OGH 7Ob9/78

OGH7Ob9/7816.3.1978

SZ 51/32

Normen

Allgemeine Feuerversicherungsbedingungen Art17
Allgemeine Feuerversicherungsbedingungen Art19 Abs2 litb
Allgemeine Feuerversicherungsbedingungen Art19 Abs1
VersVG §11 Abs1
VersVG §12 Abs1
VersVG §61
VersVG §64
ZPO §179 Abs1
ZPO §519
Allgemeine Feuerversicherungsbedingungen Art17
Allgemeine Feuerversicherungsbedingungen Art19 Abs2 litb
Allgemeine Feuerversicherungsbedingungen Art19 Abs1
VersVG §11 Abs1
VersVG §12 Abs1
VersVG §61
VersVG §64
ZPO §179 Abs1
ZPO §519

 

Spruch:

Der Beginn der Verjährung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag nach § 12 Abs. 1 VersVG setzt die Fälligkeit der geforderten Versicherungsleistung voraus. Wird ein Geldanspruch erhoben, so ist § 11 Abs. 1 VersVG maßgebend. Diese Bestimmung ist jedoch nicht zwingend. Ist nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen die Entschädigung erst zwei Wochen nach ihrer vollständigen Feststellung fällig (hier: Art. 19 Abs. 1 AFB 1960), so wird kein Teil der Entschädigung vor der Beendigung oder dem entgültigen Scheitern des Sachverständigenverfahrens fällig

Auch Verfahrensmängel berechtigen zur Anfechtung der Schadensfeststellung durch die Sachverständigen, wenn sie auf die Richtigkeit des vom Obmann erstatteten Gutachtens von Einfluß waren

Die Abänderung eines Zurückweisungsbeschlusses gemäß § 79 Abs. 1 ZPO durch die zweite Instanz fällt nicht unter die Rechtsmittelbeschränkung des § 519 ZPO. Verschleppungsabsicht des beklagten Versicherers ist zu bejahen, wenn er erst nach einem jahrelangen aufwendigen Verfahren über die Wirksamkeit eines Obmanngutachtens Leistungsfreiheit nach § 61 VersVG behauptet. Auch hilfsweise erstattetes Vorbringen kann zurückgewiesen werden. Eine spätere Wiederholung ist unzulässig

OGH 16. März 1978, 7 Ob 9/78 (OLG Graz, 3 R 371/77; LGZ Graz 6 Cg 32/73)

Text

Am 9. Juni 1969 beantragte die Walter M und Co. KG (im folgenden kurz Firma M genannt) bei der Beklagten den Abschluß eines Feuerversicherungsvertrages hinsichtlich ihrer industriellen und gewerblichen Anlagen. Mit Schreiben vom 10. Juni 1969 bestätigte die Beklagte die Annahme dieses Antrages und gewährte der Firma M zu den einschlägigen Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen vorläufige Deckung für Feuerschäden an Gebäuden, Einrichtungen und Vorräten bis zu einer Deckungssumme von 29 Mill. S. Die Haftung der beklagten Partei aus der vorläufigen Deckung wurde ab 25. Juni 1969, 12 Uhr mittags, vereinbart. Die polizzenmäßige Deckung sollte hingegen nach Zustellung der Polizze und fristgerechter Prämienzahlung unmittelbar ohne haftungsfreie Zeiträume an die Haftungszeit der vorläufigen Deckung anschließen. Am 18. November 1969 übersandte die Beklagte der Klägerin die endgültige Feuerversicherungspolizze über einen Haftungszeitraum vom 1. Oktober 1969 bis 1. Oktober 1979, in der ausdrücklich hervorgehoben wird, daß fremdes Gut als mitversichert gilt, soweit es nicht anderweitig gedeckt ist. Am 5. November 1969 ereignete sich im Betrieb der Firma M eine Explosion, durch die erhebliche Schäden an deren Gebäuden, maschinellen Einrichtungen und Vorräten entstanden. Dieser Schadensfall wurde der Beklagten noch am gleichen Tage angezeigt. Über das Vermögen der Firma M wurde zur GZ S 19/71 des Landesgerichtes S das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger von der Beklagten nach Klagseinschränkung die Zahlung von 753 703 S samt Anhang. Die Firma M habe die Feststellung der Höhe des entstandenen Schadens durch Sachverständige verlangt. Das vom Obmann der Sachverständigen erstattete Gutachten vom 13. März 1972 sei jedoch unwirksam, weil dieser die seiner Entscheidung gezogenen Grenzen überschritten und eine Reihe von Gegenständen der Feuerversicherung überhaupt nicht berücksichtigt habe. Das Gutachten weiche außerdem von der wirklichen Sachlage erheblich ab und weise auch schwerwiegende formelle Mängel auf, weil der Obmann sein Gutachten erstattet habe, noch bevor ihm das Gutachten des von der Firma M namhaft gemachten Sachverständigen Dipl.-Ing. Ernest R vom 15. April 1972 vorgelegen sei. Im Zeitpunkte der Besichtigung der Betriebsanlagen im Zuge des Sachverständigenverfahrens am 26. August 1971 seien außerdem die Maschinen noch gar nicht demontiert gewesen und daher der Schaden der Firma M noch nicht zur Gänze festgestanden. Die Beklagte habe Versicherungsschutz nicht bloß auf Grund der gewährten vorläufigen Deckung, sondern auch auf Grund der von ihr ausgestellten Versicherungspolizze zu leisten. Der Schaden der Firma M berechne sich nach Abzug der von der Beklagten geleisteten Zahlungen, wie folgt:

