OGH 8Ob16/93

OGH8Ob16/9316.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Gunther Griehsler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Edgar Huber, Dr. Erich Kodek, Dr. Birgit Jelinek und Dr. Ronald Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadtgemeinde K***** (E-Werk), vertreten durch den Bürgermeister *****, ***** dieser vertreten durch Dr. Georg Fidler, Rechtsanwalt in Kindberg, wider die beklagte Partei S***** K*****,***** vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, wegen S 50.929,88 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 4. März 1993, GZ R 169/93-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Kindberg vom 27. November 1992, GZ 2 C 231/92m-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß sie einschließlich des bereits rechtskräftig abgewiesenen Zinsenmehrbegehrens lautet:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 50.929,88 samt 13,25 % Zinsen seit 9. November 1991 sowie 13,25 % Zinsen aus S 63.821,88 vom 24. Juli 1991 bis 8. November 1991 binnen 14 Tagen zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die S 28.115,04 bestimmten Kosten des Verfahrens (einschließlich S 3.885,84 Umsatzsteuer und S 4.800,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Stadtgemeinde betreibt ein E-Werk, das den Tischlereibetrieb und das Wohnhaus des Beklagten mit Strom versorgt.

Am 30. April 1981 fand im Wohnhaus des Beklagten, in dem damals auch seine Werkstätte untergebracht war, nach Stromanschluß aus Anlaß der Zählermontage eine Geräteaufnahme statt, um den Anschlußwert festzustellen. Diese ergab einen Anschlußwert von 5,5 Tarifkilowatt. Der Beklagte, der sich für den Abnehmertarif "K" entschloß, bei dem kein Grundpreis anfällt, verpflichtete sich anläßlich der Strombezugsanmeldung, jede Veränderung, die eine Erhöhung und Verminderung des Grundpreises bewirke, anzuzeigen, und nahm zur Kenntnis, daß zur Ermittlung des Jahresgrundpreises die auf der Rückseite der Strombezugsanmeldung angeführten Angaben dienen.

1988 errichtete der Beklagte eine neue Halle, in die er seine Tischlereiwerkstätte verlegte, und ließ die Elektroinstallationsarbeiten durch das E-Werk der klagenden Partei durchführen. In der Zeit zwischen dem 19. Dezember 1986 und dem 7. April 1989 erneuerte er praktisch den gesamten elektrisch betriebenen Werkzeugpark und die sonstige Ausstattung an elektrisch betriebenen Geräten. Auch diese Installationsarbeiten wurden von der Installationsabteilung des E-Werkes durchgeführt, die aber die Tarifabteilung des E-Werkes nicht von der Betriebserweiterung des Beklagten informierte. Auch der Beklagte teilte dem E-Werk die Vergrößerung seines Maschinenparkes nicht mit; er wußte allerdings, daß er eine solche Mitteilung hätte machen müssen.

Geräteaufnahmen zur Feststellung der Anschlußwerte werden vom E-Werk grundsätzlich dann durchgeführt, wenn neue Stromzähler montiert werden müssen, ein Wechsel in der Person des Stromabnehmers erfolgt oder dieser es selbst beantragt.

1989 mußte eine Trafoanlage des E-Werkes vergrößert werden. Es wurde das Versorgungsgebiet dieser Trafoanlage auf 3 Trafoanlagen aufgeteilt und wegen der Umstellung jeder Stromabnehmer, der über einen eigenen Stromzähler verfügte, aufgesucht, um diesen mit einer neuen Kennzahl zu versehen. Mit dieser Aufgabe war ein Bediensteter des E-Werkes betraut, der in der Tarifabteilung arbeitet. Er kam am 20. Juni 1991 auch zum Beklagten und stellte anhand des mitgenommenen Erhebungsbogens vom 30. April 1981 fest, daß es zu einer beträchtlichen Erweiterung des Betriebes des Beklagten gekommen war, der nunmehr über eine vom Haus getrennte Werkstätte verfügte. Hierauf führten zwei Mitarbeiter der klagenden Partei am 11. Juli 1991 eine Neuaufnahme der Geräte durch. Nach dieser neuen Erhebung entfallen auf den gesamten Haushalt samt Werkstätte ein Anschlußwert von 23 Tarifkilowatt. Mit Rechnung vom 23. Juli 1991 wurde dem Beklagten ein Betrag von S 63.821,80 als Baukostenzuschuß für 17,5 Tarifkilowatt vorgeschrieben. Von dem insgesamt errechneten Anschlußwert von 23 Tarifkilowatt waren die bereits im Jahre 1981 festgestellten und verrechneten 5,5 Tarifkilowatt in Abzug gebracht worden.

