OGH 8Ob10/65

OGH8Ob10/6522.4.1965

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmeisser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hammer, Dr. Sobalik, Dr. Gräf und Dr. Winkelmann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt Wien, vertreten durch die Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft "Siedlungs-Union" reg.Gen.m.b.H., Wien 22., Strassmayergasse 70, diese vertreten durch Dr. Heinz Damian, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Otto G*****, Straßenbahnbediensteter, ***** vertreten durch Dr. Elfriede Schrötter, Rechtsanwalt in Wien, unter Beitritt des Friedrich H*****, vertreten durch Dr. Elfriede Schrötter, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 28. Oktober 1964, GZ 45 R 647/64-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei und des Nebenintervenienten das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 20. Juli 1964, GZ 5 C 235/64-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und dem Nebenintervenienten je zur Hälfte die mit S 541,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der am 21. 2. 1964 eingebrachten und am gleichen Tag zu 5 K 29/64 des Erstgerichtes bewilligten Aufkündigung kündigte die Klägerin dem Beklagten das Mietverhältnis betreffend das Siedlungshaus Wien XXII., Stefan-Koblingergasse 9, für den 1. 6. 1964 unter Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 19 Abs 2 Z 11 MietG auf. Der Kündigungsgrund wurde dahin ausgeführt, daß die bisherige Mieterin dieses Siedlungshauses Maria Johanna G***** am 6. 8. 1962 verstorben sei. Ihr Nachlaß sei dem Beklagten als ihrem Sohn zwar eingeantwortet worden, doch habe dieser mit der verstorbenen Mieterin nicht im gemeinsamen Haushalt gelebt und fehle ihm der Bedarf nach dem aufgekündigten Objekt.

Der Beklagte und der dem Verfahren als Nebenintervenient auf Seiten des Gekündigten beigetretene Lebensgefährte der verstorbenen Vormieterin Friedrich H***** behaupteten in ihren Einwendungen gegen diese Aufkündigung, daß der Beklagte stets und insbesonders seit 1958 mit seiner Mutter im gemeinsamen Haushalt gelebt, mit ihr gewirtschaftet und sie zuletzt zusammen mit seiner Frau gepflegt habe. Der Beklagte sei daher in das Mietverhältnis seiner Mutter eingetreten. Außerdem sei dem Beklagten nach dem Tod seiner Mutter von Funktionären der klagenden Partei die Übertragung der Mietrechte seiner Mutter an ihn zugesagt worden, wenn der Lebensgefährte der Vormieterin auf sein Eintrittsrecht verzichte, was dieser getan habe. Auf den schriftlichen Antrag des Beklagten, ihm die Mietrechte seiner Mutter zu übertragen, habe er zunächst keine Antwort erhalten, erst ein Jahr nach dem Tod der Mutter sei der Mietvertrag zunächst außergerichtlich aufgekündigt worden, eine später erfolgte gerichtliche Aufkündigung sei zurückgezogen worden. Die nunmehr vorliegende Aufkündigung sei jedenfalls verspätet. Schließlich sei der Rechtsweg unzulässig, weil der Beklagte als Erbe seiner Mutter in deren Rechte als Mitglied der gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft "Siedlungs-Union" reg. Genossenschaft m.b.H. eingetreten sei und im Sinne der Bestimmungen des Mietvertrages vor Anrufung des Gerichtes ein Schiedsgericht einzuberufen sei. Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und gelangte im wesentlichen zu folgenden Feststellungen:

Durch einen Wohnungstausch sei die Mutter des Beklagten im Jahre 1951 Mitglied der gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft "Siedlungs-Union" reg.Gen.m.b.H. und Mieterin des nunmehr aufgekündigten Siedlungshauses geworden. Die Satzung der genannten Genossenschaft (Beil. ./B) und die Siedlungsordnung (Beil. ./C) würden teilweise den immer gleichbleibenden Rahmen der mit den einzelnen Mitgliedern der Genossenschaft bezüglich der Siedlungshäuser abgeschlossenen Mietverträge bilden. Insbesonders sei auch Pkt. 8 der Siedlungsordnung, wonach die aus der Innehabung des Siedlungsobjektes erwachsenden Rechte und Pflichten vererblich seien und bestimmt werde, daß im Falle des Todes eines Siedlers seine Erben die Innehabung des Siedlungsobjektes bis zum 31. Dezember jenes Jahres, in dem die Regelung des Nachlasses erfolge, jedoch durch mindestens 6 Monate fortsetzen, Inhalt des Mietvertrages. Die Innehabung des Siedlungshauses könne nur von einer Person ausgeübt werden, die anstelle des Erblassers seinen Geschäftsanteil und seine Mitgliedschaft übernehme und in alle Rechte und Pflichten des Erblassers gegenüber der Genossenschaft eintrete, wobei diese Person den Voraussetzungen des Pkt. 6 der Siedlungsordnung entsprechen müsse. Gemäß diesem Punkt der Siedlungsordnung bedürfe die Zuweisung der Siedlerstelle, bzw des Siedlerhauses in jedem Falle der vorhergehenden Zustimmung der Klägerin. Die Genossenschaft sei verpflichtet, die zuständigen Amtsstellen der Klägerin von der in Aussicht stehenden Veränderung in der Person des Inhabers eines Bestandobjektes in Kenntnis zu setzen. Wenn die Klägerin die Zuweisung vom Zutreffen bestimmter Voraussetzungen abhängig mache, kämen nur solche Bewerber in Betracht, für die diese Voraussetzungen bestünden. Über die Aufkündigung eines Bestandobjektes seitens des Vermieters seien in der Siedlungsordnung keine Bestimmungen enthalten.

Der Beklagte habe sich nach dem Einzug seiner Mutter in das Siedlungshaus dort bis zum Jahre 1953 ständig aufgehalten. Obwohl er bereits im Jahre 1952 geheiratet habe, sei er erst 1 Jahr später in die Wohnung seiner Gattin Margit G***** gezogen und habe mit dieser bis zur Scheidung der Ehe im Jahre 1956 gemeinsam gewohnt. Nach der Scheidung seiner Ehe habe der Beklagte ungefähr ein halbes Jahr wieder ständig bei seiner Mutter gewohnt. Dann habe sich der Beklagte mit seiner geschiedenen Gattin wieder verehelicht. In der Folge hätten der Beklagte und seine Gattin abwechselnd im Siedlungshaus der Mutter und in der Wohnung der Margit G***** genächtigt und habe die Mutter des Beklagten zeitweise für ihn und die Schwiegertochter gekocht. Im Jänner 1962 habe die Mutter des Beklagten einen Selbstmordversuch unternommen und sei darauf zwei bis drei Monate in Anstaltspflege gewesen. Schließlich habe der Beklagte und seine Gattin die Mutter gegen Revers aus der Anstalt genommen. Seither sei der Beklagte je nachdem, ob es seiner Mutter mehr oder weniger gut gegangen sei, für gewisse mehrwöchige Zeiträume zusammen mit seiner Gattin in das Siedlungshaus zurückgekehrt. Während des letzten halben Jahres vor dem Tod der Mutter sei der Beklagte und seine Gattin täglich in das Siedlungshaus gekommen, um Maria G***** zu pflegen und hätten diese erst in der Früh wieder verlassen. Am 6. 8. 1962 sei die Mutter des Beklagten verstorben. Ihr Nachlaß sei dem Beklagten als Alleinerbe auf Grund eines Testamentes mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 8. 10. 1962, 1 A 678/62-7, eingeantwortet worden.