Zahlung Maschinen und Einrichtungen .................. 871 310 S

632 171 S Rohstoffe, Halb- und Fertigfabrikate ......... 384 105 S

115 301 S Aufräumkosten ................................ 49 000 S

17 600 S Abbruchkosten ................................ 36 450 S

36 000 S Demontagekosten .............................. 176 750 S

- kleinere Vermögenswerte ...................... 37 160 S -

---------------------- 1 554 775 S 801 072 S.

Die Beklagte beantragt Klagsabweisung und behauptet, die von den Streitteilen bestellten Sachverständigen und deren Obmann hätten sich bei der örtlichen Besichtigung der Betriebsanlagen der Firma M am 26. August 1971 auf einen Schaden an den Maschinen und Einrichtungen in der Höhe von 715 205 S geeinigt. Mit der Erstattung des Gutachtens vom 13. März 1972 durch den Obmann sei das Sachverständigenverfahren ordnungsgemäß abgeschlossen worden. Die Schäden der Firma M an Vorräten (Halb- und Fertigfabrikaten) wie auch die Aufräum-, Abbruch- und Demontagekosten (in der Folge kurz Nebenkosten genannt) seien nicht Gegenstand des Sachverständigenverfahrens gewesen. Die Sachverständigen hätten sich daher mit diesen Ansprüchen, die bereits mit Ende des Jahres 1971 verjährt gewesen seien, nicht zu befassen gehabt. In ihrer Schadensabrechnung vom 12. Oktober 1970 habe die Beklagte unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie nur die dort angeführten Betrage zu zahlen gewillt sei. Mangels rechtzeitiger Klagserhebung sei daher die Beklagte auch nach § 12 Abs. 3 VersVG leistungsfrei geworden. Die Beklagte sei nur auf Grund der gewährten vorläufigen Deckung vom 10. Juni 1969 leistungspflichtig. Diesem Versicherungsverhältnis seien aber nicht die Allgemeinen Feuerversicherungs-Bedingungen 1969, sondern die Allgemeinen Feuerversicherungs-Bedingungen 1960 zugrunde gelegt worden. Für den Fall der Feststellung der Unwirksamkeit des Obmanngutachtens wendete die Beklagte in der Verhandlungstagsatzung am 25. Mai 1976 noch Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher oder zumindest grobfahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles ein. Die Erhebung dieser Einrede habe sich die Beklagte bei Namhaftmachung ihrer Sachverständigen ausdrücklich vorbehalten.

