OGH 8Ob12/17y

OGH8Ob12/17y29.11.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** AG, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei J***** H*****, vertreten durch Mag. Bianca Haider, Rechtsanwältin in Kirchdorf an der Krems, wegen 23.185,10 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 27. Oktober 2016, GZ 3 R 120/16m‑62, mit dem das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 24. Juni 2016, GZ 3 Cg 29/14m‑56, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00012.17Y.1129.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.241,55 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Am 6. Mai 2011 kaufte der Beklagte von der in der Schweiz ansässigen B***** AG eine gebrauchte Obstverwertungsanlage, die ca 40 bis 50 Tanks unterschiedlicher Größe umfasste. Er verpflichtete sich die Anlage bis 30. 4. 2012 aus den Kellerräumen der Verkäuferin zu entfernen. Am 24. 11. 2011 schloss er mit der Klägerin einen Kaufvertrag über zwei dieser Tanks mit je ca 30.000 m³ Inhalt zum Gesamtpreis von 28.000 EUR. Die Klägerin sollte die Tanks ausbringen und transportieren. Der Beklagte legte am 16. 11. 2011 Rechnung, die Klägerin überwies den Kaufpreis am 27. 1. 2012. Den Ausbau der Tanks nahm die Klägerin zunächst wegen diverser Hindernisse nicht vor.

Der Beklagte kam seiner übernommenen Räumungsverpflichtung bis 30. 4. 2012 mit Ausnahme einzelner kleinerer Tanks nicht nach. Die B***** AG räumte ihm dazu Fristerstreckungen bis letztendlich 30. 4. 2013 ein, eine weitere Verlängerung lehnte sie ab.

Im September 2012 wollte die Klägerin den Ausbau der beiden vom Beklagten gekauften Tanks veranlassen. Weil ein Mitarbeiter der B***** AG erklärte, dass dafür eine Einwilligung des Beklagten notwendig sei, forderte die Klägerin ihn mit E-Mail vom 17. 9. 2012 auf, ihr ein eigenhändiges Schreiben zur Verfügung zu stellen, mit dem er sie bzw das von ihr mit dem Ausbau beauftragte Unternehmen zum Abtransport von unter anderem vier Tanks ermächtigen sollte. Entweder der Beklagte oder eine von ihm bevollmächtigte Person müsse vor Ort sein und bestätigen, dass nichts fehle. Die angeforderte Bestätigung langte bei der Klägerin nicht ein.

Im April 2013 kam es zu einer Besprechung zwischen dem Beklagten und Repräsentanten der Klägerin, der B***** AG und eines weiteren Unternehmens, das ebenfalls Teile der Anlage vom Beklagten gekauft hatte, im Beisein ihrer Rechtsvertreter. Der Beklagte vertrat bei diesem Gespräch die Ansicht, dass ein Ausbringen der Tanks aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht möglich wäre.

Am 22. 4. 2013 erwirkte der Beklagte eine einstweilige Verfügung gegen die B***** AG, mit der ihr eine Verfügung über die im Mai 2011 gekaufte Anlage untersagt wurde. Am 17. 6. 2014 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten ausdrücklich den Rücktritt vom Vertrag und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises. Der Beklagte hat die Klägerin nie aufgefordert, die Tanks abzuholen.

In der Klage wird die Rückzahlung des Kaufpreises begehrt. Die Klägerin habe die Tanks aufgrund der örtlichen Gegebenheiten unmöglich abbauen können, ohne sie zu zerschneiden und anschließend wieder zusammenzuschweißen. Sie sei deshalb und weil der Beklagte es nicht geschafft habe, ein einfaches Ausbringen der Tanks zu ermöglichen, vom Vertrag zurückgetreten. Der Beklagte habe auch die notwendige Ermächtigung zur Verfügung über die Tanks nicht erteilt. Er habe den Kaufgegenstand nie fällig gestellt und die Klägerin nicht zum Abtransport innerhalb bestimmter Frist aufgefordert.