Am 29. Juni 1989 hatte der Beklagte beim Kreisgericht Leoben einen Antrag auf Eröffnung des Ausgleichsverfahrens gestellt; dieses wurde zwar eröffnet, am 28. August 1989 aber eingestellt, da die Gläubiger der Annahme des Ausgleichs zugestimmt hatten. Am 20. September 1989 eröffnete das Kreisgericht Leoben den Anschlußkonkurs für das Vermögen des Beklagten. Mit Beschluß vom 24. Jänner 1991 wurde ein von den Gläubigern am 26. September 1990 angenommener Zwangsausgleich bestätigt und am 14. Februar 1991 das Konkursverfahren eingestellt. Nach dem verbesserten und letztlich angenommenen Zwangsausgleichsvorschlag hatte der Masseverwalter den Gläubigern 20 % ihrer Forderungen innerhalb von 14 Tagen nach rechtskräftiger Aufhebung des Konkurses zu bezahlen (Akte Sa 2/89 und S 48/89 des Kreisgerichtes Leoben).

Zum Ausgleich hatte die klagende Stadtgemeinde eine Forderung mit Höhe von S 206.115,07 angemeldet, die auch anerkannt und im Rahmen des Zwangsausgleichs bezahlt wurde. Die Forderung bezog sich auf die Installationsarbeiten in der vom Beklagten neu errichteten Werkstatthalle. Zur Zeit des Insolvenzverfahrens war keine andere Forderung des E-Werkes gegen den Beklagten offen, insbesondere auch keine wegen Strombezugs.

Die erst nach Beendigung des Insolvenzverfahrens erstellte Rechnung vom 23. Juli 1991 betreffend den Baukostenzuschuß für 17,5 Tarifkilowatt bezahlte der Beklagte zuerst überhaupt nicht; nach mehreren Mahnungen und Besprechungen überwies der Beklagte der klagenden Partei S 12.892,- als 20 %igen Anteil des Rechnungsbetrages in Erfüllung des Zwangsausgleiches.