Das Erstgericht sprach die Beklagte schuldig, dem Kläger 200 809 S samt Anhang zu zahlen, und wies das Mehrbegehren von 552 894 S samt Anhang ab. Nach seinen Feststellungen entfielen von der Versicherungssumme der vorläufigen Deckung in der Höhe von 29 Mill. S 7 Mill. S auf Gebäude, 11 Mill. S auf die Einrichtung, 8 Mill. S auf Vorräte und 3 Mill. S auf Aufräum-, Abbruch- und Demontagekosten. Auch bei der Firma M vorhandenes fremdes Eigentum war mitversichert, soweit der Schaden nicht anderweitig gedeckt war. Am 2. Dezember 1969 ermittelte der von der Beklagten bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. Herbert D den Schadensumfang und erstattete das Gutachten. Mit Schreiben vom 14. September 1970 gab die Firma M der Beklagten ihre Feuerschäden bekannt. Sie bezifferte ihren Maschinenschaden mit 1 350 000 S zuzüglich 700 000 S, ihre De- und Remontagekosten mit 600 000 S und ihren Schaden an Vorräten mit zirka 200 000 S. In ihrem Schreiben vom 12. Oktober 1970 rechnete die Beklagte die Schäden ab und bezifferte hiebei den Zeitwertschaden an der Betriebseinrichtung mit 632 171 S, die Abbruch- und Aufräumkosten mit 174 550 S, die Demontagekosten mit 36 000 S und die Vorräteschäden mit 115 301 S. Mit Schreiben vom 23. Feber 1971 begehrte die Firma M die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens nach den Allgemeinen Feuerversicherungs-Bedingungen 1969 und machte ihrerseits als Gutachter Dipl.-Ing. Ernest R namhaft. Mit Schreiben vom 9. März 1971 machte die Beklagte als Sachverständigen für Maschinen und Einrichtungen Dipl.-Ing. Herbert D namhaft und hob hervor, daß hinsichtlich der Vorräteschäden ohnedies Übereinstimmung bestehe, weshalb sich ein separates Verfahren erübrige. Dieser Annahme der Beklagten trat die Firma M nicht entgegen, hob jedoch in ihrem Schreiben vom 26. März 1971 hervor, daß dem Sachverständigengremium die Ermittlung des Schadens an Maschinen und Einrichtungen (Zeitwert- und Neuwertbestimmung) und die Ermittlung der voraussichtlichen Dauer der De- und Remontage aufzutragen wären. Auf dieses Schreiben erwiderte die Beklagte, daß die Erhebung der Wiederaufbauzeit wegen des bestehenden Wiederaufbauverbotes überflüssig sei. Die Firma M entgegnete jedoch, daß es der Beklagten unbenommen bleibe, ihren Sachverständigen auf die genannten Themen zu beschränken, sie aber ihren Sachverständigen auch über die voraussichtliche Wiederaufbau- und Remontagezeit befragen werde. Die Beklagte schränkte daraufhin den ihrem Sachverständigen Dipl.-Ing. Herbert D erteilten Auftrag dahin ein, daß nur der Schaden an den Maschinen und technischen Einrichtungen der Firma M zu ermitteln sei. Auch der mittlerweile zum Ausgleichsverwalter bestellte Kläger beauftragte den Sachverständigen Dipl.-Ing. Ernest R mit der Ermittlung der Schäden an Maschinen und technischen Einrichtungen. Die Parteiengutachter Dipl.-Ing. Herbert D und Dipl.-Ing. Ernest R einigten sich auf den Sachverständigen Dipl.-Ing. Hans als ihren Obmann. Am 26. August 1971 fand eine örtliche Besichtigung durch die Parteiengutachter und ihren Obmann statt, bei der Dipl.-Ing. Ernest R seine Schadens- und Entschädigungsberechnung vorlegte. Die Schäden an den Vorräten, die Aufräum- und die Abbruchkosten sowie die De-, Remontage- und Feuerlöschkosten (Nebenkosten) wurden damals (bei der Besichtigung) nicht behandelt. Differenzen zwischen den Parteiengutachtern ergaben sich hinsichtlich der Schmelzöfen und der elektrischen Installationen. Während hinsichtlich der Schmelzöfen eine Einigung dahin zustande kam, daß die vier Öfen mit 120 000 S bewertet wurden, kam es hinsichtlich der Elektroinstallationen zu keiner Einigung. Im März 1972 übersandte der Obmann den Sachverständigen der Streitteile sein Gutachten vom 13. Feber 1972, in dem die Zeitwertentschädigung an Maschinen und technischen Einrichtungen mit 715 205 S festgestellt wird. Dipl.-Ing. Herbert D errechnete hingegen in seinem Gutachten einen Zeitwertschaden von 668 531 S, Dipl.-Ing. Ernest R aber einen solchen von 871 310 S. Über die Schäden an den Vorräten, die Kosten der Abbrucharbeiten, der Aufräumung und der Demontage enthält das Obmanngutachten keine Entscheidung, sondern es erwähnt nur die divergierenden Standpunkte der Parteiengutachter. Auf Grund des Obmanngutachtens errechnete die Beklagte noch ein Restguthaben der Firma M von 83 034 S, das sie mit anderen Beträgen zur GZ 14 Nc 501/73 des Bezirksgerichtes gerichtlich hinterlegte. Das Erstgericht war der Ansicht, daß im Zeitpunkte der Klagserhebung die in das Sachverständigenverfahren nicht einbezogenen Nebenkosten bereits verjährt gewesen seien. Das Obmanngutachten sei im Hinblick auf die Meinungsverschiedenheit der Gutachter über die Elektroinstallationen nicht verbindlich. Dieses Gutachten weiche aber auch erheblich von der Sachlage ab, weil es für vier Schmelzöfen einen Neuwertschaden von 120 000 S auswerfe, obwohl tatsächlich fünf Schmelzöfen beschädigt worden seien. Außerdem sei der vom Obmann festgesetzte Zeitwertschaden hinsichtlich der Elektroinstallationen hinter den Annahmen der Parteiengutachter in erheblicher und auffallender Weise zurückgeblieben. Den Schaden der Firma M an maschinellen Einrichtungen ermittelte das Erstgericht mit 832 980 S. Nach Abzug der von der Beklagten bereits geleisteten Zahlungen (von 632 171 S) verbleibe noch ein Betrag von 200 809 S, mit dem der Klagsanspruch zu Recht bestehe. Dem gerichtlichen Erlag eines Betrages von 83 034 S komme keine schuldbefreiende Wirkung zu, weil im Erlagsgesuch Bedingungen genannt seien, die eine Auszahlung an den Kläger nicht zulassen. Die Einrede der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles sei von der Beklagten erst nach dreieinvierteljähriger Prozeßdauer in offenbarer Verschleppungsabsicht verspätet erhoben worden. Das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten sei daher nach § 179 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen worden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil hinsichtlich der Abweisung eines Betrages von 75 490 S samt Anhang als Teilurteil, hob es jedoch im übrigen über Berufung beider Parteien unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfange an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Es traf nach Verlesung des Schreibens vom 23. Feber 1971 die ergänzende Feststellung, daß die Firma M die Einleitung des Sachverständigenverfahrens zur Ermittlung der Höhe ihrer Sachschäden begehrt hatte. Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß der Feuerversicherungsvertrag erst mit der Übersendung des Versicherungsscheines (der am 18. November 1969 ausgestellten Feuerversicherungspolizze Nr. 5104555 für Vorräte, Nr. 5104556 für technische und kaufmännische Betriebseinrichtungen einschließlich Aufräume- und Abbruchkosten, De- und Remontagekosten sowie Feuerlöschkosten) zustande gekommen sei. Da zu diesem Zeitpunkt der Versicherungsfall bereits eingetreten gewesen sei, liege eine Rückwärtsversicherung vor. Daran ändere auch nichts der Umstand, daß der Beklagten der Eintritt des Versicherungsfalles bereits bekannt gewesen sei. Diese Frage sei jedoch ohne Bedeutung, weil die Beklagte gar nicht behauptet habe, die von ihr gewährte vorläufige Deckung erstrecke sich nicht auf die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche. Ohne Bedeutung sei auch, ob die Allgemeinen Feuerversicherungs-Bedingungen 1960 oder 1969 anzuwenden seien. Hinsichtlich des geltend gemachten Vorräteschadens habe die Beklagte wohl darauf hingewiesen, daß eine Übereinstimmung mit ihrer Schadensberechnung bestehe. Hiezu habe sich die Firma M nicht geäußert. Daraus könne jedoch nicht geschlossen werden, daß eine Einigung über die Höhe des Vorräteschadens erfolgt sei, zumal die Firma M in ihrem Schreiben vom 14. September 1970 ihren diesbezüglichen Schaden mit 200 000 S (nach der Abrechnung der Beklagten soll dieser nur 115 301 S betragen) beziffert habe. Auch die Nebenansprüche der Firma M seien entgegen der Ansicht des Erstgerichtes nicht verjährt. In ihrem Schreiben vom 23. Feber 1971 habe nämlich die Firma M im Hinblick auf die bestehenden erheblichen Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Schadenshöhe die Einleitung eines Sachverständigenverfahrens begehrt, um die Höhe des Sach- bzw. Betriebsunterbrechungsschadens feststellen zu lassen. Das Sachverständigenverfahren hätte sich daher schon nach dem Wortlaut dieses Schreibens auf den gesamten versicherten Schaden zu erstrecken gehabt, wobei dann offenbar aus Vereinfachungsgrunden für die einzelnen Schadensarten Kurzbezeichnungen, wie Gebäudeschäden, Schäden an Maschinen und technischen Einrichtungen und Betriebsunterbrechungsschaden, verwendet worden seien. Mit der Einleitung des Sachverständigenverfahrens sei daher die Fälligkeit sämtlicher Sachschäden bis zu dessen Beendigung hinausgeschoben worden. Die Ausnahme einzelner Ersatzansprüche vom Sachverständigenverfahren hätte einer ausdrücklich oder zumindest einer stillschweigend zustande gekommenen Vereinbarung der Streitteile bedurft, die nicht erfolgt sei. Das Erstgericht werde sich daher mit den erhobenen Ansprüchen auf Ersatz der Feuerschäden der Firma M an den Vorräten (Halb- und Fertigfabrikaten), den Abbruchs-, Aufräumungs- und Demontagekosten noch zu befassen und die zur Ermittlung ihrer Höhe erforderlichen Feststellungen unter Verwertung der bereits aufgenommenen Beweise (Sachverständigengutachten) zu treffen haben. Die Höhe des Vorräteschadens, der Aufräum-, Abbruch- und Demontagekosten habe das Erstgericht vom Kläger unbekämpft mit 646 305 S festgestellt. Nach Abzug der von der Beklagten auf diese Ansprüche bereits geleisteten Zahlung von 168 901 S verbleibe ein noch nicht spruchreifer Teilbetrag des Klagsanspruches von 477 404 S. In diesem Umfange müsse daher der abweisende Teil des Ersturteils der Aufhebung verfallen. Hinsichtlich der Abweisung des Klagebegehrens mit einem Teilbetrag von 75 490 S (552 894 S bis 477 404 S) sei hingegen das Ersturteil als Teilurteil zu bestätigen. Das vom Obmann der Sachverständigen erstattete Gutachten weiche deshalb von der Wirklichkeit erheblich ab, weil es von einer tatsächlich nicht erfolgten Einigung der Sachverständigen über die Höhe des Schadens an den Elektroinstallationen ausgehe und darüber hinaus nur vier Schmelzöfen bewerte, obwohl tatsächlich fünf beschädigt worden seien. Außerdem seien wesentliche, von den Parteien für das Sachverständigerverfahren bedungene Formvorschriften verletzt worden. Zu Unrecht habe allerdings das Erstgericht das Vorbringen der Beklagten zu der von ihr behaupteten Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher oder zumindest grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles durch die Firma M nach § 179 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen. Bei diesem Vorbringen handle es sich nämlich um eine von der Beklagten erhobene Eventualeinrede für den Fall der Unverbindlichkeit des Obmanngutachtens, deren abschließende Beurteilung dem Erstgericht erst nach der ergänzenden Vernehmung der Sachverständigen Dipl.-Ing. Hans Sch. und Dipl.-Ing. Ernest R in der Verhandlungstagsatzung am 7. Juni 1976 möglich gewesen sei. Die von der beklagten Partei bereits in der Tagsatzung am 25. Mai 1976 behauptete Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher bzw. grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles durch die Firma M sei somit nicht als verspätet zu betrachten und daher das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten vom Erstgericht zu unrecht wegen Verschleppungsabsicht als unzulässig im Sinne des § 179 Abs. 1 ZPO erklärt worden. Auch im Umfange des Zuspruches von 200 809 S erweise sich demnach die Rechtssache als nicht spruchreif. Das Erstgericht werde sich sohin noch mit der von der Beklagten behaupteten Leistungsfreiheit nach § 61 VersVG zu befassen haben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers Folge und stellte den Zurückweisungsbeschluß des Erstrichters wieder her. Dem Rekurs der Beklagten wurde nicht, dem Rekurs des Klägers teilweise Folge gegeben und der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes aufgehoben, soweit er den klagsstattgebenden Teil des Ersturteils betraf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

