Spruch:
Nach der Verkehrssitte sind Bestandnehmer, wenn jedem von ihnen der Gebrauch des ganzen Bestandgegenstandes zusteht, zur Zahlung des Zinses solidarisch verpflichtet.
Entscheidung vom 13. März 1957, 7 Ob 93/57.
I. Instanz: Bezirksgericht Kitzbühel; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.
Text
Der Kläger hat den Hof G. in Kitzbühel - Land zu Beginn des Jahres 1951 erworben. Der Beklagte war laut Behauptung der Klage damals Pächter auf dem Hofe. Die Parteien haben zunächst eine Verlängerung des Pachtvertrages auf die Dauer eines Jahres vereinbart, doch wurde das Pachtverhältnis auch in den folgenden Jahren fortgesetzt und erst zum Ende des Jahres 1954 vom Kläger aufgekundigt.
In der am 24. April 1956 überreichten Klage begehrte der Kläger, den Beklagten zur Zahlung des rückständigen Pachtschillings von je 2400 S für die letzten drei Jahre, also im ganzen von 7200 S, zu verhalten. Im Klagevorbringen wird ausgeführt, der Beklagte hätte entsprechend dem mit dem Besitzvorgänger abgeschlossenen Pachtvertrag jährlich 2400 S und Sachleistungen in beträchtlicher Höhe erbringen sollen, doch sei es dazu nicht gekommen, weil vereinbart wurde, daß der Beklagte das ihm gehörige Inventar dem Kläger zur Deckung der Schulden bei seinem Wegzuge vom Hofe überlassen werde. Da der Beklagte aber fast das gesamte Inventar weggebracht habe, müsse der Kläger den rückständigen Pachtschilling im Klagewege fordern.
In der mündlichen Streitverhandlung legte der Kläger die mit 2. Jänner 1951 datierte Vertragsurkunde vor; darin verpflichteten sich der Beklagte und seine am 24. Mai 1955 verstorbene Gattin, den Hof nach den Anweisungen des Klägers zu bewirtschaften und an ihn jährlich 1200 l Milch, 30 kg Butter und 20 kg Magerkäse abzuliefern; der übrige Ertrag aus der Milchwirtschaft und aus der Viehzucht sollte ihnen für ihre Mühewaltung verbleiben. Bei Vorlage der Urkunde behauptete der Kläger in Ergänzung seines Klagevorbringens, daß auch diese Naturalleistungen bei Auflösung des Pachtverhältnisses mit dem Werte des Inventars verrechnet werden sollten und daß er, da der Beklagte alle Inventargegenstände mitgenommen habe, für diese Naturalleistungen nunmehr den ohnehin niedrig bemessenen Gegenwert verlange.
Der Beklagte hat behauptet, daß ihm die Zahlung eines Pachtzinses vom Kläger erlassen worden sei; er hat weiter Verjährung der seit dem Klagstage mehr als drei Jahre rückständigen Pachtzinse eingewendet und erklärt, daß er einen Betrag von 500 S für einen Kasten und zwei Bettgestelle sowie einen Butterkübel, die auf dem Hofe zurückgeblieben seien, aufrechne. Schließlich hat der Beklagte das Vorliegen eines Pachtvertrages bestritten, weil die für Pachtverträge gesetzlich erforderliche grundverkehrsbehördliche Genehmigung nicht eingeholt worden sei, und für den Fall, als der Bewirtschaftungsvertrag wirksam sein sollte, Mangel der passiven Klagslegitimation zur Hälfte eingewendet, weil der Vertrag auf den Beklagten und seine verstorbene Gattin gelautet habe, der Vertrag keine Verbindlichkeit zur ungeteilten Hand vorsehe und der Beklagte auch nicht Erbe nach seiner Gattin sei.
Die Parteien haben außer Streit gestellt, daß der Pachtvertrag zwischen dem Rechtsvorgänger des Klägers und dem Beklagten abgeschlossen wurde und daß dessen Ehegattin an diesem Pachtvertrage nicht beteiligt war.
