OGH 8Ob156/99w

OGH8Ob156/99w8.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** AG *****, vertreten durch Dr. Peter Avancini, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. a) Dr. Wolfgang K*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Dr. Peter Karl S*****, b) Dr. Peter Karl S*****, vertreten durch Dr. Alexander Singer, Rechtsanwalt in Graz, und 2. Ing. Gerd S*****, vertreten durch Dr. Johannes Dörner und Dr. Alexander Singer, Rechtsanwälte in Graz, wegen Zahlung von S 32,204.528,-- sA und Feststellung (Feststellungsinteresse S 500.000,--; Gesamtstreitwert S 32,704.528,--) infolge des Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 4. Februar 1999, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. Mai 1999, GZ 2 R 238/98g-63 und 66, womit infolge der Berufung der zu 1b) genannten beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 25. August 1998, GZ 5 Cg 252/94m-51 ihm gegenüber als nichtig aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Bank gewährte dem zu 1b) beklagten damaligen Rechtsanwalt Dr. S***** ein Darlehen über S 21,000.000,- und eines über S 6,000.000,-, welche beide teilweise grundbücherlich sichergestellt wurden. Am 15. 12. 1994 brachte sie eine Klage auf Rückzahlung der gewährten Darlehen ein. Mit bei Gericht am 18. 1. 1995 eingelangtem Schriftsatz erstattete Dr. S***** Klagebeantwortung.

Mit Beschluß vom 23. 3. 1995 wurde über das Vermögen des Dr. S***** der Konkurs eröffnet und ein Masseverwalter bestellt. Der Gemeinschuldner wurde mit Beschluß vom 24. 5. 1995 aus der Liste der steiermärkischen Rechtsanwälte gelöscht.

Die klagende Partei beantragte mit Schriftsatz vom 11. 8. 1995 die Fortsetzung des Verfahrens gegen den bestellten Masseverwalter.

Mit Beschluß vom 27. 11. 1996 wurden die klagsgegenständlichen Liegenschaftsanteile gemäß § 119 Abs 5 KO ausgeschieden und dem Gemeinschuldner zur freien Verfügung überlassen.

Hierauf erklärte die klagende Partei mit Schriftsatz vom 8. 1. 1997:

"Wir setzen daher insoweit das Verfahren gegen Dr. Peter Karl S***** fort" und modifizierte das Klagebegehren gegen Dr. S***** in ein Leistungsbegehren bei Exekution in die klagsgegenständlichen Liegenschaftsanteile.

Dieser Schriftsatz wurde am 10. 1. 1997 Dr. S***** mit dem auf Anregung der klagenden Partei vom Erstgericht hinzugefügten Beisatz:

"Sie werden aufgefordert, binnen 14 Tagen einen Rechtsanwalt zu Ihrer Vertretung in diesem Verfahren zu bevollmächtigen und die Bevollmächtigung dem Gericht bekanntzugeben," zugestellt.

Dr. S***** bestellte keinen Rechtsanwalt und erschien zu der am 10. 11. 1997 angesetzten Tagsatzung nicht.

Das Erstgericht verurteilte ihn hierauf zur Zahlung der Klagsforderung bei sonstiger Exekution in die ihm zugeschriebenen Liegenschaftsanteile.

Dagegen erhob Dr. S*****, nunmehr vertreten durch einen Rechtsanwalt, unter anderem Berufung wegen Nichtigkeit.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts gegen Dr. S***** wegen Nichtigkeit auf, da eine Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 160 ZPO eingetreten und das Verfahren nicht ordnungsgemäß fortgesetzt worden sei. Ein Antrag im Sinne des § 160 Abs 2 ZPO sei von der klagenden Partei nicht gestellt worden; die von Amts wegen ergangene Aufforderung des Erstgerichtes, einen Rechtsanwalt namhaft zu machen, sei unzulässig gewesen. Ebenso habe die Aufforderung des Gerichtes keine Androhung von Säumnisfolgen enthalten. Dr. S***** sei trotz Anwaltszwanges nicht anwaltlich vertreten gewesen, weshalb das Urteil sowie die vorangegangene Tagsatzung als nichtig aufzuheben gewesen seien. Gleichzeitig sprach es aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, da Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (primär die Frage, ob die gerichtliche Aufforderung an eine im Anwaltsprozeß vertreterlos gewordene Partei, einen Rechtsanwalt als ihren neuen Vertreter bekanntzugeben, wenn die Aufforderung ohne darauf gerichteten Parteienantrag sowie ohne Sanktionsdrohung erfolgt ist und erfolglos bleibt, die vorher eingetretene Verfahrensunterbrechung beseitigen kann) zu entscheiden gewesen seien.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erhebt die klagende Partei Rekurs und macht dabei geltend, daß eine Nichtigkeit nicht vorliege, da Dr. S***** bei Klagseinbringung Rechtsanwalt und zufolge der Regelung des § 28 ZPO berechtigt gewesen sei, sich selbst zu vertreten.