A. Zum Revisionsrekurs des Klägers:

Sofern das Berufungsgericht in der vor der Beklagten erst in der Verhandlungstagsatzung am 25. Mai 1976 behaupteten Leistungsfreiheit nach § 61 VersVG kein verspätetes, in Verschleppungsabsicht erstattetes Vorbringen erblickt, sind seine Ausführungen als (teilweise) Aufhebung des vom Erstgericht gefaßten Zurückweisungsbeschlusses nach § 179 Abs. 1 ZPO zu betrachten. Das Gericht zweiter Instanz hat daher in Wahrheit, wenn auch im Zusammenhang mit der Hauptsache, einen rekursgerichtlichen Beschluß gefaßt, auf den die Bestimmungen des § 519 ZPO keine Anwendung finden (Fasching II, S. 855; Novak, zur Tragweite des § 519 ZPO in JBl. 1953/63, Anm. 54; SZ 31/61; RZ 1976/27). Die Anfechtbarkeit dieses in Wahrheit abändernden Beschlusses des Rekursgerichtes ist daher losgelöst von der berufungsgerichtlichen Entscheidung zu betrachten (RZ 1976/27). Der Revisionsrekurs ist demnach zulässig; er ist aber auch berechtigt.

Obwohl die Beklagte bereits in ihrem Schreiben vom 9. März 1971 hervorgehoben hatte, sie unterwerfe sich zwar dem Sachverständigenverfahren, behalte sich jedoch die Geltendmachung ihrer (gänzlichen) Leistungsfreiheit vor, behauptete sie erst nach dreieinvierteljähriger Prozeßdauer in der Verhandlungstagsatzung am 25. Mai 1976, sie sei leistungsfrei, weil die Firma M den Schadensfall vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig herbeigeführt habe. Ihr diesbezügliches Vorbringen war daher - entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes - verspätet, weil die Beklagte ihre vorerwähnte Einrede bereits viel früher hätte erheben können. Richtig ist allerdings, daß ein Zurückweisungsbeschluß des Prozeßgerichtes im Sinne des § 179 Abs. 1 ZPO nur dann ergehen darf, wenn das neue (verspätete) Vorbringen auch tatsächlich geeignet ist, eine Verzögerung des Rechtsstreites herbeizuführen (Fasching II, S. 851). Dies ist jedoch hier der Fall. Wäre nämlich von der Beklagten bereits am Beginn des Rechtsstreites ihre Leistungsfreiheit nach § 61 VersVG behauptet worden, so hätte sich das Erstgericht mit dieser Einrede befassen können. Im Falle ihrer Berechtigung wäre das aufwendige Verfahren über die Wirksamkeit des Obmanngutachtens entbehrlich gewesen. Der Eventualcharakter der von der Beklagten erhobenen Einwendung schließt noch nicht deren Eignung zur Prozeßverschleppung aus. Sonst hätten es nämlich die Parteien in ihrer Hand, durch geschickte Formulierung von Eventualanträgen eine Prozeßverzögerung herbeizuführen, ohne daß das Prozeßgericht von der Bestimmung des § 179 Abs. 1 ZPO Gebrauch machen könnte. Die Verschleppungsabsicht der Beklagten ergibt sich schon aus dem vom Vorsitzenden des erstgerichtlichen Senates aufgenommenen Amtsvermerk. Dem Revisionsrekurs des Klägers war daher stattzugeben und der erstgerichtliche Zurückweisungsbeschluß nach § 179 Abs. 1 ZPO hinsichtlich des vorerwähnten Vorbringens der Beklagten wiederherzustellen.

Wird das von einer Partei erstattete Vorbringen vom Prozeßgericht wegen Verschleppungsabsicht als unstatthaft erklärt, so ist damit über die Unzulässigkeit dieses Parteienvorbringens abgesprochen. Das Prozeßgericht hat daher auf dieselbe Parteibehauptung auch dann nicht mehr Bedacht zu nehmen, wenn sie - wie hier - von der Partei in einer späteren Verhandlungstagsatzung wiederholt wird.

B. Rekurs des Klägers:

Der Kläger bekämpft die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß es sich bei dem durch die Übersendung der Versicherungspolizze zustande gekommenen Feuerversicherungsvertrag um eine Rückwärtsversicherung handle, aus der die Beklagte deshalb leistungsfrei sei, weil beide Streitteile bei Vertragsabschluß gewußt hätten, daß der Versicherungsfall schon eingetreten sei.

