Spruch:
Eine vor der Parzellierung auf Grund eines Konsenses der Baubehörde einverleibte wechselseitige "Cottage-Servitut" begrundet Privatrechte der Liegenschaftserwerber.
Entscheidung vom 23. April 1963, 8 Ob 112/63.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Kläger begehren festzustellen, daß die Bauführung der Beklagten auf der ihnen gehörigen Liegenschaft EZ. 844 KG. O. der zugunsten der Kläger als Eigentümer der Liegenschaften EZ. 485 bzw. 755 bzw. 835 bzw. 836 bzw. 837 bzw. 845 KG. O. eingetragenen Servitut widerspreche. Die Beklagten seien daher schuldig, die weitere Bauführung zu unterlassen und den bereits errichteten Bau, insbesondere das ausgebaute Dachgeschoß, wieder abzutragen. Die Kläger brachten vor, die Bauführung widerspreche der Servitut insofern, als nicht ein cottageähnliches, villenartiges Gebäude errichtet werde, sondern ein kompakter, städtischer Wohnblock nach Art eines Mehrfamilienhauses, sowie insoweit, als das ausgebaute Dachgeschoß eine komplette dritte Wohnebene bilde.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es ging im wesentlichen von nachstehendem Sachverhalt aus: Eine Urkunde für die gegenständliche bücherliche Eintragung, auf welche die Kläger ihr Begehren stützten, sei in der Urkundensammlung des Grundbuches nicht vorhanden. Die bücherliche Eintragung nehme nur auf einen Konsens der Gemeinde O. vom 17. Dezember 1885 Bezug. Mit diesem Konsens habe das Gemeindeamt dem Realitätenbesitzer Ferdinand O. mitgeteilt, daß die k. k. Bezirkshauptmannschaft H. dem von dem Genannten in Gemeinschaft mit Katharina Sch. und Barbara K. gestellten Ansuchen um Bewilligung der Parzellierung von Ackergrundstücken in Baustellen die Zustimmung unter gewissen Bedingungen erteilt habe, deren grundbücherliche Sicherstellung angeordnet worden sei. Das Erstgericht war der Ansicht, daß die gegenständliche bücherliche Eintragung zu Unrecht als Servitut bezeichnet worden sei. Es fehle nämlich an einem tauglichen Titel für die Begründung einer Dienstbarkeit. Der grundbücherlichen Eintragung liege nur der angeführte Konsens der Baubehörde zugrunde, der die Wahrung öffentlich-rechtlicher Belange zum Gegenstand gehabt habe. Dies folge auch daraus, daß die nunmehr zuständige Baubehörde, nämlich der Magistrat der Stadt W., mit Bescheid vom 12. Jänner 1961 die Löschung der Eintragung im Grundbuch für zulässig erklärt habe.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, bei der gegenständlichen bücherlichen Eintragung handle es sich nicht um eine Servitut, sondern um eine in die Form einer Dienstbarkeit gekleidete öffentlich-rechtliche Baubeschränkung. Im Zeitpunkt der gegenständlichen Eintragung habe eine, dem nunmehrigen § 130 der Wiener Bauordnung entsprechende Möglichkeit, Baubeschränkungen im Grundbuch ersichtlich zu machen, noch nicht bestanden. Als geeigneter Weg, die behördlich angeordnete bücherliche Sicherstellung der in die Form eines Konsenses gekleideten Baubeschränkungen durchzuführen, sei die Einverleibung einer Servitut angesehen worden. So habe sich die bücherliche Eintragung auch für jeden späteren Erwerber der Liegenschaft dargestellt. Auf Grund dieser unter ausschließlicher Bezugnahme auf den gemeinschaftlichen Konsens vorgenommenen bücherlichen Eintragung habe ein späterer Liegenschaftserwerber nicht mit einer echten Servitut rechnen können und müssen. Daran ändere auch nichts, daß lit. e der eingetragenen Baubeschränkung, wonach kein einen üblen Geruch verbreitendes, lärmendes oder sonst die Nachbarschaft belästigendes Gewerbe ausgeübt werden dürfe, in der vorgelegten, nicht beglaubigten Abschrift des gemeindeamtlichen Konsenses keine Deckung finde.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger Folge, hob die untergerichtlichen Urteile auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Mit Recht wenden sich die Kläger gegen die Ansicht der Vorinstanzen, bei der gegenständlichen bücherlichen Eintragung handle es sich nicht um eine Servitut, sondern um eine in die Form einer Dienstbarkeit gekleidete öffentlich-rechtliche Baubeschränkung. Nicht nur daß die gegenständliche Eintragung im Lastenblatt der Liegenschaft EZ. 844 KG. O. ausdrücklich als Servitut bezeichnet ist, sind auch die Einlagezahlen angeführt, zu deren Gunsten die Servitut bestellt ist. Insoweit entspricht die Eintragung den Erfordernissen der Verbücherung einer