Der nunmehr anwaltlich vertretene Dr. S***** beantragt den Rekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Der Rekurs der klagenden Partei ist zulässig, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob auch einem aus der Rechtsanwaltsliste gestrichenen Rechtsanwalt gegenüber die Wirkungen des § 160 ZPO bestehen; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Durch die Konkurseröffnung wurde der zwischen den Streitteilen anhängige Prozeß gemäß § 7 Abs 1 KO unterbrochen und das Verfahren danach gegen den Masseverwalter weitergeführt.

Die gemäß § 119 Abs 5 KO vorgenommene Ausscheidung der Pfandliegenschaft aus der Konkursmasse hatte insoweit eine Teilaufhebung des Konkurses zur Folge. Der Gemeinschuldner trat daher als nunmehr insoweit wieder Verfügungsbefugter unmittelbar in den anhängigen Rechtsstreit ein (SZ 61/172; 8 Ob 40/95; SZ 69/255). Zutreffend führt das Berufungsgericht aus, daß nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung ein vom Masseverwalter geführter Aktivprozeß, in den der Gemeinschuldner nach einer gemäß § 119 Abs 5 KO vorgenommenen Ausscheidung eingetreten ist, nicht unterbrochen wird (8 Ob 40/95), daß aber etwas anderes in einem vom Masseverwalter geführten Passivprozeß gilt, wenn der Gemeinschuldner nicht anwaltlich vertreten und diese Vertretung gesetzlich geboten ist (SZ 69/255).

Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich jedoch von dem der Entscheidung SZ 69/255 zugrundeliegenden dadurch, daß die Klage gegen Dr. Peter Karl S***** vor Konkurseröffnung eingebracht und von diesem auch eine Klagebeantwortung erstattet wurde, während dort die Klage zunächst gegen die Masseverwalterin eingebracht und erst nach erfolgter Ausscheidung das Verfahren gegen den Gemeinschuldner weitergeführt wurde.

Wie die Rekurswerberin zutreffend ausführt, verliert ein Rechtsanwalt, der seine Befugnis zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erst während der Dauer eines Prozesses, den er in eigener Sache führt, einbüßt, das Recht zur Selbstvertretung nur dann, wenn er aufgrund einer Disziplinarstrafe von der Rechtsanwaltsliste gestrichen wird. Daraus folgt umgekehrt aber auch, daß er in allen anderen Fällen des Verlustes der Befugnis zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft - und damit auch im vorliegenden Fall - einen bereits von ihm in eigener Sache begonnenen Rechtsstreit auch selbst zu Ende führen kann und darf. Nach Konkurseröffnung beginnt kein neuer Prozeß, sondern es erfolgt lediglich der Austausch einer Verfahrenspartei. In 1 Ob 5/97k hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Vollmachtgebers die Prozeßvollmacht nicht berührt wird, weil § 35 Abs 1 ZPO gegenüber § 1024 ABGB lex specialis ist. Wenn nun die vom Gemeinschuldner vor Konkurseröffnung erteilte Prozeßvollmacht nicht erlischt, der Prozeß also nach erfolgter Konkursaufhebung mit dem vom Gemeinschuldner vor Konkursaufhebung bestellten Prozeßbevollmächtigten, ohne daß das Verfahren unterbrochen wird, weitergeführt wird, so gilt dies umso mehr für jemanden, der - aufgrund eines persönlichen Befreiungsgrundes von der Rechtsanwaltspflicht - eines Rechtsanwaltes gar nicht bedurfte, sondern sich selbst vertreten durfte. Hätte Dr. S***** nämlich im Dezember 1994 einen Rechtsanwalt Vollmacht zur Vertretung im Rechtsstreit mit der klagenden Partei erteilt, so wäre das Verfahren nach Konkursaufhebung ohne Unterbrechung weiterzuführen gewesen.

Da Dr. S***** seine Vertretung zulässigerweise selbst besorgt hat und im gegenständlichen Verfahren weiterhin dazu befugt wäre, sich selbst zu vertreten, wäre es im Hinblick auf das Fortbestehen einer bereits vor Konkurseröffnung erteilten Prozeßvollmacht sachlich nicht gerechtfertigt hier eine Unterbrechung des Verfahrens anzunehmen, zumal der Beklagte durch die Konkurseröffnung allein noch nicht die juristischen Kenntnisse, die ihn zu einer Prozeßführung befähigen, verloren hat.

Da die Unterbrechung durch die Konkurseröffnung daher nicht zur Beendigung des von Dr. S***** in zulässiger Ausübung des Selbstvertretungsrechtes zunächst selbst geführten Prozesses führte, war Dr. S***** berechtigt, den von ihm in eigener Sache begonnenen Prozeß auch selbst zu Ende zu führen.

Da wegen des fortdauernden Selbstvertretungs- rechtes Dris. S***** eine weitere Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 160 ZPO infolge Ausscheidung des dem Verfahren gegen Dr. S***** zugrundeliegenden Anspruches aus dem Konkursverfahren nicht eingetreten ist (siehe 8 Ob 40/95), war ein Antrag gemäß § 160 Abs 2 ZPO ebenso wie die Androhung der dort vorgesehenen Säumnisfolgen entbehrlich.

In Stattgebung des Rekurses ist daher die Entscheidung des Berufungsgerichtes aufzuheben; das Berufungsgericht wird daher die Berufungen sämtlicher Streitteile meritorisch zu erledigen haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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