Normen
AKHB Art8 Abs1 Z3
ABGB §1002
VersVG §6 Abs3
ZPO §32
AKHB Art8 Abs1 Z3
ABGB §1002
VersVG §6 Abs3
ZPO §32
Spruch:
Nimmt der Versicherer teilweise Leistungsfreiheit in Anspruch, so ist der Versicherungsnehmer berechtigt, im Innenverhältnis die Prozeßvollmacht des vom Versicherer für den Haftpflichtprozeß bestellten Rechtsanwaltes im Rahmen der bestehenden Interessenkollision zu beschränken
OGH 14. Mai 1981, 7 Ob 9/81 (OLG Wien 17 R 178/80; KG Wiener Neustadt 3 Cg 2019/79)
Text
Der Beklagte verschuldete mit seinem bei der Klägerin haftpflichtversicherten PKW am 14. November 1976 einen Verkehrsunfall, bei dem der in seinem Wagen mitfahrende Gerald M schwer verletzt wurde. Dieser erhob gegen beide Streitteile, die in diesem Verfahren zunächst durch den Rechtsanwalt Dr. Ingo U vertreten waren, Schadenersatzansprüche. Mit Urteil des Erstgerichtes vom 23. Mai 1979 wurde festgestellt, daß die Streitteile dem Gerald M zur ungeteilten Hand-(die Klägerin beschränkt auf die Deckungssumme der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung) für alle seine künftigen Schäden aus dem vorgenannten Verkehrsunfall zu haften haben. Unbestritten ist, daß die Klägerin an Gerald M und dessen Krankenversicherer Leistungen in der Höhe von 174 750.93 S erbrachte.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten den Ersatz von 144 750.93 S samt Anhang und beantragt die Feststellung, daß der Beklagte aus der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung für den vorgenannten Schadensfall keinen Versicherungsschutz genieße. Der Beklagte habe in dem Rechtsstreit des Erstgerichtes eine Interessenkollision behauptet und dem dortigen Beklagtenvertreter Dr. Ingo U mit einer Anzeige bei der Rechtsanwaltskammer und der Versicherungsaufsichtsbehörde gedroht, worauf dieser das Vollmachtsverhältnis gelöst habe. In der Folge habe es der Beklagte abgelehnt, dem von der Klägerin bestellten Rechtsanwalt Dr. Felix W eine Prozeßvollmacht zu erteilen. Der Beklagte habe daher vorsätzlich seine Obliegenheiten nach Art. 8 Abs. 1 Z. 3 AKHG verletzt, wodurch die Klägerin leistungsfrei geworden sei. Hinsichtlich der von der Klägerin an die geschädigten Dritten erbrachten Leistungen sei daher der Beklagte regreßpflichtig. Das Feststellungsbegehren sei im Hinblick auf das im anderen Verfahren ergangene Feststellungserkenntnis berechtigt.
Das Erstgericht entschied im Sinne des Klagebegehrens.
Nach seinen Feststellungen wendete im Vorprozeß der von beiden Streitteilen zunächst bevollmächtigte Rechtsanwalt Dr. Ingo U bereits in der Klagebeantwortung ein Mitverschulden des dortigen Klägers ein, weil diesem die erhebliche Alkoholisierung des Beklagten und damit dessen Fahruntüchtigkeit bekannt gewesen sei. Nach dem in diesem Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten war der Beklagte im Unfallszeitpunkt mittelstark alkoholisiert. Dieses Sachverständigengutachten wurde jedoch im Vorprozeß vom Erstgericht nicht verwertet und daher auch ein Mitverschulden des Gerald M verneint. Am 23. November 1978 richtete der Beklagte an die Klägerin ein Schreiben mit folgendem Inhalt: " ... Auf Grund der Vorkommnisse und meiner Wahrnehmungen in den letzten Verhandlungen im Kreisgericht Wiener Neustadt ersuche ich um Überprüfung der Angelegenheit im Hinblick darauf, ob bei dem von Ihnen bestellten Rechtsanwalt bei meiner Vertretung keine Interessenkollision auftritt und ersuche um entsprechende Mitteilung. Der Ordnung halber merke ich mir den Eingang Ihrer Mitteilung am 30. 11. 1978 vor. Sollte ich bis zu diesem Tag keine brauchbare Stellungnahme erhalten haben, sehe ich mich gezwungen, die Angelegenheit sowohl der Versicherungsaufsichtsbehörde als auch der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und das Burgenland zur Kenntnis zu bringen."
