OGH 8Ob127/11a

OGH8Ob127/11a20.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** D*****, vertreten durch Kinberger-Schubert-Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See, gegen die beklagte Partei J***** T***** H*****, vertreten durch Dr. Heinrich Schellhorn, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 48.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. Oktober 2011, GZ 6 R 327/11t-22, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 25. Juli 2011, GZ 13 Cg 80/10k-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.993,14 EUR (darin 332,19 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist die nunmehrige Ehefrau des seit Mai 1987 geschiedenen früheren Ehegatten der Beklagten. Die Beklagte und ihr vormaliger Ehemann waren während ihrer aufrechten Ehe je zur Hälfte Miteigentümer der streitgegenständlichen Liegenschaft, auf der ein Wohnhaus errichtet ist.

Mit Vertrag vom 21. 8. 1986 kaufte die Klägerin die Liegenschaftshälfte ihres damaligen Lebensgefährten, der zu diesem Zeitpunkt noch mit der Beklagten verheiratet war. Letztere nutzte die Liegenschaft damals unstrittig zur Gänze für sich und ihre Kinder.

Am 31. 8. 1986 richtete die Klägerin ein Schreiben an die Beklagte, in dem sie ihr mitteilte, den Hälfteanteil ihres Mannes gekauft zu haben. Sie ersuche die Beklagte um Stellungnahme, da sie die ihr zustehenden Räume sowie den Parkplatz demnächst beanspruchen werde. Mit Schreiben vom 7. 10. 1986 ließ die Klägerin der Beklagten durch einen Rechtsanwalt mitteilen, wie sie sich die wechselseitige Aufteilung im Detail vorgestellt habe. Sie sei allenfalls auch bereit, die Liegenschaftshälfte käuflich zu erwerben oder in Bestand zu nehmen. Für den Fall, dass eine Einigung nicht zustande kommen sollte, verbleibe nur die Möglichkeit der Zivilteilung.

Nach der Scheidung der Beklagten im Jahr 1987 folgten keine weiteren Aufforderungen, die Nutzung der Liegenschaft zu teilen. Erst rund sechs Jahre später, am 5. 6. 1992, brachte die Klägerin eine Zivilteilungsklage gegen die Beklagte ein, die sie unter anderem mit einer fehlenden Nutzungsmöglichkeit begründete. Dieses Verfahren endete nach jahrelanger Unterbrechung am 8. 6. 1999 durch einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich die Streitteile über eine Zivilteilung durch Verkauf der gemeinsamen Liegenschaft einigten.

Obwohl der Verkauf nicht zustandekam, stellte die Klägerin auch in weiterer Folge nie einen Antrag auf Festlegung der Benützung der Liegenschaft.

Erstmals mit der vorliegenden, am 2. 11. 2010 eingebrachten Klage begehrt sie, rückwirkend für die Jahre von 1987 bis 2010, „angemessenes Nutzungsentgelt“ in Höhe von 2.000 EUR jährlich. Die Beklagte nutze die Liegenschaft zur Gänze für sich und verweigere der Klägerin den Zutritt.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Ein Anspruch auf Benützungsentgelt wegen übermäßigen Gebrauchs einer Sache durch einen Miteigentümer könne nicht für die Vergangenheit begehrt werden, wenn über die Nutzung keine Einigung bestehe und der verkürzte Miteigentümer nicht innerhalb angemessener Frist eine gerichtliche Regelung in die Wege geleitet habe.

Das Berufungsgericht billigte diese Rechtsansicht und gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.

Zwar habe der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 2 Ob 248/08x entgegen der älteren Judikatur einen Anspruch auf Benützungsentgelt des verkürzten Miteigentümers auch für die Vergangenheit bejaht, allerdings ausgesprochen, dass dieser Anspruch frühestens ab dem Zugang eines ausdrücklichen oder schlüssigen Widerspruchs gegen die übermäßige Benützung durch den anderen Miteigentümer gebühre. Zur eindeutigen Artikulierung eines wirksamen Widerspruchs müsse sich der Miteigentümer innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Kenntnis des übermäßigen Gebrauchs um eine gerichtliche oder außergerichtliche Regelung der Benützung bemühen. Der Zeitraum von rund 10 Jahren, den die Klägerin nach dem Vergleich im Zivilteilungsverfahren bis zur vorliegenden Klage verstreichen habe lassen, sei jedenfalls zu lang.

Angesichts der im Schrifttum artikulierten Kritik an der älteren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und der in der Entscheidung 2 Ob 248/08x vollzogenen Judikaturwende sei die ordentliche Revision zur Klärung der Voraussetzungen einer rückwirkenden Festsetzung von Benützungsentgelt zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerin ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Nach § 839 ABGB werden Nutzungen und Lasten gemeinschaftlichen Eigentums nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile ausgemessen und im Zweifel jeder Anteil als gleich groß angesehen. Wird einem Miteigentümer ein seinen Miteigentümeranteil übersteigender Teil der gemeinschaftlichen Sache zur persönlichen Benützung überlassen, ist der ihm dadurch zukommende, verhältnismäßig größere Nutzen durch eine entsprechende Gegenleistung auszugleichen (RIS-Justiz R0013716). Diese Regelung ist aber dispositiv; abweichende Vereinbarungen sind ohne weiteres möglich und können auch konkludent getroffen werden (Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwimann ABGB³ § 839 Rz 6; Gamerith in Rummel, ABGB3 § 839 Rz 1; Sailer in KBB³ §§ 839, 840, Rz 1 mwN; 5 Ob 310/03d; 1 Ob 180/08i; 2 Ob 248/08x). Ob zwischen Miteigentümern eine schlüssig vereinbarte Benützungsregelung besteht, betrifft eine nicht revisible Frage des jeweiligen Einzelfalls.