Die klagende Partei begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 50.929,88 sA. Sie habe am 20. Juni 1991 eine Geräteaufnahme bei ihm durchgeführt und das Ergebnis mit Rechnung vom 23. Juli 1991 über S 63.821,88 fakturiert. Der Beklagte habe auf diesen Betrag lediglich 20 %, ds S 12.892,- bezahlt, der Rest hafte nach wie vor unberichtigt aus. Die Forderung sei zum Zeitpunkt des Zwangsausgleiches des Beklagten noch nicht entstanden gewesen. Außerdem seien beim E-Werk die Installationsabteilung und die Abteilung für Stromtarifwesen zwei getrennte Abteilungen, wobei eine gegenseitige Information nicht vorgesehen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Teiles des Zinsenbegehrens statt und meinte, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, jede Änderung, die eine Erhöhung oder Verminderung des Grundpreises ergebe, anzuzeigen. Obzwar es bei dem vom Beklagten gewählten Tarif keinen Grundpreis gebe, habe sich doch der Anschlußwert beträchtlich erhöht und es sei diese Änderung anzuzeigen gewesen; dies sei dem Beklagten bekannt gewesen. Die klagende Partei habe keine Möglichkeit gehabt, die Forderung im Insolvenzverfahren anzumelden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision an den Obersten Gerichtshof nicht zu. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Gegenstand des Rechtsstreites sei ein erhöhter Baukostenzuschuß. Wenn auch aus einer unterlassenen Meldung keine Sanktion entsprechend nachzuzahlender Grundpreise drohe, so könne daraus nicht der Schluß gezogen werden, eine durch die Erweiterung des Maschinenparks bewirkte erhöhte Anschlußgebühr werde überhaupt nicht eingefordert. Es sei somit nicht primär relevant, ob die Installationsabteilung eine allfällige Meldungspflicht verletzt habe, sondern nur der Umstand, daß der Beklagte seine Anlagenerweiterung selbst nicht angezeigt und diese der Tarifabteilung der klagenden Partei auch nicht bekannt gewesen sei. Erst mit der Vorschreibung der neuen, auf Grund der gepflogenen Erhebungen ermittelten Anschlußgebühr mit Rechnung vom 23. Juli 1991, also nach Beendigung des Insolvenzverfahrens (der Konkurs war mit Beschluß vom 14. Februar 1991 aufgehoben worden), war die Forderung überhaupt entstanden und deren Fälligkeit - nach Ablauf einer angemessenen Zahlungsfrist - bewirkt. Da die Forderung somit im Konkursverfahren noch nicht hätte angemeldet werden können - sie existierte nach Meinung des Berufungsgerichts noch gar nicht -, erübrigten sich weitere konkursrechtliche Überlegungen. Aber auch bei einer Betrachtung im Lichte des § 156 Abs 6 KO sei für den Beklagten kein günstigeres Ergebnis zu erzielen. Während - nach den getroffenen Feststellungen - in der Nichtmeldung durch den Beklagten ein Verschulden zu erblicken sei, könne gegenüber der klagenden Partei ein derartiger Vorwurf nicht erhoben werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn der gänzlichen Klageabweisung abzuändern. Die klagende Partei beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die außerordentliche Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Zu Recht macht die beklagte Partei geltend, daß eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur entscheidungswesentlichen Frage des § 156 Abs 6 KO fehle und daß die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, Forderungen entstünden erst durch Rechnungslegung, der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung widerspreche.

Nach § 14 des Steiermärkischen Elektrizitätswirtschaftsgesetzes 1981, LGBl 77/1981, sind Elektrizitätsversorgungsunternehmen berechtigt, bei Erhöhung des Versorgungsumfanges den Abnehmern Baukostenzuschüsse in Rechnung zu stellen, die von der STEWEAG unter Bezugnahme auf die Verordnung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 7. Oktober 1986, Z 36.894/10-3-7/86 idgF der Höhe nach, für den hier in Frage kommenden Zeitraum, in der ab 1. Juli 1987 gültigen Fassung festgesetzt und entsprechend veröffentlicht wurden. Diesen hatte sich der Beklagte anläßlich der Strombezugsanmeldung im Jahr 1981 unterworfen, in dem er sich verpflichtete, die jeweils geltenden "Allgemeinen Bedingungen" und "Allgemeinen Tarifpreise" anzuerkennen.

Hieraus ergibt sich, daß die klagende Partei berechtigt war, sofort nach Erhöhung des Anschlußwertes der Anlage bzw. Erhöhung des Versorgungsumfanges einen neuerlichen ergänzenden Anschlußpreis (Baukostenzuschuß) zu verlangen. In diesem Zeitpunkt - und nicht erst im Zeitpunkt der Rechnungslegung - ist die Forderung der klagenden Partei entstanden. Zwischen dem Entstehen einer Forderung und ihrer Fälligkeit ist stets zu unterscheiden (Gschnitzer in Klang**2 IV/1 351; Mayrhofer-Ehrenzweig Schuldrecht allgemeiner Teil 78, 155; 3 Ob 97/88 ua): Forderungen entstehen, sofern nicht ausnahmsweise ausdrücklich anderes vorgesehen ist - was hier nicht der Fall ist - nicht erst mit Rechnungslegung. Die Rechnungslegung hat in der Regel nur für die Fälligkeit Bedeutung; dies gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - das Ausmaß des zu leistenden Entgelts nicht von Anfang an feststeht oder für den Zahlungspflichtigen nicht leicht zu ermitteln ist; in solchen Fällen wird der Entgeltanspruch fällig, sobald der Berechtigte binnen angemessener Frist Rechnung legt (SZ 23/26, 38/44 uva; zuletzt etwa WBl 1988, 207; weitere Nachweise bei Krejci in Rummel ABGB I**2 Rz 12 zu § 1170).

