European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0080NC00016.19Y.0605.000
Spruch:
Als örtlich zuständiges Gericht wird das Bezirksgericht Innere Stadt Wien bestimmt.
Begründung:
Die Klägerin mit Sitz in Österreich begehrt vom beklagten ausländischen Staat die Zahlung eines Werklohns/Honorars von 9.000 EUR.
Das von der Klägerin angerufene Bezirksgericht Innere Stadt Wien wies die Klage zurück, weil der Beklagte völkerrechtliche Immunität genieße und nicht der inländischen Gerichtsbarkeit unterstehe. Der Klage seien auch keine Anhaltspunkte für eine örtliche Zuständigkeit zu entnehmen.
Dem dagegen von der Klägerin erhobenen Rekurs gab das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien nicht Folge. Die Klägerin mache einen privatrechtlichen und damit nicht von der Immunität erfassten Anspruch gegenüber dem Beklagten geltend. Die inländische Gerichtsbarkeit sei daher zu bejahen. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts lasse sich aus den österreichischen Zuständigkeitsnormen jedoch nicht ableiten. Die Klägerin, die fälschlich davon ausgehe, den Beklagten am Sitz der Botschaft klagen zu können, könne weder den Gerichtsstand nach § 99 Abs 1 noch Abs 3 JN in Anspruch nehmen.
Nach Rechtskraft dieses Beschlusses legte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien nunmehr den Akt zur Entscheidung über den von der Klägerin im Rekurs hilfsweise gestellten Ordinationsantrag nach § 28 Abs 1 Z 2 JN vor. Darin macht die Klägerin zusammengefasst geltend, dass sie vom Botschafter des Beklagten in Österreich mit der Einrichtungsplanung sowie der örtlichen Bauaufsicht betreffend das in 1010 Wien befindliche Botschaftsgebäude beauftragt worden sei. Der notwendige inländische Bezug sei gegeben. Die Prozessführung im Irak wegen eines vermögensrechtlichen Anspruchs gegen eben diesen Staat sei nicht zumutbar. Das weitgehend dysfunktionale politische System samt der überwiegend nur mehr in großen Städten funktionierenden Verwaltung, die höchst instabile Sicherheitslage und die zunehmende Anzahl von Menschenrechtsverletzungen in Teilen des Staatsgebiets ließen die Vermutung zu, dass eine unparteiische gerichtliche Entscheidung bei der Geltendmachung der aushaftenden Forderung im Irak nicht zu erwarten wäre. Jedenfalls wäre mit einer überlangen Verfahrensdauer und hohen Prozesskosten einschließlich Reise- und Übersetzungskosten zu rechnen, seien alle zu vernehmenden Parteien und Zeugen in Österreich aufhältig. Schließlich bestehe keine vertragliche Grundlage über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zwischen Österreich und Irak.
Rechtliche Beurteilung
Die Voraussetzungen für eine Ordination durch den Obersten Gerichtshof sind gegeben.
1.1 Die Ordination steht unter der Prämisse, dass ein Gerichtsstand im Inland fehlt oder sich nicht ermitteln lässt und die Rechtssache nicht – etwa aufgrund des Vorliegens einer völkerrechtlichen Immunität – der inländischen Gerichtsbarkeit (im engeren Sinn) entzogen ist (vgl RIS‑Justiz RS0118239; Mayr in Rechberger 4 § 28 JN Rz 1 f). Die Z 1 und 3 des § 28 Abs 1 JN setzen darüber hinaus die internationale Zuständigkeit voraus. Demgegenüber wird durch die Bestimmung des § 28 Abs 1 Z 2 JN, auf die sich die Klägerin hier stützt, die internationale Zuständigkeit Österreichs erweitert, indem eine Notkompetenz für den Fall, dass die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar ist, eröffnet wird (6 Nc 1/19b; Garber in Fasching/Konecny 3 § 28 JN Rz 22).
