung unterfertigt. Gemäß den §§ 105, 106 VersAG sei der Hauptbevollmächtigte der Zweigniederlassung zur Vertretung des Unternehmens und zur Empfangnahme von Ladungen ermächtigt. Im Hinblick auf den Unfallsort in Österreich und die vorprozessuale Gestion der Zweigniederlassung liege auch eine ausreichende rechtliche Anknüpfung an diese vor.
Der Oberste Gerichtshof verwarf die Revision der beklagten Parteien, soweit sie Nichtigkeit geltend machte, und gab ihr im übrigen nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Es ist davon auszugehen, daß die Aktiengesellschaft ihre Geschäfte unter mehreren Niederlassungen führen kann, von denen eine als Hauptniederlassung, die anderen als Zweigniederlassungen anzusehen sind. Die Aktiengesellschaft kann, wie sich aus den §§ 13 Abs. 3, 30 Abs. 3, 50 Abs. 3 HGB, 35 Abs. 3 und 36 Abs. 2 AktG 1965 ergibt, unter verschiedenen Firmenbezeichnungen geklagt werden, ohne daß sich dadurch ihre einheitliche Rechtspersönlichkeit verändern würde. Auch die registrierte Zweigniederlassung einer Handelsgesellschaft hat keine eigene Rechtspersönlichkeit, Träger ist vielmehr die Gesellschaft selbst (SZ 7/406; HS 1045; RZ 1933, 195; EvBl. 1968/92;
3 Ob 87/74 u. a.; Gadow - Heinichen, Großkomm. zum AktG[3] I/1, 309;
Losert - Schiemer, AktG 1965, zu § 35 Anm. 1; Schlegelberger - Quassowski, Aktiengesetz[3], 120 f; Würdinger[2], Aktien- und Konzernrecht, 108; Schlegelbergers II, HGB, 44). Dieser Standpunkt wird übrigens auch in der von der Revision herangezogenen Glosse von Wahle zu 2 Ob 47/33, Rspr. 1933/27, geteilt. Gegenteiliges läßt sich - entgegen den Revisionsausführungen - auch nicht aus den Bestimmungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes über die Voraussetzungen, unter denen ausländische Versicherungsgesellschaften im Inland Versicherungsgeschäfte betreiben dürfen, ableiten. Es mag sein, daß die besonderen Vorschriften über die Einrichtung der inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Versicherungsgesellschaft deren Stellung in einzelnen hier nicht in Betracht kommenden Belangen jener einer juristischen Person annähern. Dies reicht jedoch nicht aus, um der inländischen Zweigniederlassung schlechthin selbständige Rechtspersönlichkeit zuzubilligen. Die von der Revision verfochtene gegenteilige Auffassung läßt sich auch nicht aus den von ihr bezogenen Ausführungen Prölß zu den maßgeblichen Bestimmungen des VersAG entnehmen. Auch die dort abgedruckte, in dem Rundschreiben R 1/62 vom 22. Feber 1962 wiedergegebene Auffassung des deutschen Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen, die die Revision herangezogen wissen will, stützt nicht ihren Standpunkt. Dieses auf die Erfordernisse der Aufsichtsbehörde der Bundesrepublik Deutschland abgestellte Rundschreiben fordert, daß eine Zweigniederlassung in der Bundesrepublik so eingerichtet sein solle, daß sie notfalls jederzeit als selbständiger Betrieb - losgelöst von der Generaldirektion - fortgeführt werden könne. Daraus läßt sich nicht ableiten, daß die Zweigniederlassung schon vor einer solchen Lostrennung selbständige Rechtspersönlichkeit sei. Jedenfalls läßt sich daraus nichts für die Beurteilung der österreichischen Zweigniederlassung einer deutschen Aktiengesellschaft in dem von der Revision angestrebten Sinne gewinnen. Die von den Vorinstanzen vertretene Auffassung, die Zweigniederlassung habe keine eigene Rechtspersönlichkeit, Rechtsträger sowohl hinsichtlich der Hauptniederlassung als auch hinsichtlich der Zweigniederlassung sei die Aktiengesellschaft, ist zu billigen. Ist aber die Revision bereits in ihrem Ausgangspunkt unzutreffend, dann braucht auf die Folgerungen, die die Revision aus ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Ansicht ableitet, nicht im einzelnen eingegangen zu werden. Die Revision wegen Nichtigkeit ist somit, soweit sie nicht ohnehin nur in unzulässigerweise Umstände aufzugreifen versucht, von denen bereits das Berufungsgericht erkannt hat, daß sie keine Nichtigkeit zur Folge haben, in ihren aus der vermeintlichen Verschiedenheit der Rechtspersönlichkeiten für das Urteil des Berufungsgerichtes abgeleiteten Folgerungen als unbegrundet zu verwerfen. Liegt aber weder ein nichtiges noch ein Nichturteil vor, dann kann auf sich beruhen, ob nicht zur Behebung von Mängeln dieser Art die kaiserliche Verordnung vom 14. Dezember 1915, RGBl. 372, analog heranzuziehen gewesen wäre.
