OGH 8Nc12/21p

OGH8Nc12/21p12.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der beim Bezirksgericht Innsbruck zu AZ 6 Fam 5/21k anhängigen Familienrechtssache der Antragstellerin K***** M*****, geboren am ***** 1997, *****, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Antragsgegner H***** M*****, vertreten durch Dr. Dieter Klien, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Unterhalt, über den Antrag des Bezirksgerichts Innsbruck gemäß § 111 Abs 2 JN auf Genehmigung der Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080NC00012.21P.0412.000

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 25. 1. 2021, GZ 3 Fam 22/20v‑28, verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien wird nicht genehmigt.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des vorliegenden Pflegschaftsverfahrens ist die Festsetzung des gesetzlichen Unterhalts der Antragstellerin, die im Zeitpunkt der Antragstellung am 4. 5. 2020 volljährig war und ihren Hauptwohnsitz im Sprengel des angerufenen Bezirksgerichts Innsbruck hatte.

[2] Mit unangefochtenem Beschluss vom 25. 1. 2021 sprach das Bezirksgericht Innsbruck aus, dass die Zuständigkeit zur Führung der Familienrechtssache an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien „übertragen“ werde. Dieses Gericht sei gemäß § 114 Abs 2 JN zuständig, weil die Antragstellerin seit 14. 9. 2020 in seinem Sprengel wohnhaft sei.

[3] Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien lehnte die Übernahme der Familienrechtssache mit der Begründung ab, dass eine Überweisung nach dem Akteninhalt weder von der anwaltlich vertretenen Antragstellerin gewünscht werde, noch angesichts des bereits vom Bezirksgericht Innsbruck getätigten Verfahrensaufwands zweckmäßig wäre.

[4] Das Bezirksgericht Innsbruck beantragt nun die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs „über die Zuständigkeit“.

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Aus dem Beschluss des Vorlagegerichts vom 25. 1. 2021 ist nicht erkennbar, auf welche verfahrensrechtliche Grundlage er sich stützt.

[6] Einerseits wird die „Übertragung“ der Familienrechtssache ausgesprochen, womit anscheinend auf § 111 JN Bezug genommen wird, andererseits wird in der Begründung der Entscheidung auf die Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle mit keinem Wort eingegangen, sondern nur auf § 114 Abs 2 JN verwiesen.

[7] 2. Eine Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 Abs 1 JN kommt im vorliegenden Außerstreitverfahren schon deswegen nicht in Betracht, weil die Antragstellerin weder minderjährig noch sonst pflegebefohlen im Sinne dieser Bestimmung ist.

[8] 3. Einen Ausspruch der Unzuständigkeit des Bezirksgerichts Innsbruck und eine Anordnung einer Überweisung im Sinn des § 44 Abs 1 JN enthält der Übertragungsbeschluss vom 25. 1. 2021 nicht.

[9] 4. Selbst wenn dies der Fall wäre, läge hier noch kein gemäß § 47 Abs 1 JN vom Obersten Gerichtshof zu entscheidender negativer Kompetenzkonflikt vor, weil das Bezirksgericht Innere Stadt Wien seinerseits keine Zuständigkeitsentscheidung getroffen, sondern nur eine Erklärung nach § 111 JN abgegeben hat.

[10] 5. Ein Ausspruch der Unzuständigkeit gemäß § 44 Abs 1 JN durch das Bezirksgericht Innsbruck wäre im Übrigen hier auch rechtlich verfehlt.

[11] Die Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 44 JN kommt wegen des Grundsatzes der perpetuatio fori nicht in Frage, wenn das angerufene Gericht zum Zeitpunkt der Antragstellung zuständig war. Nachträgliche Tatbestandsänderungen sind unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0123195).

[12] 6. Eine Genehmigung der Übertragung der Familienrechtssache durch den Obersten Gerichtshof kommt daher nicht in Betracht.

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