Der Beklagte wandte ein, die Klägerin habe die örtlichen Gegebenheiten gekannt, die damit verbundenen Probleme seien bei der Preisgestaltung berücksichtigt worden. Die Klägerin habe sich im Annahmeverzug befunden. Eine schriftliche Bestätigung des Beklagten wäre nicht notwendig gewesen. Wegen der Pflichtverstöße der Klägerin sei dem Beklagten ein die Klagsforderung übersteigender Schaden entstanden, den er aufrechnungsweise einwende. Er habe für die Lagerstätte der Tanks Miete zahlen müssen, die nicht mehr zu entrichten gewesen wäre, wenn die Klägerin die Tanks abgeholt hätte.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung als zu Recht und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend fest und gab dem Klagebegehren in der Hauptsache statt. Es führte aus, der Beklagte habe der Klägerin die Tanks nicht in der Weise zur Verfügung gestellt, die der auf das Vertragsverhältnis anzuwendende Art 31 lit b CISG verlange, weil er ihr die verlangte schriftliche Bestätigung nicht erteilt habe. Dies begründe eine wesentliche Vertragsverletzung iSd Art 25 CISG. Die Klägerin treffe kein Annahmeverzug, weil sie ohne diese Bestätigung zur Abholung nicht in der Lage gewesen wäre. Der Vertragsrücktritt vom 17. 6. 2014 sei berechtigt gewesen, sodass der Kaufpreis zurückzuzahlen sei. Mangels Annahmeverzugs müsse die Klägerin nicht für die Gegenforderung einstehen.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge.

Maßgeblich sei Art 31 lit b CISG, wonach der Verkäufer einer bei einem Dritten eingelagerten Ware den Käufer in die Lage versetzen müsse, diese abzuholen. Bei einer Holschuld liege es am Verkäufer, den Lieferzeitpunkt zu bestimmen; die Gefahr gehe, wenn sich die Sache im Besitz eines Dritten befinde, erst über, sobald die Lieferung fällig sei und der Käufer Kenntnis davon habe, dass ihm die Ware an diesem Ort zur Verfügung steht. Der Beklagte habe es verabsäumt, die Klägerin zur Abholung der Ware aufzufordern. Er hätte der B***** AG eine entsprechende Weisung zur Herausgabe der Ware erteilen oder einen den Herausgabeanspruch verbriefenden Lagerschein, jedenfalls aber die von der Klägerin verlangte schriftliche Erklärung übergeben müssen. Der Umstand, dass die beiden verkauften Tanks von der Klägerin durch Namenszettel gekennzeichnet worden seien, genüge nicht.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision über Antrag des Beklagten nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO für zulässig, weil dessen Argument, die Verpflichtungen des Verkäufers nach Art 31 lit b und Art 69 Abs 2 CISG träfen nicht auf den Fernkauf zu, „nicht von der Hand zu weisen“ sei.

Mit seiner Revision wegen Verfahrensmängeln und unrichtiger rechtlicher Beurteilung strebt der Beklagte die Abänderung der Entscheidung im klagsabweisenden Sinn, hilfsweise eine Aufhebung der Entscheidung des Berufungsgerichts an. Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel des Beklagten ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, unzulässig, weil darin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO angesprochen wird.

Die Zurückweisung der Revision kann sich auf eine kurze Darstellung der wesentlichen Gründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, können mit Revision nicht geltend gemacht werden (stRsp; RIS-Justiz RS0042963; RS0106371). Nur wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen hat, liegt ein Mangel des Berufungsverfahrens selbst vor (RIS-Justiz RS0043086; RS0043144).

Dies ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat die Mängelrüge des Beklagten inhaltlich behandelt und darauf verwiesen, dass der Beklagte trotz Ladung zur mündlichen Streitverhandlung am 9. 7 2015 unentschuldigt nicht erschien und auch eine vom Erstrichter vorgeschlagene Vernehmung des der Streitverhandlung am 22. 7. 2016 wegen „medizinischer Gründe“ (Lumbalgie) fern gebliebenen Beklagten zuhause nicht möglich war, weil seine Vertreterin nicht wusste, wo er sich aufhielt.

2. Die Beurteilung, ob der Verkäufer einer Ware diese dem Käufer iSd Art 31 und 69 CISG „zur Verfügung“ gestellt hat, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nach § 502 Abs 1 ZPO nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit eine Korrektur bedürfte. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.

