Spruch:
Ein gegen den Willen des Hauseigentümers durchgeführter Wohnungstausch gibt dem Hauseigentümer keinen Räumungsanspruch gegen den neuen Benützer der Wohnung.
Entscheidung vom 3. Juli 1962, 8 Ob 221/62.
I. Instanz: Bezirksgericht Mödling; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Nach dem klägerischen Vorbringen hat die Beklagte, welche im Hause M, S.-Straße 75a, eine Mietwohnung bewohnt hat, mit Adolf B., der im Hause der der Klägerin, M., B.-Straße 82, im hinteren Trakte eine ebenerdige, aus Zimmer, Küche, Vorhaus samt Zubehör bestehende Wohnung in Hauptmiete innegehabt hat, einen Wohnungstausch durchgeführt. Mitte Dezember 1961 habe die Klägerin erfahren, daß Adolf B. mit seiner Familie und sämtlichen Fahrnissen aus der in ihrem Hause gelegenen Parterrewohnung ausgezogen sei und daß die Beklagte diese Wohnung bezogen habe. Etwa Ende November 1961 habe die Klägerin die von Christine B. namens ihres Gatten Adolf B. erbetene Zustimmung zu einem Wohnungstausch mit der Beklagten versagt. Anfangs Jänner 1962 seien die Beklagte und Christine B. bei dem von der Klägerin bestellten Hausverwalter erschienen und hätten den Mietzins für Jänner 1962 bezahlen wollen. Der Hausverwalter habe die Annahme dieser Zahlung abgelehnt. Die Beklagte habe den Wohnungstausch durchgeführt, obwohl sie vom Verwalter des der Stadtgemeinde M. gehörigen Hauses M., S.-Straße Nr. 75a, in dem ihre frühere Wohnung lag, davon unterrichtet worden sei, daß sie den Wohnungstausch auf eigenes Risiko durchführe und Gefahr laufe, delogiert zu werden, weil die Klägerin hiezu ihre Zustimmung versage. Das Mietverhältnis mit Adolf B. sei durch dessen Auszug aus der Wohnung beendet. Mangels Zustimmung der Klägerin benütze die Beklagte die gegenständliche Wohnung titellos.
Das Erstgericht wies in einem infolge Ausbleibens der Beklagten von der ersten, sofort zur Vornahme der mündlichen Streitverhandlung bestimmten Tagsatzung über diese Klage ergangenen Versäumungsurteil das Räumungsbegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Es sprach aus, der Wert des Streitgegenstandes übersteige 10.000 S.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klägerin bekämpft die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, nach dem Klagsvorbringen sei kein Grund zur Annahme gegeben, daß das Mietverhältnis des Adolf B. durch dessen Auszug erloschen sei. Sie führt dagegen ins Treffen, Adolf B. und die Beklagte hätten unter Mitnahme sämtlicher Fahrnisse den Wohnungstausch durchgeführt. Ersterer habe bei seinem Einzug in die neue Wohnung ein Mietverhältnis mit dem Hauseigentümer, der Stadtgemeinde M., begrundet. Adolf B. habe die gegenständliche Wohnung geräumt, obwohl er gewußt habe, daß die Klägerin die Beklagte als Mieterin nicht anerkennen werde. Aus diesem Verhalten des Adolf B. müsse unter Überlegung aller Umstände geschlossen werden, daß er den Mietvertrag mit der Klägerin habe beenden wollen. Sowohl Adolf B. als auch die Beklagte hätten ihre bisherigen Mietverhältnisse auflösen und an den eingetauschten Wohnungen neue selbständige Mietrechte begrunden wollen. Die Klägerin bekämpft schließlich die Rechtsansicht, es liege im gegenständlichen Falle eine wechselseitige Abtretung von Mietrechten vor. Solches sei nicht behauptet worden.