Dem Beklagten sei nie von der Klägerin die verbindliche Zusage gemacht worden, daß er als Nachfolger seiner Mutter in deren Mietrechten des Siedlungshauses anerkannt werde. Wohl hätten sich zwei Funktionäre der Genossenschaft dem Sinne nach gegenüber dem Beklagten und seiner Gattin beruhigend geäußert, daß keine Bedenken gegen die Umschreibung der Siedlerrechte bestehen würden, doch habe die Genossenschaft dem Magistrat der Stadt Wien in einem Schreiben vom 14. 3. 1963 mitgeteilt, daß die vom Beklagten begehrte Übertragung der Mietrechte nicht zu befürworten sei. Auf Grund dieser Mitteilung sei der Beklagte am 28. Mai 1963 von der Magistratsabteilung 52 der Klägerin vernommen worden. Dabei habe der Beklagte angegeben, daß er wohl bis 1953 im Siedlungshaus seiner Mutter gewohnt habe und dorthin nach Scheidung seiner Ehe zurückgekehrt sei. Obwohl er seit Oktober 1956 wieder in die Wohnung seiner Frau gezogen sei, hätte er infolge der Kränklichkeit seiner Mutter oft bei ihr übernachten müssen und sich deshalb auch am 30. 6. 1958 in ihrem Siedlungshaus als Untermieter mit einer Doppelmeldung polizeilich gemeldet. Auf Grund dieser Ergebnisse habe die Magistratsabteilung 52 der Klägerin am 30. 5. 1963 die "Siedlungs-Union" angewiesen, gegen den Beklagten die Aufkündigung einzubringen. Außer Streit stehe, daß bis August 1963 der Beklagte auf das Zinsbuch seiner Mutter den Mietzins für das Siedlungshaus bezahlt habe. Eine anfangs Jänner 1964 eingebrachte gerichtliche Aufkündigung sei wegen eines Formfehlers zurückgezogen worden. In rechtlicher Beziehung gelangte das Erstgericht zu folgenden Ergebnissen:

Die Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes bestehe für die vorliegende Rechtssache nicht, da ein Schiedsgericht nur für Streitigkeiten aus dem Verbandsverhältnis nicht aber für solche aus der Auflösung des Mietverhältnisses vereinbart worden sei. Die Kündigung sei auch nicht verspätet, weil der Beklagte als Erbe der Vormieterin auf Grund der Satzung der "Siedlungs-Union" das Mietverhältnis mindestens 6 Monate nach dem Tode seiner Mutter fortsetzen durfte, und dieses daher frühestens zum 1. 3. 1963 hätte aufgekündigt werden können. Da für die Klägerin und die in ihrem Auftrage und ohne eigene Entscheidungsbefugnis die Verwaltung des aufgekündigten Siedlungshauses führende Genossenschaft mit erheblichen Verzögerungen in der Willensbildung gerechnet werden müsse, habe der Beklagte bis zur vorliegenden Aufkündigung noch nicht der Meinung sein können, daß auf die Aufkündigung verzichtet worden sei, zumal er von Funktionären der "Siedlungs-Union" wiederholt auf die noch ausständige Entscheidung der Mag. Abt. 52 hingewiesen worden sei. Auch das Eintrittsrecht des Beklagten in die Mietrechte seiner Mutter sei nicht gegeben, da sein häufiger und zuletzt ständiger Aufenthalt im Siedlungshaus der Mutter nur deren Pflege diente und er mit seiner Mutter keinen gemeinsamen Haushalt führte. Außerdem sei der Beklagte in der Wohnung seiner Frau ausreichend wohnversorgt, auch wenn er nicht selbst Hauptmieter dieser Wohnung sei. Es müsse daher die Aufkündigung für rechtswirksam erklärt werden.