In ihrem Antwortschreiben vom 5. Dezember 1978 bestritt die Klägerin das Vorliegen einer Interessenkollision und wies den Beklagten darauf hin, daß er nach dem Unfall die Blutabnahme mit der Begründung verweigert habe, vorerst mit seinem Anwalt sprechen zu wollen. In diesem Schreiben führt die Klägerin weiter aus: "Mit Schreiben vom 1. 3. 1978 haben wir Ihnen mitgeteilt, daß es uns durch diesen Umstand nicht möglich war, den Sachverhalt objektiv zu beurteilen und haben wir daher gemäß der vorgenannten Bestimmung unseren Rückersatzanspruch in der Höhe von 30 000 S geltend gemacht." In diesem Schreiben teilte die Klägerin dem Beklagten ferner mit, daß sie im Hinblick auf seine Auffassung, es liege eine Interessenkollision vor, Dr. Ingo U angewiesen hat, das Vollmachtsverhältnis mit dem Beklagten zu lösen. Dem Beklagten werde es daher nunmehr überlassen, mit seiner weiteren Vertretung einen Anwalt seiner Wahl auf eigene Kosten zu beauftragen. Eine weitere Regreßnahme im Zusammenhang mit der dem Beklagten obliegenden Aufklärungspflicht behielt sich die Klägerin ausdrücklich vor.
Am 12. Jänner 1979 brachte die Klägerin die erste Regreßklage beim Bezirksgericht Mödling ein. Dr. Ingo U nahm die vom Beklagten behauptete Interessenkollision zum Anlaß zur Lösung des Vollmachtsverhältnisses mit beiden Parteien. Dem Rechtsanwalt Dr. Ingo U drohte der Beklagte nicht unmittelbar mit einer Anzeige bei der Rechtsanwaltskammer. Am 25. Jänner 1979 richtete die Klägerin folgendes Schreiben an den Beklagten: "Da nunmehr Herr Rechtsanwalt Dr. Ingo U auch uns gegenüber das Vollmachtsverhältnis gelöst hat, sehen wir uns genötigt, unverzüglich für die weitere Vertretung der beklagten Parteien im Prozeß gegen Gerald M Sorge zu tragen. Wir haben unter einem Herrn Rechtsanwalt Dr. Felix W mit unserer Vertretung beauftragt. Wir bitten Sie, unter Berufung auf die Bestimmung des Art. 8 Abs. 1 Ziff. 3 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (AKHB 1967) die beiliegende Zivilprozeßvollmacht an der bezeichneten Stelle zu unterfertigen und die unterfertigte Vollmacht unverzüglich Herrn RA Dr. Felix W persönlich zu überbringen. Wir wollen bei dieser Gelegenheit nicht versäumen, nochmals auf die Bestimmung des Art. 8 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung zu verweisen ... Sollten wir daher von Herrn RA Dr. Felix W die Mitteilung erhalten, daß diesem die unterfertigte Vollmacht nicht innerhalb von 8 Tagen zur Verfügung gestellt wurde, müssen wir unterstellen, daß Sie gegen die Bestimmung des Art. 8 der AKHB vorsätzlich verstoßen haben, was unsere gänzliche Leistungsfreiheit zur Folge haben würde. In diesem Fall würden wir unverzüglich nach Ablauf der Frist eine weitere Regreßklage gegen Sie einbringen." Dem Schreiben war eine Blankovollmacht beigelegt. Der Beklagte unterfertigte diese Vollmacht mit Datum 29. Jänner 1979 und übergab sie dem von ihm bereits damals bevollmächtigten Beklagtenvertreter. Dieser verfaßte das Schreiben vom 30. Jänner 1979 mit folgendem Wortlaut: " ... In der Beilage übergebe ich Ihnen die von meinem Mandanten innerhalb der eingeräumten Frist von 8 Tagen unterfertigte Vollmacht zu Ihrer weiteren Verwendung. Gleichzeitig merke ich mir eine Frist von 3 Tagen vor, in der Sie mir mitteilen wollen, ob Sie Herrn Ing. Wolfgang K (= Beklagter) und die X-Versicherung (Klägerin) vertreten oder nur mehr Ing. Wolfgang K. Falls Sie in dieser Angelegenheit etwaige Informationen benötigen, so ersuche ich Sie, ... direkt mit mir Kontakt aufzunehmen, damit ich sie Ihnen mitteilen kann ..."