Der Beklagte argumentiert, auf das Vertragsverhältnis der Streitteile seien die Regeln des CISG über den Fernkauf anzuwenden. Die Gefahr gehe dabei schon auf den Käufer über, wenn die Lieferung fällig sei und der Käufer Kenntnis habe, dass ihm die Ware zur Verfügung stehe. Der Klägerin wäre in einem angemessenen Zeitraum von über sieben Monaten eine Abholung der Tanks möglich gewesen.

Diese Ausführungen berücksichtigen nicht, dass es sowohl nach Art 31 lit b CISG, der die Holschuld grundsätzlich regelt, als auch nach Art 69 Abs 2 CISG für den Gefahrübergang erforderlich ist, dass die Ware dem Käufer „zur Verfügung steht“.

Das Zurverfügungstellen (Bereitstellen) der Ware hat der Verkäufer zu bewirken, und zwar so, dass sie der Käufer selbst abholen oder abholen lassen kann (Saenger inBeckOK BGB Art 31 CISG Rz 13; ders in Ferrari/Kieninger/Mankowski ua, Internationales Vertragsrecht² Art 31 CISG Rz 12 f; Benicke in MüKomm zum HGB³ Art 31 CISG Rz 18, 24; Widmer/Lüchinger in Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum Einheitlichen UN‑Kaufrecht, Art 31 CISG Rz 50; Achilles, Kommentar zum UN‑Kaufrechtsübereinkommen Art 31 Rz 1, 10; Ernst/Lauko in Honsell, Kommentar zum UN-Kaufrecht, Art 31 Rz 30, 38; OLG Karlsruhe 19. 12. 2002, 19 U 8/02: „verladefertig“).

Auch Art 69 Abs 2 CISG setzt voraus, dass die individualisierte Ware effektiv zur Abholung für den Käufer bereitsteht, sodass er sie bei Holschulden ohne weiteres übernehmen kann. Befindet sich die Ware im Besitz eines Dritten, so ist sie „zur Verfügung gestellt“, sobald der Käufer die Ware vom Lagerhalter herausverlangen kann. Dies kann dadurch geschehen, dass ihm Dokumente übergeben werden, die den Herausgabeanspruch verbriefen, oder dadurch, dass der Verkäufer den Lagerhalter entsprechend anweist und dieser die Anweisung akzeptiert (Mankowski in Ferrari/Kieninger/Mankowski ua, Internationales Vertragsrecht² Art 69 CISG Rz 22 ff; Huber in MüKomm zum BGB7 Art 69 CISG Rz 12; Benicke aaO Art 69 CISG Rz 5; Hachem in Schlechtriem/Schwenzer, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art 69 CISG Rz 20; Achilles aaO Art 69 Rz 5, 10; Schönle/Th. Koller in Honsell, Kommentar zum UN-Kaufrecht, Art 69 Rz 17).

Die Entscheidung der Vorinstanzen steht mit dem klaren Wortlaut der zitierten Regelungen des UN-Kaufrechts im Einklang. Nach den Feststellungen hätte die B***** AG ohne die angeforderte schriftliche Zustimmungserklärung des Beklagten einen Ausbau der Tanks durch die Klägerin nicht zugestimmt. Mangels Erteilung dieser Zustimmung ist die Auffassung der Vorinstanzen, dass der Beklagte die Tanks noch nicht „zur Verfügung gestellt“ hatte, nicht unvertretbar.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Rechtsmittelbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Die verzeichnete Umsatzsteuer war nicht zuzusprechen, weil Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Unternehmer nicht der österreichischen Umsatzsteuer unterliegen. Mit einer kommentarlosen Verzeichnung von 20 % Umsatzsteuer wird im Zweifel nur die österreichische Umsatzsteuer angesprochen (RIS‑Justiz RS0114955). Da der Normalsteuersatz für die Schweiz nicht allgemein bekannt ist, könnte ausländische Umsatzsteuer nur zugesprochen werden, wenn Entsprechendes behauptet und bescheinigt würde, was hier nicht der Fall war (RIS‑Justiz RS0114955 [T4]; jüngst 5 Ob 68/17m).

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