Das Berufungsgericht hob die Aufkündigung auf. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und war ebenfalls der Meinung, daß die Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes nicht gegeben sei, ging aber in rechtlicher Beziehung davon aus, daß die Aufkündigung verspätet sei, weil der Klägerin zur Geltendmachung des Kündigungsgrundes nicht ein Zeitraum von fast 1 1/2 Jahren zugebilligt werden könne. Der Beklagte habe darauf vertrauen können, daß nach Verstreichen eines so langen Zeitraumes seine im Erbweg erworbenen Mietrechte unangetastet bleiben, wobei er in dieser Vermutung noch dadurch bestärkt worden sei, daß sich Funktionäre der "Siedlungs-Union" gegenüber dem Beklagten und seiner Gattin beruhigend in dem Sinne äußerten, es bestünden keine Bedenken gegen die Umschreibung der Siedlerrechte. Die Klägerin habe schon innerhalb eines Zeitraumes von 7 Monaten nach der Einantwortung des Nachlasses an den Beklagten die "Siedlungs-Union" ersucht, die Aufkündigung einzubringen. Damals sei der vorliegende Sachverhalt bereits zur Gänze bekannt gewesen, so daß das Zuwarten mit der Aufkündigung durch weitere 7 oder 8 Monate auch dann nicht als gerechtfertigt angesehen werden könne, wenn berücksichtigt werde, daß ein sehr großer Verwaltungsaufwand für die zahlreichen Siedlungshäuser der Klägerin erforderlich sei. Es gehe auch nicht an, durch die Verweigerung der Zinsannahme die Möglichkeit der Aufkündigung grundlos hinauszuschieben. Die klagende Partei könne deshalb den Kündigungsgrund nach § 19 Abs 2 Z 11 MietG nicht mehr mit Erfolg geltend machen.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die vorliegende Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß das Urteil I. Instanz wiederhergestellt werde; hilfsweise wird beantragt, das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Untergerichte zurückzuverweisen. Der Beklagte sowie der Nebenintervenient beantragen in der von ihnen gemeinsam erstatteten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes müssen Kündigungen in der Regel ohne unnötigen Aufschub geltend gemacht werden, weil sonst anzunehmen ist, daß der Vermieter entweder den Tatbestand nicht als einen wichtigen Kündigungsgrund werte oder auf seine Geltendmachung verzichtet wurde (SZ XXI 166, MietSlg 3349, 8222, 8 Ob 230, 231, 232/64 ua). Insbesonders ist auch eine auf § 19 Abs 2 Z 11 MietG gestützte Aufkündigung ehebaldigst einzubringen (MietSlg 3270, 4056, 4057 ua). Wohl muß dem Vermieter gerade bei diesem Kündigungsgrund ein längerer Zeitraum zugebilligt werden, um sich Kenntnis über die näheren Verhältnisse des Rechtsnachfolgers des Mieters sowie darüber zu verschaffen, ob eintrittsberechtigte Personen vorhanden sind und deren Wohnungsbedarf ein dringender ist (MietSlg 4125, 8222 ua), doch dürfen die Angehörigen des verstorbenen Mieters nicht allzu lange in Zweifel gelassen werden, ob ihr Eintritt anerkannt werde, denn auch hier, also in einem Falle eines Dauertatbestandes als Kündigungsgrund bedeutet die anhaltende Unterlassung der Rechtsausübung einen Verzicht auf das Recht, wenn nach den Verhältnissen des Einzelfalles der Gegner des Berechtigten darauf vertrauen durfte, daß "das Geschäft endgültig abgewickelt sei" (vgl Gschnitzer in Klang2 IV S 81).

Im vorliegenden Fall ergab sich bereits nach der am 8. 10. 1962 erfolgten Einantwortung des Nachlasses der Mieterin eine vollkommen klare Rechtslage in Bezug auf die Person ihres Rechtsnachfolgers. Die Klägerin war daher seit diesem Zeitpunkt in der Lage, Erhebungen über die für das Eintrittsrecht des Beklagten nach § 19 Abs 2 Z 11 MietG maßgebenden Verhältnisse zu pflegen. Sie war auch durch die, wie die Untergerichte feststellten, Inhalt des Mietvertrages bildende Bestimmung des Pkt. 8 Abs 2 der Siedlungsordnung, wonach im Falle des Todes eines Mieters dessen Erben die Innehabung des Siedlungsobjektes bis zum 31. Dezember jenes Jahres, in welchem die Regelung des Nachlasses erfolgt, jedoch durch mindestens 6 Monate fortsetzen, nicht gehindert, schon vor Ablauf dieser Frist zu deren Endtermin die Aufkündigung einzubringen.