1.2 An eine rechtskräftige Entscheidung über die (fehlende) örtliche bzw internationale Zuständigkeit in einem vorausgehenden Verfahren ist der Oberste Gerichtshof gebunden (RS0046568; 3 Nc 3/18y ua; Garber aaO § 28 JN Rz 20 und 25).
1.3 Wird ein Ordinationsantrag als Eventualantrag für den Fall gestellt, dass das angerufene Gericht seine örtliche Zuständigkeit nicht bejaht, dann hat das in der Hauptsache angerufene Gericht zwar über die Zuständigkeit zu entscheiden, darf die Klage aber nicht zurückweisen (RS0128796; zuletzt 4 Nc 6/19y).
Die bereits erfolgte Zurückweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit steht dem Ordinationsantrag jedoch nicht entgegen. Im Fall seiner Stattgebung ist die Klage neu beim ordinierten Gericht einzubringen (jüngst etwa 8 Nc 24/18y; Garber aaO § 28 JN Rz 134).
2. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat mit seinem in Rechtskraft erwachsenen Beschluss vom 19. 3. 2019 die Zurückweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien bestätigt. In den Entscheidungsgründen hat es die inländische Gerichtsbarkeit im engeren Sinn zutreffend bejaht, weil der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf privatgeschäftlichen Akten des Beklagten beruht (RS0045581; vgl zu Bauarbeiten an einem Botschafterpalais: SZ 2/1; zum Abschluss eines entsprechenden Architektenvertrags: 1 Ob 100/98g; Matscher in Fasching/Konecny 3 Art IX EGJN Rz 215). Hingegen liegt die internationale Zuständigkeit nach § 27a JN mangels eines Gerichtsstands in Österreich nicht vor.
3.1 § 28 Abs 1 Z 2 JN soll Fälle abdecken, in denen trotz Fehlens eines Gerichtsstands im Inland ein Bedürfnis nach Gewährung inländischen Rechtsschutzes vorhanden ist, weil ein Naheverhältnis zum Inland (seit der WGN 1997: inländischer Kläger oder Kläger mit Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland) besteht und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland nicht gegeben ist (6 Nc 1/19b; Garber aaO § 28 JN Rz 54).
3.2 Die Klägerin erfüllt die erste der beiden von § 28 Abs 1 Z 2 JN aufgestellten Voraussetzungen mit ihrem Sitz im Inland.
3.3 Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland wird in der Rechtsprechung und Lehre insbesondere dann bejaht, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt oder vollstreckt wird, eine dringende Entscheidung im Ausland nicht rechtzeitig erreicht werden kann, eine Prozessführung im Ausland wenigstens eine der Parteien politischer Verfolgung aussetzen würde oder im Ausland äußerst kostspielig wäre (RS0046148).
Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland wird aber auch im Fall der Klage gegen einen fremden Staat im Rahmen seiner als privatrechtlich einzustufenden Tätigkeit im Inland angenommen, und zwar vor allem dann, wenn eine – allenfalls in jenem Staat zu erwirkende – Entscheidung mangels Vollstreckungsvertrag im Inland, wo die beklagte Partei exequierbares Vermögen besitzt, nicht möglich ist (Garber aaO § 28 JN Rz 75 mwN).
Aus diesem Grund im Zusammenhalt mit der im Irak herrschenden prekären Sicherheitslage (vgl Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres; vgl zur volatilen Sicherheitslage auch die Länderinformationen des Auswärtigen Amtes in Deutschland auf www.auswaertiges-amt.de ) ist der Klägerin eine Prozessführung dort gegen den Beklagten unzumutbar (siehe etwa zu Zuständen wie Bürgerkrieg, revolutionären Unruhen udgl auch Garber aaO § 28 JN Rz 75).
4. Dem Ordinationsantrag war daher stattzugeben. Unter Bedachtnahme auf die Kriterien der Sach- und Parteinähe sowie der Zweckmäßigkeit (RS0106680 [T13]) hatte eine Zuweisung der Sache an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu erfolgen, in dessen Sprengel das der Klagsforderung zugrundeliegende Bauprojekt ausgeführt wurde.
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