Es kommt also - entgegen der Ansicht der Vorinstanzen - sehr wohl darauf an, ob die klagende Partei hätte früher Rechung legen können. Dies ist zu bejahen, weil sie bei gehöriger Aufmerksamkeit von der Erhöhung des Versorgungsumfanges hätte längst wissen müssen.

Es ist unrichtig, daß sich aus den von der klagenden Partei aufgelegten Allgemeinen Bedingungen (P.V. 1-4) eindeutig ergibt, der Beklagte sei als Stromabnehmer verpflichtet gewesen, ihr Änderungen auch dann durch zusätzliche Anmeldung bekanntzugeben, wenn sie selbst die Installationen neuer Geräte durchgeführt hat; diese Unklarheit in ihren AGB geht gemäß § 915 zweiter Halbsatz ABGB zu ihren Lasten. Abgesehen davon würde durch eine solche Bestimmung die Last der eigenen Kommunikation innerhalb der einzelnen Abteilungen des Elektrizitätsversorgungsunternehmens auf den Stromabnehmer überwälzt. Eine solche Maßnahme wäre zumindest als ungewöhnlich iS des § 864 a ABGB zu qualifizieren, sodaß der Beklagte hierauf deutlich hätte hingewiesen werden müssen, was in den Allgemeinen Bedingungen jedenfalls nicht geschehen ist.

Dem klagenden Elektrizitätsversorgungsunternehmen ist das Wissen der von ihm zur Anlageninstallation bestellten Personen voll zuzurechnen. Sein Einwand, die Installationsabteilung könne nicht beurteilen, ob und in welchem Umfang dies zu einer Erhöhung der Anschlußpreise führen werde, schlägt nicht durch; die Installationsabteilung müßte die Tarifabteilung von den Arbeiten lediglich informieren; Aufgabe der Tarifabteilung wäre es dann, durch entsprechende Überprüfung festzustellen, ob sie nun berechtigt ist, einen erhöhten Baukostenzuschuß zu verlangen.

Gemäß dem klaren Wortlaut des § 156 Abs 6 KO können Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden des Gemeinschuldners im Zwangsausgleich unberücksichtigt geblieben sind, nach Aufhebung des Konkurses die Bezahlung ihrer Forderung im vollen Betrag vom Gemeinschuldner verlangen. Voraussetzung für dieses Wiederaufleben der vollen Forderung ist also, daß die rechtzeitige Geltendmachung nur aus Verschulden des Gemeinschuldners unterblieben ist. Das ist, wie eben ausgeführt, hier nicht der Fall, weil es der klagenden Partei als Organisationsverschulden anzulasten ist, daß die für die Errechnung des erhöhten Baukostenzuschusses zuständige Abteilung nicht rechtzeitig Kenntnis erlangt und daher ihre Forderung nicht (gleich der von der Installationsabteilung für die Installationsarbeiten in Rechnung gestellten Forderung) im Konkurs angemeldet hat. Ist die Nichtberücksichtigung der Forderung des Gläubigers im Zwangsausgleich jedenfalls auch auf seine eigene Sorglosigkeit (§ 1304 ABGB) zurückzuführen, lebt der volle Betrag nach Aufhebung des Zwangsausgleiches nicht wieder auf, sondern schuldet der Zwangsausgleichsschuldner weiterhin nur die Zwangsausgleichsquote, die der Beklagte ohnedies bezahlt hat.

Das angefochtene Urteil war daher im Sinn der gänzlichen Klagsabweisung abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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