Da die klagende Partei es jedoch unterließ, für diesen Zeitpunkt das Bestandverhältnis aufzukündigen und sie nicht einmal nach der Befragung des Beklagten am 28. 5. 1963 durch die MA 52, bei welcher Gelegenheit die Klägerin über die das Eintrittsrecht des Beklagten betreffenden persönlichen Verhältnisse vollständige Kenntnis erlangte, sogleich die Entgegennahme des Mietzinses einstellte, sondern diesen noch durch mehrere Zinstermine bis 1. 9. 1963 vorschrieb, durfte der Beklagte bereits vor Erhalt der außergerichtlichen Aufkündigung darauf vertrauen, daß "das Geschäft endgültig abgewickelt sei", also die Klägerin im Sinne der freilich unverbindlichen Äußerungen der Funktionäre der "Siedlungs-Union" mit einer Übertragung der Bestandrechte seiner bereits vor Jahresfrist verstorbenen Mutter auf ihn einverstanden war, zumal für den Beklagten doch kein Grund ersichtlich war, warum die Klägerin seinen Antrag auf Übertragung der Mietrechte solange Zeit unbeantwortet ließ. Selbst wenn der Klägerin im Sinne der Auffassung des Erstgerichtes mit Rücksicht auf ihre Organisation der Verwaltung der städtischen Liegenschaften eine längere Überlegungsfrist zugebilligt werden könnte, ergab doch das Verfahren keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß im besonderen Fall organisatorische oder technische Schwierigkeiten außergewöhnlicher Art, die dem Beklagten bekannt waren oder bekannt hätten sein können, die Entscheidung der Klägerin über die Geltendmachung ihres Kündigungsrechtes während eines Zeitraumes von mehr als 1 Jahr hinderten. Im Gegenteil: Nach der Befragung des Beklagten am 28. 5. 1963 wurde nach den Feststellungen der Untergerichte schon am 30. 5. 1963, also 2 Tage darauf, die "Siedlungs-Union" von der Klägerin beauftragt, die Aufkündigung einzubringen. Damit fiel die Entscheidung der Klägerin, wenn auch im Hinblick auf den Tod der Mieterin im August 1962 und im Hinblick auf den Inhalt des Schreibens der "Siedlungs-Union" an die Klägerin vom 14. 3. 1963, wonach die Übertragung der Bestandrechte an den Beklagten nicht befürwortet werde, sehr spät, so doch immerhin rasch nach der schließlich eigenen Feststellung der für das Eintrittsrecht des Beklagten gemäß § 19 Abs 2 Z 11 MietG maßgebenden Verhältnisse. Daß die "Siedlungs-Union" dem ihr erteilten Auftrag der Klägerin zur Einbringung der Aufkündigung durch weitere 3 Monate überhaupt nicht, dann zunächst nur mit untauglichen Mitteln (außergerichtliche Aufkündigung im August 1963 und fehlerhafte Aufkündigung im Jänner 1964) und schließlich erst nach Ablauf von weiteren 6 Wochen im Februar 1964 nachkam, hat die Klägerin, die nicht einmal in der Revision Gründe für diese Verzögerung aufzuzeigen in der Lage war, zu vertreten. Es kann daher keine Rede davon sein, daß im vorliegenden Fall der Kündigungsgrund ohne unnötigen Aufschub geltend gemacht wurde, vielmehr konnte der Beklagte aus dem ihm erkennbaren Verhalten der Klägerin spätestens im August 1963 berechtigt der Annahme sein, daß die Klägerin den ihr bekannten Tatbestand nicht als wichtigen Kündigungsgrund wertete und sie auf seine Geltendmachung verzichtete. Die Ausführungen der Revision sind nicht geeignet, eine andere rechtliche Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes zu begründen:

Daß die Untergerichte keine rechtsverbindliche Zusage der Klägerin, das Mietverhältnis mit dem Beklagten fortsetzen zu wollen, feststellten, ist belanglos, da im Falle einer solchen Zusage sich eine Erörterung darüber erübrigen würde, ob ein stillschweigender Verzicht der Klägerin auf den geltend gemachten Kündigungsgrund vorliegt. Aus den festgestellten wiederholten Äußerungen der Funktionäre der "Siedlungs-Union" zum Beklagten, daß die Entscheidung der Mag. Abt. 52 über den Übergang der Mietrechte auf ihn noch ausstehe, ist für die Klägerin nichts zu gewinnen, da der Beklagte selbst wußte, daß sein schriftlicher Antrag auf Übertragung der Mietrechte nicht erledigt worden war. Obwohl in der Regel angenommen werden kann, daß ein schriftlich gestellter Antrag auf Abschluß eines Vertrages auch eine schriftliche Erledigung erfährt, ist doch auch in einem solchen Fall das Zustandekommen eines Vertrages unter den Voraussetzungen des § 863 ABGB nicht ausgeschlossen. Das gilt für die klagende Partei ebenso wie für jeden anderen Vertragspartner. Keineswegs ist es richtig, daß der Beklagte aus dem Ergebnis seiner Vernehmung (richtig: Befragung) im Mai 1963 durch die Mag. Abt. 52 habe erkennen müssen, daß in seiner Angelegenheit nicht zu seinen Gunsten entschieden würde. Wenn man schon nicht die Auffassung vertritt, daß die Klägerin im Hinblick darauf, daß seit dem mehr als 9 Monate zurückliegenden Tod der Mieterin zur Auflösung des Mietvertrages nichts unternommen wurde, bereits damals (Mai 1963) das Recht zur Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 19 Abs 2 Z 11 MietG verloren hatte, so konnte der Beklagte gerade aus dem Umstand, daß ihm nach seiner Befragung im Mai 1963 noch immer durch mehrere Monate keine Kündigung zukam, annehmen, die Klägerin verzichte auf die Geltendmachung des vorliegenden Kündigungsgrundes. Daß ein Eintritt des Beklagten in die Mietrechte seiner Mutter nach dem Gesetz unmöglich war, wie die Revision meint, ist unrichtig. Denn gemäß § 1116a ABGB wird durch den Tod eines der vertragsschließenden Teile der Bestandvertrag nicht aufgehoben. Der mit der Mutter des Beklagten geschlossene Vertrag konnte und kann, da der Vertrag eine Wohnungsmiete zum Gegenstand hat, dem Beklagten als Erben der Bestandnehmerin ohne Rücksicht auf die vereinbarte Dauer, unter Einhaltung der gesetzlichen Aufkündigungsfrist aus den im § 19 MietG genannten Gründen und in der im § 21 MietG bezeichneten Weise gelöst werden. Unterbleibt eine solche Auflösung, dann setzt der Erbe den Mietvertrag fort, ist also - allerdings nicht im Sinne des § 19 Abs 2 Z 11 MietG - in diesen eingetreten.

Es kann daher auch nicht der Auffassung der Revision beigetreten werden, daß im vorliegenden Falle wegen der Gesetzwidrigkeit des gegenwärtigen Zustandes bei der Beurteilung der Frage "ob zugunsten des Beklagten § 863 ABGB anzuwenden sei" ein besonders strenger Maßstab am Platze wäre. Daran ändert auch nichts, daß das aufgekündigte Bestandobjekt nach den Feststellungen der Untergerichte keinem dringenden Wohnbedürfnis des Beklagten dient, weil dieser Umstand Tatbestandsmerkmal des geltend gemachten Kündigungsgrundes ist.

Aus diesen Erwägungen erweist sich die Revision als nicht begründet. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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