Dieses Schreiben und die vom Beklagten blanko unterfertigte Prozeßvollmacht überreichte der Beklagtenvertreter am 31. Jänner 1979 dem Dr. Felix W. Dieser war jedoch von der Klägerin noch nicht ausreichend informiert und nahm daher das Schreiben und die Blankovollmacht nur unter dem auf die Durchschrift des Schreibens gesetzten Vorbehalt an: "Original- und Vollmachtsformular mit dem Vorbehalt übernommen, daß zur definitiven Vertretungsübernahme eine persönliche Besprechung mit Ing. K erforderlich ist." Dr. Felix W erörterte mit dem Beklagtenvertreter, daß die Klägerin eine unbeschränkte Prozeßvollmacht wünscht, sowie das Einverständnis des Beklagten dahingehend, daß er mit der Führung des Prozesses nach dem Vorhaben der Klägerin einverstanden ist. Es wurde auch die Vermutung der Klägerin besprochen, daß der Beklagte im Unfallszeitpunkt alkoholisiert gewesen sei, diese Alkoholisierung dem Geschädigten habe bekannt sein müssen und daher beabsichtigt sei, im Verfahren des Geschädigten dessen Mitverschulden geltend zu machen. Den Äußerungen des Beklagtenvertreters konnte Dr. Felix W sinngemäß entnehmen, daß der Beklagte mit einer derartigen Prozeßführung (Erhebung eines Mitverschuldenseinwandes) nicht einverstanden ist. Dies wurde vom Beklagtenvertreter Dr. Felix W gegenüber klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht. Auf Grund dieser Äußerungen des Beklagtenvertreters sah sich Dr. Felix W veranlaßt, vorerst die Vollmacht nicht anzunehmen. Die Vollmachtsurkunde behielt er zunächst. Nach Rücksprache mit der Klägerin richtete Dr. Felix W noch am gleichen Tag an den Beklagtenvertreter folgendes Schreiben:
"In obiger Angelegenheit beziehe ich mich auf Ihren heute übergebenen Brief samt Beilage (Vollmacht) und darf Ihnen wunschgemäß mitteilen, daß ich die Vertretung der X-Versicherungs-Aktiengesellschaft ... übernommen habe. Diese übergibt mir Ihr an Herrn Ing. K gerichtetes Schreiben vom 25. 1. 1979, aus welchem ich entnehme, daß die X-Versicherungsgesellschaft Wert darauf legt, daß ihr gemäß Artikel 8 Abs. 1 Z. 2 und 3 AKHB die Führung des obigen Prozesses zur Gänze überlassen wird. Sollte Herr Ing. K seine angeblich bereits früher geäußerten Vorbehalte hinsichtlich des Mitverschuldenseinwandes aufrecht erhalten, kann ich die mir zugedachte Bevollmächtigung durch Herrn Ing. K nicht übernehmen. Ich retourniere daher vorsorglich - zumindest zwischenweilig - die Vollmacht und ersuche um Äußerung zur Frage der Intentionen des Herrn Ing. K hinsichtlich der Prozeßführung bzw. des Prozeßstandpunktes, wobei ich mir eine Frist von acht Tagen für das Einlangen dieser Antwort vorzumerken erlaube ..."
Der Beklagte erschien in der Folge nicht zu der von Dr. Felix W vorgeschlagenen Aussprache. Dieser sah sich zum Verlangen nach einer Aussprache durch den Hinweis der Klägerin auf die verschiedenen Auffassungen über die Führung des Prozesses und durch deren Begehren veranlaßt, daß der Beklagte eine unbeschränkte Vollmacht zu erteilen habe. Dr. Felix W wurde in der Folge weder die von ihm zurückgestellte Vollmacht noch eine andere Vollmacht des Beklagten zugeleitet.