Die in der Lehre strittige Frage, ob die Bestimmung des § 2 Abs. 2 VersVG absolut zwingend sei (dafür: Wahle in VersR 1966/999 f.;

Prölss - Martin, Versicherungsvertragsgesetz[21], S. 44; SZ 22/3, 37/98; anderer Meinung: Lorenz - Liburnau "Unechte Rückwärtsversicherung" in Versicherungsrundschau 1965, S. 70 ff.;

Ehrenzweig, Deutsches (österreichisches) Versicherungsvertragsrecht, S. 70 f.), bedarf keiner neuerlichen Untersuchung, weil die erhobenen Klagsansprüche auch unter den Versicherungsschutz der der Firma M von der Beklagten gewährten vorläufigen Deckung fallen, nach der - wie noch bei Erörterung des Rekurses der Beklagten auszuführen sein wird - auch fremdes Eigentum als mitversichert gilt.

Im Ergebnis ist jedoch der Rekurs teilweise berechtigt. Das Berufungsgericht hat nämlich die erstgerichtlichen Feststellungen über die Höhe des Schadens der Firma M an ihren Maschinen und technischen Einrichtungen als unbedenklich übernommen. Das über diese Schäden abgeführte Sachverständigenverfahren ist, wie ebenfalls noch auszuführen sein wird, für die Firma M nicht verbindlich. Im Hinblick auf die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses über die Zurückweisung des Vorbringens der Beklagten zu der von ihr behaupteten Leistungsfreiheit nach § 61 VersVG ist daher die Rechtssache im Sinne einer Bestätigung des erstgerichtlichen Zuspruches von 200 809 S samt 5% Zinsen seit 14. Feber 1973 entscheidungsreif. Hinsichtlich dieses Betrages war der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Rechtssache in diesem Umfange an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen. Diesem bleibt es überlassen, über den spruchreifen Teil des Klagsanspruches mit Teilurteil zu erkennen (siehe Fasching III, S. 570) oder das Ersturteil abermals in seinem stattgebenden Teil aufzuheben und dem Prozeßgericht erster Instanz aufzutragen, über den vorerwähnten Teil des Klagsanspruches mit Endurteil zu entscheiden.

C. Rekurs der Beklagten:

Als Verfahrensmangel rügt die Beklagte, daß das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung von der erstgerichtlichen Feststellung, wonach sich das Sachverständigenverfahren nur auf die Schäden an den Maschinen und technischen Einrichtungen der Firma M zu erstrecken hatte, abgewichen sei und seinerseits festgestellt habe, das Sachverständigenverfahren hätte sich auf die Ermittlung der Höhe des gesamten Sach- und Betriebsunterbrechungsschadens der Firma M bezogen. Eine derartige Feststellung hätte das Berufungsgericht nur nach Wiederholung sämtlicher vom Erstgericht aufgenommener Beweise treffen können.

Eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch das Berufungsgericht bildet jedoch nur dann den Revisionsgrund des § 503 Z. 2 ZPO, wenn sie abstrakt geeignet war, eine unrichtige Entscheidung des Berufungsgerichtes herbeizuführen (Fasching IV, S. 305). Dies ist jedoch hier nicht der Fall, weil die Frage, ob das Sachverständigenverfahren nur zur Feststellung der Schäden der Firma M an ihren Maschinen und technischen Einrichtungen beantragt wurde, für die Beurteilung der Verjährung der Nebenansprüche der Firma M und die Frage der Verbindlichkeit des Obmanngutachtens nicht von entscheidender Bedeutung ist.

Die Verjährung von Versicherungsansprüchen beginnt nach § 12 Abs. 1 VersVG mit dem Schluß des Jahres, in dem die Leistung verlangt werden kann. Entscheidend für den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist ist daher der Zeitpunkt, zu dem die Fälligkeit der geforderten Versicherungsleistung, die mit Verjährung bekämpft wird, eingetreten ist (Bruck - Möller, Versicherungsvertragsgesetz[8] I, S. 259; Prölss - Martin[21], S. 119; VersR 1966/627; 1971/433; 1977/99; zuletzt 7 Ob 73/77). Wird daher ein in einer Geldleistung bestehender Versicherungsanspruch erhoben, so tritt dessen Fälligkeit in der Regel nach der hiefür, maßgebenden Bestimmung des § 11 Abs. 1 VersVG mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistungspflicht nötigen Erhebungen durch den Versicherer ein (VersR 1966/627, 1971/433, 1977/99; zuletzt 7 Ob 73/77).

