OGH 8Ob1023/95

OGH8Ob1023/9516.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.John M*****, vertreten durch Dr.Rudolf Tobler und andere Rechtsanwälte in Neusiedl am See, Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei R***** reg.Gen.m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Walter Boss, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, wider die beklagte Partei Dr.Michael K*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der L***** GesmbH (S*****), Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Feststellung einer Konkursforderung von S 2,105.334,71 sA (Revisionsstreitwert S 2,098.134,71 sA) infolge außerordentlicher Revisionen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 1.September 1995, GZ 3 R 95/95-44, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei werden gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen war der Kläger bei der späteren Gemeinschuldnerin bereits seit 1.April 1983 als Leiter der Reifenentwicklung beschäftigt, wobei es immer wieder zu Stockungen der Gehaltsauszahlung von einigen Monaten kam, die offenen Entgeltforderungen aber dann vom Arbeitgeber jeweils abgedeckt wurden. Im vorliegenden Fall kann daher - anders als in dem Gegenstand der Beschlüsse des Obersten Gerichtshofes 8 ObS 13/95 und 8 ObS 20/94 bildenden Fall, in dem schon ab Beginn des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber keinerlei Entgeltzahlungen geleistet wurden - nicht davon ausgegangen werden, daß die Vertragspartner bei Abschluß des Arbeitsvertrages zumindest in Kauf nahmen, daß das Entgelt nicht vom Arbeitgeber, sondern von einem am Vertragsabschluß nicht beteiligten Dritten zu tragen sein werde; auch mit dem der Entscheidung JBl 1956, 475 zugrundeliegenden Sachverhalt - Abschluß eines Dienstvertrages in einem USIA-Betrieb nach Abschluß des Staatsvertrages zu Lasten der Republik Österreich - ist aus diesem Grund der vorliegende Fall nicht vergleichbar.

Weiters haben die Vorinstanzen - für den Obersten Gerichtshof bindend - festgestellt, daß der Kläger darauf vertraute, daß Oskar S*****, so wie schon zuvor, Geld für die Gehaltszahlungen der Mitarbeiter auftreiben werde, und daß der Kläger von der dauernden Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin bis zu seinem Austritt am 30. September 1992 nichts wußte. Der Kläger wurde ebenso wie andere Mitarbeiter durch Hinweise des Oskar S***** und des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin auf vorliegende Aufträge und Bemühungen um weitere Aufträge sowie über zu erwartende Erlöse aus Verkäufen beruhigt, wobei Oskar S***** und der Geschäftsführer immer wieder baldige Zahlungen auf die offenen Gehaltsforderungen der Arbeitnehmer versprachen. Erst als sein Gehaltskonto infolge Ausbleibens der Gehaltszahlungen seit November 1990 mit rund S 1,200.000 überzogen war und die übrigen Arbeitnehmer austraten, sodaß es in seinen Augen nur mehr wenig Hoffnung für die Gemeinschuldnerin gab, erklärte auch er seinen Austritt. Bisdorthin führte die spätere Gemeinschuldnerin Verkaufsverhandlungen mit anderen Reifenerzeugungsunternehmen, an welchen Verhandlungen auch der Kläger beteiligt war und die nach seiner Ansicht bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht gescheitert waren.

Geht man davon aus, daß der Kläger bis zu seinem Austritt darauf

vertraute, daß seine offenen Gehaltsforderungen von der Arbeitgeberin

beglichen würden, dann geht ihm gegenüber der Vorwurf der

Revisionswerber, er habe mit der Überziehung seines Gehaltskontos und

der Unterlassung des Austritts rechtsmißbräuchlich zu Lasten des

Insolvenz-Ausfallgeldfonds gehandelt, ins Leere, da bloße

Vermögensinteressen Dritter grundsätzlich nur gegen vorsätzliche

Schädigung geschützt werden, wobei allerdings bedingter Vorsatz

ausreicht (siehe WBl 1992, 333 = RdW 1992, 340 = GesRZ 1993, 164; WBl

1994, 167 = ÖBA 1994/436; im Bereich des Sozialversicherungsrechts:

SSV-NF 7/19 = DRdA 1994/5 [krit M.Binder]; SZ 66/45; ZAS 1995/2 und 3

[zust Brodil]).