solchen Grunddienstbarkeit. Der Umstand, daß die Eintragung nur auf einen Konsens der Gemeinde O. Bezug nimmt, rechtfertigt nicht die von den Vorinstanzen gezogene Schlußfolgerung, es sei damals lediglich ein Weg gesucht worden, die von der Baubehörde anläßlich der Genehmigung der Parzellierung geforderte bücherliche Sicherstellung der gestellten Bedingungen durchzuführen, was auch für jeden späteren Liegenschaftserwerber erkennbar gewesen sei. Daß die Eintragung nur auf einen gemeindeamtlichen Konsens Bezug nimmt, schließt das Vorliegen eines privatrechtlichen Rechtsgrundes nicht aus. Diese Bezugnahme vermag insbesondere nicht die Tatsache aus der Welt zu schaffen, daß die eingetragenen Baubeschränkungen ausdrücklich als Servitut unter Anführung der herrschenden und dienenden Liegenschaften bezeichnet sind. Die Anführung bestimmter Nachbargrundstücke als herrschende Grundstücke würde durch die Annahme, es seien lediglich öffentliche Interessen für die bücherliche Eintragung maßgebend gewesen, nicht erklärt. Wäre es doch in diesem Fall naheliegender gewesen, eine Gebietskörperschaft als Begünstigte anzuführen. Es ist ohne weiteres denkbar, daß sich die von der Baubehörde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen und die privaten Interessen der die Eintragung im Grundbuche beantragenden Liegenschaftseigentümer im wesentlichen deckten und daß die Bezugnahme auf den gemeindeamtlichen Konsens nichts anderes besagt, als daß der Antrag der Einschreiter die erforderliche behördliche Genehmigung gefunden hat. Auch die Art der einverleibten Baubeschränkungen zwingt nicht zur Annahme, es habe sich lediglich um die bücherliche Sicherstellung öffentlich-rechtlicher Anordnungen gehandelt. Solche den Hausservituten verwandte Dienstbarkeiten, die im Interesse des herrschenden Grundstückes die Art der Verbauung des Nachbargrundstückes beschränken, können, worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat, auch Gegenstand von privatrechtlichen Servituten sein, die entweder das dienende Grundstück im Interesse einer Ortsgemeinde oder alle Grundstücke eines abgegrenzten Bezirkes wechselseitig mit der Pflicht belasten, den Grund nur in bestimmter Weise zu verbauen (vgl. Klang-komm.[2]. II, S. 555). Die einverleibte Servitut enthält keine Bestimmung, die nicht ohne weiteres Gegenstand einer solchen Dienstbarkeit sein könnte. Sollte unter dem in der bücherlichen Eintragung erwähnten Konsens das von den Beklagten vorgelegte, nicht beglaubigte Schreiben des Bürgermeisteramtes O. vom 17. Dezember 1885 zu verstehen sein, so würde dies eher gegen als für die Annahme einer lediglich öffentlich-rechtlichen Grundlage der bücherlichen Eintragung sprechen, weil lit. e der eingetragenen Servitut in diesem Schreiben nicht erwähnt ist und es daher in diesem Fall unerklärlich wäre, wieso es zu dieser Eintragung im Grundbuche kam. Haben, wie die Beklagten behaupten, im Zeitpunkt der Vornahme der bücherlichen Eintragung noch alle Grundstücke dem gleichen Eigentümer oder denselben Miteigentümern gehört, dann ist das Fehlen einer Vertragsurkunde ohne weiteres verständlich. An dem Wirksamwerden der Servitut nach dem Übergang emzelner dieser Liegenschaften an verschiedene Eigentümer ändert dies nichts (vgl. Klang-komm.[2], II, S. 550 f.).
Den Klägern ist daher darin beizupflichten, daß es sich bei den gegenständlichen im Grundbuch eingetragenen Baubeschränkungen jedenfalls auch um eine nach Privatrecht zu beurteilende Grunddienstbarkeit handelt, die nicht durch Maßnahmen der Baubehörde, die für die Servitut nur insoweit von Belang sein können, als durch die Servitut auch öffentliche Belange geschützt werden sollten, außer Wirksamkeit gesetzt werden kann. Die Eigentümer der herrschenden Grundstücke sind daher berechtigt, der eingetragenen Servitut widersprechende Bauführungen ungeachtet deren Genehmigung durch die Baubehörde zu untersagen.
Wird von dieser Ansicht ausgegangen, dann erweist sich, ohne daß auf die übrigen Revisionsgrunde eingegangen werden müßte, eine Erörterung der weiteren Einwendungen der Beklagten, insbesondere der Einwendung, die Bauführung widerspreche nicht der Servitut, als notwendig.
Es waren daher die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben, und die Sache war an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
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