Die Bestimmung des § 11 Abs. 1 VersVG ist jedoch nicht zwingend. Der Zeitpunkt der Fälligkeit der vom Versicherer zu erbringenden Geldleistung kann daher auch durch Parteienvereinbarung bestimmt werden (Bruck - Möller, Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz[8] I, S. 246; Möller, Versicherungsvertragsrecht[3], S. 200). Eine solche Regelung enthält Art. 19 Abs. 1 der Allgemeinen Feuerversicherungs-Bedingungen 1960, nach dem die Entschädigung des Versicherten erst zwei Wochen nach ihrer vollständigen Feststellung fällig wird. Es kann jedoch vom Versicherer einen Monat nach Anzeige des Schadens als Teilzahlung jener Betrag verlangt werden, der nach der Lage der Sache (vom Versicherer) mindestens zu zahlen ist. Die Entschädigung des Versicherten aus der Feuerversicherung ist aber erst dann festgestellt, wenn sich die Parteien über die Höhe der Entschädigungssumme geeinigt haben oder die vom Versicherer zu leistende Zahlung in einem Sachverständigenverfahren errechnet worden ist (Wussow, Kommentar zu den AFB[2], S. 605, betreffend die Bestimmung des § 17 Abs. 2 der deutschen AFB, die mit der Regelung des Art. 19 Abs. 1 der österreichischen AFB 1960 fast wörtlich übereinstimmt), Zwischen der Beklagten und der Firma M bestanden aber Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des durch die Explosion verursachten Sachschadens, weshalb die Firma M mit Schreiben vom 23. Feber 1971 die Einleitung des Sachverständigenverfahrens im Sinne des Art. 17 AFB 1960 begehrte. Ob Gegenstand dieses Sachverständigenverfahrens die Höhe des der Firma M durch das Schadensereignis verursachten gesamten Sachschadens war, ist ohne Belang, weil im Hinblick auf die Bestimmung des Art. 19 Abs. 1 AFB 1960 die Fälligkeit der Entschädigung aus der Feuerversicherung erst dann eintritt, wenn diese Entschädigung zur Gänze (vollständig) festgestellt wurde. Wird daher das Sachverständigenverfahren auch nur zur Feststellung der Höhe eines Teiles der Entschädigung begehrt, so tritt trotzdem die Fälligkeit der gesamten Geldleistung des Versicherers erst mit der Beendigung oder dem endgültigen Scheitern des Sachverständigenverfahrens ein (Prölss - Martin, VersVG[21], S. 348 f.; SZ 38/138, 41/140; VersR 1965/602, 1966/576; zuletzt 7 Ob 29/76). Die Fälligkeit der Nebenansprüche der Firma M konnte daher - abgesehen von der Frage ihrer Feststellung - frühestens 14 Tage nach Abschluß des Sachverständigenverfahrens mit der Erstattung des Obmanngutachtens vom 13. März 1972 eintreten. Die zweijährige Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 VersVG hätte daher frühestens mit dem Schluß des Jahres 1972 ihren Anfang nehmen können. Bereits am 14. Feber 1973 wurde aber die Klage erhoben. Im Ergebnis mit Recht verneinte daher das Berufungsgericht die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung der Nebenansprüche der Firma M.

Die von der Beklagten aufgezeigte abweichende Regelung der Neuwertversicherung in den Allgemeinen Feuerversicherungs-Bedingungen 1960 und den Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung für industrielle und gewerbliche Anlagen (Fassung 1. Juli 1955) gegenüber den Allgemeinen Feuerversicherungs-Bedingungen 1969 und den Sonderbedingungen (Fassung 1969) ist ohne Bedeutung, weil der Kläger hinsichtlich der Maschinen und technischen Anlagen nur die Zeitwertentschädigung begehrt. Hinsichtlich des Sachverständigenverfahrens und der Frage, ob auch gemietete Gegenstände zu den versicherten Sachen gehören, ist hingegen die Regelung in den Allgemeinen Feuerversicherungs-Bedingungen 1960 die gleiche wie in den Allgemeinen Feuerversicherungs-Bedingungen 1969.

Richtig ist, daß durch die vorläufige Deckungszusage der Beklagten ein besonderes Versicherungsverhältnis begrundet wurde. Ob der daran anschließende endgültige Versicherungsvertrag als Rückwärtsversicherung zu betrachten sei, ist dagegen - wie bereits ausgeführt - ohne Bedeutung, weil die Klagsansprüche ohnedies unter den Versicherungsschutz der bis zum Abschluß des endgültigen Versicherungsvertrages dauernden vorläufigen Deckung fallen.

Das durch die gewährte vorläufige Deckung begrundete Versicherungsverhältnis bezog sich auch auf die von der Firma M gemieteten Gegenstände. Zwar trifft es zu, daß nach Art. 2 Abs. 1 AFB 1960 mangels einer anderen Vereinbarung nur die dem Versicherungsnehmer gehörigen Sachen versichert sind. Die Beklagte läßt jedoch außer acht, daß der Versicherungsantrag der Firma M vom 9. Juni 1969 den Beisatz enthält, daß fremdes Eigentum als mitversichert gilt, soweit es nicht anderweitig gedeckt ist. Dieser Antrag wurde von der Beklagten mit ihrem Schreiben vom 10. Juni 1969 angenommen, in welchem sie gleichzeitig der Firma M vorläufige Deckung für Feuerschäden zu den "Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen" gewährte. Durch die vollinhaltliche Annahme des Versicherungsantrages der Firma M wurden aber auch die dort vereinbarten Bedingungen und daher auch die Versicherung der dem Versicherungsnehmer nicht gehörigen Sachen Inhalt der von der Beklagten gewährten Deckungszusage.