Soweit sich die Revisionswerber auf § 28 Z 1 und 2 KO iVm § 36 KO berufen, ist ihnen zu erwidern, daß von diesen Bestimmungen ebenso wie von den im wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmungen der §§ 2 Z 1 und 2 sowie 7 AnfO nach dem klaren Wortlaut des § 36 KO (§ 7 AnfO) nur Unterlassungen erfaßt werden, durch die der Gemeinschuldner ein Recht gegenüber dem Anfechtungsgegner verliert oder durch die vermögensrechtliche Ansprüche des Anfechtungsgegners gegen ihn begründet, erhalten oder gesichert werden. Die Unterlassung des Antrages auf Konkurseröffnung durch den Gemeinschuldner kann unter diesen Begriff wohl nicht subsumiert werden, zumal der Gesetzgeber die Folgen der Kenntnis bzw der fahrlässigen Unkenntnis des Anfechtungsgegners von dieser rechtswidrigen Unterlassung des Gemeinschuldners mit dem Sondertatbestand des § 31 KO erfaßt hat.

Da demnach eine Anfechtung der Unterlassung des Antrages auf Konkurseröffnung durch den Gemeinschuldner nach § 28 KO iVm § 36 KO nicht möglich ist und gerade zur Frage der sittenwidrigen Belastung des Sozialversicherungsträgers durch Vertragsabschlüsse, an denen dieser nicht beteiligt ist, eine ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt, von der das Berufungsgericht nicht abgewichen ist, ist die außerordentliche Revision unzulässig.

Den Ausführungen der Revisionswerber, es sei undenkbar, daß ohne Existenz des Insolvenz-Ausfallgeldfonds die Raiffeisenkasse K***** (Nebenintervenientin auf Seiten des Klägers) in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der späteren Gemeinschuldnerin die Löhne zwei Jahre hindurch vorfinanziert hätte; die Vorfinanzierung der Löhne zu Lasten des in die Kreditgewährung nicht eingeschalteten Insolvenz-Ausfallgeldfonds sei sittenwidrig, ist zu erwidern, daß im vorliegenden Fall über einen allfälligen Schadenersatzanspruch des Insolvenz-Ausfallgeldfonds gegen die die Löhne vorfinanzierende Bank, die auch Kreditgeberin der Gemeinschuldnerin war (Ersturteil S 16) und - folgt man der Aussage des Geschäftsleiters der Raiffeisenkasse, des Zeugen Michael H*****, AS 125 f - jedenfalls seit 1991 wußte, daß die spätere Gemeinschuldnerin keine Löhne mehr zahlte, nicht abzusprechen ist.

Soweit die Revisionswerber zu dieser Frage auch deutsche Literatur und Rechtsprechung zitieren, ist ihnen zu erwidern, daß dort nach § 141 k Arbeitsförderungsgesetz der Anspruch auf Konkursausfallgeld von dem (vorfinanzierenden) Dritten geltend zu machen ist, dem er vor Stellung des Antrages übertragen worden ist und daß überdies mit einer Novelle vom 14.Dezember 1987 mit Wirkung vom 1.Jänner 1988 die einen offenbar häufigen Fall sittenwidriger Vorfinanzierung auch ausdrücklich erfassende Vorschrift des Abs 2a in diese Bestimmung eingefügt wurde, um eine mißbräuchliche Inanspruchnahme der Konkursausfallgeldversicherung durch das vorfinanzierende Kreditinstitut hintanzuhalten (siehe Hess, Kommentar zur dKO4, § 141 k AFG Rz 1 und 39 ff).

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