Das Erstgericht war der Ansicht, daß der Beklagte seine Obliegenheiten nach Art. 8 Abs. 1 Z. 3 AKHB verletzt habe. Ein Rechtsanwalt sei nämlich an die ihm von seinem Mandanten im Innenverhältnis erteilte Aufträge gebunden. Der Beklagte habe wohl dem Rechtsanwalt Dr. Felix W im Außenverhältnis eine unbeschränkte Vollmacht erteilt, diese jedoch im Innenverhältnis dahin eingeschränkt, daß ein Mitverschulden des Geschädigten (Gerald M) entgegen dem Auftrag der Klägerin nicht einzuwenden sei. Durch diese Beschränkung seiner dem Rechtsanwalt Dr. Felix W erteilten Vollmacht habe der Beklagte seine Obliegenheiten nach Art. 8 Abs. 1 Z. 3 AKHB verletzt. Dr. Felix W habe die Vollmachtsannahme nicht abgelehnt, sondern nur die ihm im Innenverhältnis erteilten Beschränkungen auszuräumen versucht. Die Klägerin habe somit den objektiven Tatbestand der Obliegenheitsverletzung nach Art. 8 Abs. 1 Z. 3 AKHB nachgewiesen. Der Beklagte hätte seinerseits beweisen müssen, daß ihm Vorsatz nicht zur Last falle. Dieser Entlastungsbeweis sei ihm nicht gelungen, weil er von der Klägerin auf seine Obliegenheiten nach Art. 8 Abs. 1 Z. 3 AKHB ausdrücklich hingewiesen worden sei. Die Klägerin sei somit leistungsfrei.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es war der Ansicht, daß der vom Versicherer bestellte Rechtsanwalt im Innenverhältnis nicht ein Beauftragter des Versicherungsnehmers, sondern des Versicherers sei. Der Versicherungsnehmer könne daher dem vom Versicherer beauftragten Rechtsanwalt keine Weisungen erteilen, die im Widerspruch zur Ansicht des Versicherers stunden. Er müsse es auch dulden, daß im Prozeß ihm lästige Einwendungen vorgebracht würden. Die vom Versicherungsnehmer erteilten, im Widerspruch zum Auftrag des Versicherers stehenden Wünsche und Weisungen seien daher für die Prozeßführung unbeachtlich. In dem vom Beklagten an die Klägerin gestellten Ersuchen um Überprüfung der Frage der Interessenkollision und der Androhung einer Mitteilung des Sachverhaltes an die Rechtsanwaltskammer und die Versicherungsaufsichtsbehörde sei daher eine Obliegenheitsverletzung des Beklagten nach Art. 8 Abs. 1 Z. 3 AKHB nicht zu erblicken. Damit habe nämlich der Beklagte weder der Klägerin die Führung des Rechtsstreites noch dem von ihr bestellten Rechtsanwalt Dr. Ingo U die Prozeßvollmacht entzogen. Auch der von der Klägerin bestellte Rechtsanwalt Dr. Felix W wäre an die den Mitverschuldenseinwand betreffenden Äußerungen des Beklagtenvertreters nicht gebunden gewesen. Erst wenn der Beklagte nach Aufrechterhaltung des Mitverschuldenseinwandes die Vollmacht des Dr. Felix W widerrufen hätte, könnte darin eine Obliegenheitsverletzung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 Z. 3 AKHB erblickt werden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revisionswerberin beharrt auf ihrer Ansicht, daß sowohl in dem Verhalten des Beklagten gegenüber dem Rechtsanwalt Dr. Ingo U als auch in dessen Weigerung, dem Rechtsanwalt Dr. Felix W die von ihr gewünschte, auch im Innenverhältnis unbeschränkte Prozeßvollmacht zu erteilen, eine Obliegenheitsverletzung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 Z. 3 AKHB zu erblicken sei. Das Verhalten des Beklagten sei dabei eindeutig auf eine Unterdrückung der im Vorprozeß erhobenen, auf seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit gestützte Mitverschuldenseinrede gerichtet gewesen.
Den Ausführungen der Revisionswerberin kann im Ergebnis nicht gefolgt werden. Art. 8 Abs. 1 Z. 3 AKHB normiert als Obliegenheiten im Sinne des § 6 Abs. 3 VersVG die Verpflichtung, dem Versicherer, außer im Falle der Freiheit von der Verpflichtung zur Leistung, die Führung des Rechtsstreites über den Ersatzanspruch zu überlassen, dem vom Versicherer bestellten Rechtsanwalt Prozeßvollmacht zu erteilen und jede von diesem verlangte Aufklärung zu geben. Die in Lehre und Rechtsprechung strittige Frage, ob und in welchem Umfange der Versicherungsnehmer nach Ablehnung des Versicherungsschutzes durch den Versicherer zur Erfüllung der ihn treffenden Obliegenheiten verpflichtet ist (Stiefel - Hofmann, Kraftfahrt-Versicherung[11], 371 ff.; 7 Ob 63/79), kann hier dahingestellt bleiben. Die im Art. 8 Abs. 1 Z. 3 AKHB gebrauchten Worte "außer im Falle der Freiheit von der Verpflichtung zur Leistung" können nämlich nach den zur Anwendung gelangenden Auslegungsregeln der §§ 6 und 7 ABGB (ZVR 1969/185; VersRdsch. 1970, 57 u. a. m.) nur so verstanden werden, daß der Versicherungsnehmer die vorerwähnten Obliegenheiten nur dann zu erfüllen hat, wenn der Versicherer seinerseits bereit ist, ihm Deckungsschutz für das Schadensereignis zu gewähren. Nur in diesem Falle kann vom Versicherungsnehmer verlangt werden, daß er dem Versicherer die Führung des gegen ihn vom Geschädigten angestrengten Rechtsstreites überläßt. Nimmt hingegen der Versicherer Leistungsfreiheit in Anspruch, so ist eine Kollision seiner Interessen mit jenen des Versicherungsnehmers nicht mehr auszuschließen. In diesem Falle muß daher der Versicherungsnehmer die im Art. 8 Abs. 1 Z. 3 AKHB festgelegten Obliegenheiten nicht mehr erfüllen. Aus der gleichen Erwägung greift auch die Ermächtigung des Versicherers zur Schadensregulierung nach Art. 9 Abs. 1 AKHB im Falle seiner Freiheit von der Verpflichtung zur Leistung nicht Platz. Auch diese Bestimmung wird dahin ausgelegt, daß diese Ermächtigung des Versicherers schon dann nicht gilt, wenn seine Leistungspflicht bestritten ist (7 Ob 63/79).