Die Beklagte bekämpft schließlich die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Feststellung der Schadenshöhe durch den Obmann der Sachverständigen Dipl.-Ing. Hans Sch. nicht verbindlich sei. Dieser habe sich den Versuchen des Klägers, ihn zu einer Überschreitung seiner Zuständigkeit zu veranlassen, mit Erfolg widersetzt. Das vom Obmann erstattete Gutachten weiche auch keineswegs von der Wirklichkeit ab.

Die Beklagte übersieht dabei aber, daß auch Verfahrensmängel zur Anfechtung der Schadensfeststellung durch die Sachverständigen berechtigen, wenn sie auf die Richtigkeit des vom Obmann erstatteten Gutachtens von Einfluß gewesen sind (Prölss - Martin[21], S. 355 f.). Wurden von den Parteien für ein vereinbartes Sachverständigenverfahren besondere Formvorschriften festgelegt, so ist davon auszugehen, daß diese von den Parteien für wesentlich erachtet wurden. Dem durch die vorläufige Deckungszusage der Beklagten begrundeten Versicherungsverhältnis wurden aber die Allgemeinen Feuerversicherungs-Bedingungen 1960 zugrunde gelegt, deren Art. 17 Abs. 2 lit. b für das Sachverständigenverfahren folgende Regelung enthält: ... "Die Sachverständigen reichen ihre Feststellungen gleichzeitig dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer ein. Weichen die Ergebnisse ihrer Feststellungen voneinander ab, so übergibt sie der Versicherer unverzüglich dem Obmann. Dieser entscheidet über die strittig gebliebenen Punkte innerhalb der Grenzen beider Feststellungen und reicht seine Feststellung gleichzeitig dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer ein." Dieser Vorgang wurde hier nicht eingehalten, weil der Sachverständige Dipl.-Ing. Ernest R seine Schadensberechnung nur dem Obmann bei der örtlichen Besichtigung am 26. August 1971 zeigte. In Hinblick auf diese vom Kläger gerügte Verfahrensverletzung war der Sachverständige Dipl.-Ing. Ernest R der Meinung, daß auch nach Erstattung des Obmanngutachtens das Sachverständigenverfahren noch nicht abgeschlossen sei und er daher noch sein Gutachten einreichen könne. Hiezu sei nur erwähnt, daß der von den Parteien ernannte Sachverständige sein Gutachten nur dann nicht mehr widerrufen kann, wenn er es im Sinne der vorangehenden Ausführungen eingereicht hat oder es sonst den Parteien zugegangen ist (Wussow, Kommentar zu den AFB[2], S. 549). Das Sachverständigenverfahren leidet somit an einem wesentlichen Formmangel. Sicher können die Parteien auch einem mit formellen Mängeln behafteten Sachverständigenverfahren zustimmen. Dies ist jedoch hier nicht geschehen, weil der vorerwähnte Mangel vom Kläger bereits in der Klage gerügt worden ist. Das vom Obmann erstattete Gutachten ist daher nicht verbindlich. Ob es auch von der Wirklichkeit erheblich abweicht, braucht demnach nicht mehr untersucht zu werden. Ebenso kann die Frage, ob die Einleitung des Sachverständigenverfahrens von der Firma M auch zur Feststellung der Höhe ihrer Nebenansprüche beantragt wurde, auf sich beruhen. Hinsichtlich dieser Ansprüche ist allerdings die Sache noch nicht spruchreif, weil das Erstgericht im Hinblick auf seine unrichtige Rechtsansicht in der Verjährungsfrage keine ausreichenden Feststellungen zu ihrer Höhe getroffen hat.

Das Erstgericht wird daher sein Verfahren zu den vorerwähnten Ansprüchen in dem ihm vom Berufungsgericht aufgetragenen Umfange zu ergänzen, sich aber auch noch mit der von der Beklagten behaupteten Leistungsfreiheit nach Art. 13/3 AFB 1960 zu befassen haben. In der Verhandlungstagsatzung vom 25. Mai 1976 behauptete nämlich die, Beklagte, daß ihr die Firma M trotz Aufforderung in Verletzung der Bestimmungen des Art. 13 Abs. 1 lit. c AFB 1960 eine unrichtige bzw. unvollständige Zusammenstellung über den Umfang ihres Schadens an Halb- und Fertigfabrikaten vorgelegt habe, weshalb auf die erst später erhobenen, darüber hinausgehenden Ansprüche (für Schäden an Halb- und Fertigfabrikaten) nicht mehr Bedacht zu nehmen sei. Das Erstgericht wird allerdings zu beachten haben, daß die Beklagte im Hinblick auf die Regelung des § 6 Abs. 3 VersVG nur die objektive Verletzung der Obliegenheit nach Art. 13 Abs. 2 AFB 1960 durch die Firma M dartun muß. Sollte der Beklagten dieser Beweis gelingen, so wird der Kläger zu beweisen haben, daß die Firma M die vorgenannte Obliegenheit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt habe (Wussow, Kommentar zu den AFB[2], S. 507 f.). Bei grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung gilt die Regelung des Art. 13/3, 2. Absatz AFB 1960.

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