Aber auch die aus der vermeintlichen Verschiedenheit der Rechtspersönlichkeit von Zweigniederlassung und Hauptniederlassung abgeleitete Einwendung der mangelnden passiven Klagslegitimation ist, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, verfehlt. Schon aus der Klage geht - ungeachtet der dort gewählten Bezeichnung der beklagten Partei - hervor, daß mit ihr - neben dem Lenker und Halter des Unfallsfahrzeuges - jene juristische Person belangt werden sollte, bei der das gegenständliche Kraftfahrzeug mit dem genannten deutschen Kennzeichen haftpflichtversichert war. Infolge Einwendungen seitens der Erstbeklagten hat die Klägerin dies in der Folge dahin verdeutlicht, daß die Klage gegen die C-Versicherungs-AG mit dem Sitz in Köln gerichtet sei und daß deren Zweigniederlassung in Österreich nur die Klage zugestellt werden sollte. Diese Zustellung erscheint, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, wirksam. Die von Wahle a. a. O, unter dem Gesichtspunkt einer allfälligen beschränkten Vertretungsbefugnis der für die Zweigstelle bestellten Organe geäußerten Bedenken gegen eine Zustellung an diese kommen im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zum Tragen, weil nach der besonderen Anordnung des § 106 Abs. 2 Z. 3 VersAG der Hauptbevollmächtigte der Zweigniederlassung kraft unbeschränkter und unbeschränkbarer gesetzlicher Vollmacht die ausländische Unternehmung im Inland zu vertreten hat und insbesondere auch als ermächtigt gilt, im Inland alle Ladungen für das ausländische Unternehmen zu empfangen (§ 106 Abs. 2 Z. 3 VersAG; Prölß zu § 108 VersAG im Beck'schen Kurzkommentar).
Durch die oben dargelegte Verdeutlichung seitens der Klägerin sollte somit nicht an die Stelle eines bisher belangten Rechtssubjektes ein anderes treten, sondern die Bezeichnung des belangten Rechtssubjektes verdeutlicht werden, was in jeder Lage des Verfahrens zulässig erscheint (EvBl. 1953/93; JBl. 1966, 616; RZ 1969, 51; 7 Ob 16/70 u. a.). Die Vorinstanzen trugen dieser Verdeutlichung dadurch Rechnung, daß sie im Spruch das leistungspflichtige Subjekt, nämlich die C-Versicherungs-AG, ausdrücklich nannten. Wenn sie im Kopf der Entscheidung es bei der von der Klägerin ursprünglich gewählten Bezeichnung des belangten Rechtssubjektes beließen, so ist dies unschädlich (so auch Rkv. 1/73). Um jedoch einer mißverständlichen Deutung, wie sie die Revision vornimmt, zu begegnen, hat das Revisionsgericht, ähnlich wie in einem in 7 Ob 16/70 behandelten gleichgelagerten Fall, die entsprechende Verdeutlichung auch irr Kopf der Entscheidung vorgenommen.
Der ausländische Haftpflichtversicherer kann auf Grund eines Unfalls in Österreich vor dem Gericht des Unfallsortes (§ 20 EKHG) im Rahmen des Versicherungsvertrages vom Geschädigten mit Klage direkt belangt werden (§ 63 KFG; SZ 43/64 u. a.). Warum dies nicht gelten sollte, wenn der ausländische Haftpflichtversicherer im Inland eine Zweigniederlassung unterhält, ist nicht recht verständlich. Welche Folgen es nach sich zöge, wenn der Haftpflichtversicherer den an ihn gerichteten Urteilsbefehl nicht befolgen sollte, ist im Titelverfahren nicht zu prüfen. Es braucht daher nicht erörtert werden, auf welche Vermögensobjekte im einzelnen die Klägerin greifen könnte und ob und unter welchen Voraussetzungen ein Zugriff auf den Deckungsstock im Sinne des § 110 VersAG erfolgen könnte. Die diesbezüglichen Ausführungen der Revision können daher auf sich beruhen.
Die Auffassung der Vorinstanzen, wonach der belangte Haftpflichtversicherer zur ungeteilten Hand mit dem schuldigen Lenker und Halter des Unfallsfahrzeuges für die Schäden der Klägerin einzustehen hat, ist zutreffend.
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