Im vorliegenden Falle hat die Revisionswerberin bereits in ihrem Schreiben vom 1. März 1978 ihre mit 30 000 S begrenzte Leistungsfreiheit (nach Art. 6 Abs. 2 lit. c und Abs. 3 AKHB) geltend gemacht. Ob der Beklagte diese von der Revisionswerberin in Anspruch genommene betraglich beschränkte Leistungsfreiheit bereits zum Anlaß nehmen konnte, die Erfüllung seiner Obliegenheiten nach Art. 8 Abs. 1 Z. 3 AKHB zur Gänze zu verweigern, muß hier nicht untersucht werden. Auf jeden Fall war nämlich der Beklagte zur Erfüllung dieser Obliegenheiten im Umfange der bestehenden Interessenkollision nicht verpflichtet. Er mußte daher nicht hinnehmen, daß der von ihm im Schadenersatzprozeß des geschädigten Dritten bevollmächtigte Rechtsanwalt Dr. Ingo U über Weisung der Revisionswerberin seine Alkoholisierung im Unfallszeitpunkt einwendete, weil er befürchten mußte, diese Einrede könnte für ihn hinsichtlich der von der Revisionswerberin erhobenen Regreßforderung von 30 000 S von Nachteil sein. In diesem Umfange war daher der Beklagte nicht verpflichtet, der Revisionswerberin die Führung des Vorprozesses zu überlassen, und wäre daher auch berechtigt gewesen, die dem Rechtsanwalt Dr. Ingo U erteilte Vollmacht im Innenverhältnis zu beschränken. Wenn daher der Beklagte in seinem Schreiben vom 23. November 1978 auf die bestehende Interessenkollision hinwies und um Stellungnahme der Revisionswerberin ersuchte, so war dies ein durchaus legitimes Verlangen. In dem Verhalten des Beklagten gegenüber dem Rechtsanwalt Dr. Ingo U kann daher entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin eine Obliegenheitsverletzung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 Z. 3 AKHB nicht erblickt werden. Der Beklagte hat es daher nicht zu verantworten, daß Dr. Ingo U die von ihm behauptete Interessenkollision zum Anlaß nahm, um das Vollmachtsverhältnis im Vorprozeß zu beiden Streitteilen zu lösen.
Im Hinblick auf die bestehende Interessenkollision war aber der Beklagte auch nicht verpflichtet, dem von der Revisionswerberin nach Auflösung des Vollmachtsverhältnisses durch Dr. Ingo U bestellten Rechtsanwalt Dr. Felix W eine auch im Innenverhältnis unbeschränkte Prozeßvollmacht zu erteilen. Er konnte vielmehr von diesem die Rückziehung des Mitverschuldenseinwandes im Vorprozeß verlangen. Dr. Felix W bestand jedoch über Weisung der Revisionswerberin auf der Erteilung einer auch im Innenverhältnis unbeschränkten Vollmacht, wozu der Beklagte jedoch nicht verpflichtet war. In dem Verhalten des Beklagten kann demnach nicht einmal der objektive Tatbestand der Obliegenheitsverletzung nach Art. 8 Abs. 1 Z. 3 AKHB erblickt werden. Im Ergebnis mit Recht verneinte daher das Berufungsgericht die von der Revisionswerberin behauptete gänzliche Leistungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 Z. 3 AKHB. Ob die vom Berufungsgericht unter Hinweis auf Stiefel - Hofmann, Kraftfahrt-Versicherung[11], 343 ff., zitierte Rechtsansicht, daß der vom Versicherer bestellte Rechtsanwalt im Innenverhältnis nicht ein Beauftragter des Versicherungsnehmers, sondern des Versicherers sei, für den österreichischen Rechtsbereich anwendbar ist, kann dahingestellt bleiben.
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