OGH 8Nc36/19i

OGH8Nc36/19i29.11.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj F***** L*****, geboren am ***** 2018, Mutter S***** L*****, wegen § 111 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0080NC00036.19I.1129.000

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 16. September 2019, GZ 2 Ps 64/19a‑12, gemäß § 111 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Perg wird genehmigt.

 

Begründung:

Die Obsorge für die Minderjährige kommt nach dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 16. 8. 2019 beiden Eltern gemeinsam zu. Der überwiegende Aufenthalt liegt bei der Mutter, die im Juli 2019 mit dem Kind in den Sprengel des Bezirksgerichts Perg übersiedelt ist.

Am 23. 7. 2019 erschien die Mutter zum Amtstag beim Bezirksgericht Perg und gab einen Antrag auf gerichtliche Regelung des Kontaktrechts des Vaters zu Protokoll. Das Bezirksgericht St. Pölten stellte das ihm übermittelte Protokoll dem Vater zur Äußerung zu.

Mit Beschluss vom 16. 9. 2019 übertrug das Bezirksgericht St. Pölten die Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache wegen des Wohnsitzwechsels des Kindes dem Bezirksgericht Perg. Dieses lehnte die Übernahme mit der Begründung ab, das übertragende Gericht habe das Obsorgeverfahren geführt und auch im Kontaktrechtsverfahren bereits Verfahrensschritte gesetzt.

Das übertragende Gericht legte aufgrund dieser Weigerung nach Rechtskraft seines Übertragungsbeschlusses den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Zuständigkeitsübertragung ist zu genehmigen.

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das bisher zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse eines Minderjährigen oder sonst Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Ausschlaggebendes Kriterium für die Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 JN ist immer das Kindeswohl (RIS‑Justiz RS0047074 [T1]).

Dabei nimmt die Rechtsprechung an, dass der pflegschaftsgerichtliche Schutz in der Regel am besten durch jenes Gericht gewährleistet wird, in dessen Sprengel sich das Kind aufhält (RS0047300 [T1, T23]). Eine Zuständigkeitsübertragung ist daher grundsätzlich zu genehmigen, wenn der Lebensmittelpunkt des Kindes – wie hier – in den Sprengel eines anderen als des bisher zuständigen Bezirksgerichts verlagert wird (RS0047300 [T11]).

Offene Anträge sprechen nicht grundsätzlich gegen eine Zuständigkeitsübertragung (RS0046895 ua). Es kann zwar eine Sachbearbeitung durch das bisher zuständige Gericht etwa wegen besonderer Sachkenntnisse, eines stärkeren Sachbezugs oder schon durchgeführter, insbesondere unmittelbarer Beweisaufnahmen unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls vorteilhafter sein (RS0047032 [T5a]). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

Das in der Stellungnahme des Bezirksgerichts Perg angeführte Obsorgeverfahren war bei Fassung des Übertragungsbeschlusses bereits rechtskräftig abgeschlossen. Im Kontaktrechtsverfahren, das von der Mutter noch dazu in persönlicher Vorsprache bereits beim Bezirksgericht Perg eingeleitet wurde, haben noch keinerlei Beweisaufnahmen stattgefunden. Die bloße Übermittlung des Antragsprotokolls an den Vater zur Stellungnahme ist kein Verfahrensschritt, der ein Hindernis für die Übertragung der Zuständigkeit bilden kann.

Unter Berücksichtigung aller Umstände dient die Übertragung daher dem Kindeswohl.

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