Das Berufungsgericht hat die einschlägige Judikatur des Obersten Gerichtshofs und die dazu veröffentlichten Lehrmeinungen (insb Oberhofer, Anspruch des Miteigentümers auf Benützungsentgelt auch für die Vergangenheit?, wobl 2004, 209f; Vonkilch, Zur [Un-]Rechtmäßigkeit übermäßigen Gebrauchs der gemeinsamen Sache durch den Miteigentümer, wobl 2006, 138 f; Sailer aaO) zutreffend und übersichtlich dargestellt (§ 510 Abs 3 ZPO).

In der ebenfalls bereits von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung 2 Ob 248/08x (die eine vermietete gemeinsame Sache zum Gegenstand hatte) bekräftigte der Oberste Gerichtshof seine Rechtsprechung, wonach ein rückwirkender Anspruch des Miteigentümers auf Benützungsentgelt nicht bereits mit dem tatsächlichen übermäßigen Gebrauch eines anderen entsteht, sondern widerstandslose Duldung im Zweifel zunächst auf eine konkludente Vereinbarung der Miteigentümer schließen lässt. Erst ab Zugang seines ausdrücklichen oder schlüssigen Widerspruchs gegen die übermäßige Benützung wird der Eindruck eines Einverständnisses widerlegt und der Anspruch des verkürzten Miteigentümers auf ein anteiliges Benützungsentgelt begründet.

Die Urteile der Vorinstanzen stehen mit dieser Entscheidungsbegründung im Einklang, ohne dass der vorliegende Sachverhalt einer darüber hinausweisenden rechtlichen Erörterung bedarf.

Einer Wirksamkeit der im Jahre 1986 erfolgten Aufforderungen der Klägerin, ihr die Mitbenützung der Liegenschaft zu ermöglichen, stand schon der familienrechtliche Anspruch der Beklagten nach § 97 ABGB gegen den Verkäufer entgegen. Die Klägerin hat gar nicht behauptet, dass es der Beklagten an einem entsprechenden Wohnbedürfnis gemangelt hätte, sondern im Gegenteil vorgebracht, dass die Beklagte die Liegenschaft damals zur Gänze für sich und ihre Kinder nutzte. Aufgrund ihrer Kenntnis der Verhältnisse musste sich die Klägerin auch als Dritte den Anspruch der Beklagten gegen ihren Ehegatten entgegenhalten lassen (ua Stabentheiner in Rummel³ § 97 ABGB Rz 6).

Der objektive Eindruck einer bloßen Provokation im laufenden Scheidungsverfahren wurde durch die Tatsache bestärkt, dass die Klägerin nach der Auflösung der Ehe der Beklagten jahrelang vollkommen untätig blieb. Da sie auch nicht behauptet hat, sich als Miteigentümerin jemals aliquot an den laufenden Aufwendungen und Lasten beteiligt zu haben, kann die Annahme einer konkludenten Übereinkunft der Streitteile über die Nutzung der Liegenschaft durch die Vorinstanzen keine begründeten rechtlichen Bedenken erwecken.

Die im Jahre 1992 erhobene Klage war ausschließlich auf eine Zivilteilung der Liegenschaft gerichtet. Nur zur Begründung des Teilungsanspruchs wurde darin die Behauptung aufgestellt, die Beklagte verweigere eine Mitbenützung. Ein gerichtliches Begehren auf eine wie immer geartete Regelung des Gebrauchs, und sei es nur für die Dauer des über viele Jahre unterbrochenen Zivilteilungsverfahrens, wurde von der Klägerin nie erhoben. Auch der zwischen den anwaltlich vertretenen Streitteilen letztlich geschlossene Vergleich enthält keinerlei Regelung der Benützungsverhältnisse, eines Benützungsentgelts oder eines Ausgleichs der laufend entstehenden Aufwendungen für Gegenwart und Zukunft.

Ausgehend von diesem Sachverhalt ist die grundsätzlich einzelfallbezogene Beurteilung der Vorinstanzen, dass in der Verfolgung des Zivilteilungsanspruchs nicht gleichzeitig auch ein Widerspruch der Klägerin gegen die Fortsetzung der jahrelang gepflogenen tatsächlichen Benützung und Lastenaufteilung erblickt werden konnte, zumindest vertretbar und begründet keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

Daraus folgt aber weiters, dass die vorliegende Entscheidung mangels wirksamen Widerspruchs der Klägerin nicht von der vom Berufungsgericht für wesentlich erachteten Rechtsfrage abhängt, ob und wann ein verkürzter Miteigentümer nach Scheitern einer einvernehmlichen Regelung der Benützung die gerichtliche Regelung im Außerstreitverfahren beantragen muss, um den Anspruch auf Benützungsentgelt zu begründen. Nähere Erwägungen dazu wären hier lediglich von theoretischer Bedeutung.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen und daher Anspruch auf den Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung (ua RIS-Justiz RS0035979 [T16]).

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