Indes behauptete die Klägerin in der Klage nur, daß zwischen der Beklagten als Mieterin der Wohnung, M., S.-Straße 75a, und Adolf B. als Mieter der Wohnung, M., B.-Straße 82, ein "Wohnungstausch" durchgeführt worden sei, zu dem die Klägerin ihre Zustimmung ausdrücklich versagt habe, daß aber dessenungeachtet Adolf B. aus der streitgegenständlichen Wohnung ausgezogen und die Beklagte in diese Wohnung eingezogen sei. Aus diesem ihrem Vorbringen leitet die Klägerin ab, das Mietverhältnis mit Adolf B. sei durch dessen Auszug aus der Wohnung beendet worden. Dabei übersieht die Klägerin, daß unter der von ihr vorgenommenen Bezeichnung "Wohnungstausch" keine eigentümliche Rechtsfigur zu begreifen ist, sondern daß einem faktischen Wohnungstausch etwa ebensowohl eine wechselseitige Untervermietung der getauschten Wohnungen durch deren Hauptmieter wie auch eine doppelte Vertragsübernahme oder eine Vertragsübernahme hinsichtlich der einen und eine Untervermietung hinsichtlich der anderen Wohnung oder eine Mietrechtszession zugrunde liegen kann (Klang[2] zu § 1098 ABGB. V S. 61; Ehrenzweig[2] II/1, S. 445).
Die Tatsache, daß Adolf B. zufolge eines "Wohnungstausches" aus der streitgegenständlichen Wohnung ausgezogen und die Beklagte in diese eingezogen ist, besagt daher für die Frage, ob durch den Auszug des Adolf B. das Bestandverhältnis zwischen ihm und der Klägerin aufgelöst wurde, noch nichts. Der Umstand, daß die Klägerin dem zwischen der Beklagten und Adolf B. beabsichtigten Wohnungstausch widersprochen hat, stunde der Annahme, daß dieser Wohnungstausch zum Beispiel im Wege einer gegenseitigen Untervermietung der zu tauschenden Wohnungen bewerkstelligt werden sollte und bewerkstelligt wurde, ebensowenig im Wege wie die Tatsache, daß die Beklagte und Christine B. bei einer gemeinsamen Vorsprache beim Verwalter des Hauses, M., B.-Straße Nr. 82, die Bezahlung des auf den Jänner 1962 entfallenden Mietzinses angeboten haben. Es kann daher keine Rede davon sein, daß der Auszug des Adolf B. aus der streitgegenständlichen Wohnung eine Handlung sei, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund zu zweifeln übriglasse, daß Adolf B. seinen Mietvertrag mit der Klägerin dadurch habe beenden wollen. Der gegenteiligen Ansicht der Klägerin kann nicht gefolgt werden. Bleibt aber nach den Klagsbehauptungen die Möglichkeit offen, daß der Wohnungstausch die Mietrechte des B. unberührt gelassen hat und die Beklagte die Benützung der Wohnung von diesen Rechten ableitet, so kann aus dem Klagsvorbringen das Räumungsbegehren nicht abgeleitet werden. Selbst wenn eine allfällige Untervermietung der Wohnung durch B. an die Beklagte vertragswidrig erfolgt wäre, wäre die Klägerin nicht berechtigt, die Beklagte als Untermieterin auf Räumung zu klagen (SZ. VII 15 und 388).
Daß Adolf B. beim Beziehen der neuen Wohnung einen eigenen Hauptmietvertrag mit der Hauseigentümerin, der Stadtgemeinde M., abgeschlossen hat, schließt den Fortbestand seines Mietvertrages mit der Klägerin nicht aus. Diese Tatsache hätte überdies bei der rechtlichen Würdigung des Verhaltens des Adolf B. nicht in Betracht gezogen werden können, weil diese Tatsache in der Klage nicht behauptet wurde, daher bei Fällung des Versäumungsurteils nicht hätte berücksichtigt werden können. Das spätere Vorbringen dieser Tatsache im Rechtsmittelverfahren war eine unzulässige Neuerung.
Der Revision konnte deshalb kein Erfolg beschieden sein.
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