Das Erstgericht hat nach Aufnahme von Beweisen den Erlaß des Pachtzinses verneint und den Beklagten unter Hinweis auf § 1041 ABGB. zur Zahlung von 4039 S 60 g verurteilt. Es sei ein Pachtvertrag und kein Dienstvertrag anzunehmen, weil die Risken der Wirtschaftsführung allein vom Beklagten getragen worden seien; es fehle aber die grundverkehrsbehördliche Genehmigung, weshalb der Pachtvertrag nach § 879 ABGB. ungültig sei. Da der Nutzung der Liegenschaft also kein wirksames Vertragsverhältnis zugrunde liege, müsse der Beklagte ein Benützungsentgelt leisten, für das der begehrte Betrag von 20O S monatlich durchaus angemessen sei. Die Einrede der Verjährung sei begrundet; im § 1486 Z. 4 ABGB. sei wohl nur von Miet- und Pachtzinsen die Rede, doch müsse diese Bestimmung sinngemäß auch auf das Benützungsentgelt angewendet werden; dem Kläger könne daher für das Jahr 1952 und anschließend bis zum 24. April 1953 kein Benützungsentgelt zugesprochen werden. Die Einrede der mangelnden Passivlegitimation gehe fehl, weil dem Beklagten die Nutzungen aus der Bewirtschaftung der Liegenschaft zugute gekommen seien und infolgedessen der Verwendungsanspruch gegen ihn bestehe. Die Gegenforderung sei nicht gerechtfertigt, weil der Kläger nur sein gesetzliches Pfandrecht geltend gemacht habe und daher eine Forderung überhaupt nicht entstanden sei.
Das Berufungsgericht hat der Berufung des Beklagten Folge gegeben, das Urteil in seinem stattgebenden Teile aufgehoben und die Sache an das Prozeßgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Es hat die wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes übernommen, jedoch die Rechtsnatur des Vertrages offen gelassen. Abweichend vom Erstgerichte ist es der Ansicht, daß der Vertrag für beide Parteien bindend sei, weil die Ungültigkeit von keiner der Parteien geltend gemacht wurde und von Amts wegen nicht wahrzunehmen sei. Da aber nicht erörtert wurde, ob der Kläger mit dem Begehren auf Geldleistung das Interesse für die unterbliebenen Naturalleistungen verlange, ob die nach dem Vertrage gebührenden Naturalleistungen jetzt noch erbracht werden könnten und ob, allenfalls in welcher Höhe, an ihrer Stelle eine Geldleistung gefordert werden könne, bedürfe es einer Ergänzung des Verfahrens; die Rechtssache sei aus dem Gründe des § 496 Abs. 1 Z. 3 ZPO. an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die Aufrechnung hat das Berufungsgericht mit der Begründung abgelehnt, daß der Beklagte für die behauptete Gegenforderung überhaupt keinen Rechtsgrund angeführt habe; die weitere Forderung in nicht angegebener Höhe für die Verköstigung von Arbeitern sei in erster Instanz nicht als Gegenforderung eingewendet worden und daher nicht beachtlich.
Der Oberste Gerichtshof hob den Beschluß des Berufungsgerichtes mit dem Auftrage auf, über die Berufung neuerlich zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es ist davon auszugehen, daß aus den vom Erstgericht dargelegten Gründen das zwischen den Parteien bestandene Rechtsverhältnis als Pachtvertrag zu beurteilen war.
Das Berufungsgericht hat die Feststellung des Prozeßgerichtes, daß dem Beklagten der Pachtzins nicht erlassen worden sei, übernommen. Die in Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortete Frage, ob der Genehmigungsbedürftigkeit nach den Grundverkehrsgesetzen die Bedeutung einer suspensiven oder einer resolutiven Bedingung zukomme, braucht hier nicht untersucht zu werden, denn die Parteien sind jedenfalls an den Vertrag bis zu einer Versagung der Genehmigung gebunden. Daß dem Pachtvertrage die Genehmigung versagt worden sei, ist nicht behauptet worden. Die Einwendung des Beklagten, er sei nur zur Hälfte passiv legitimiert, ist nicht begrundet, denn nach der Verkehrssitte sind Bestandnehmer, denen der Bestandgegenstand derart überlassen wird, daß jedem von ihnen der Gebrauch der ganzen Sache zusteht, zur Zahlung des Zinses solidarisch verpflichtet. Was aber die Frage anlangt, ob Geld- oder Naturalleistung und deren Ersatz vom Kläger verlangt wird, vermag der Oberste Gerichtshof dem Berufungsgerichte nicht zu folgen, daß hier noch ergänzende Erörterungen notwendig seien. Der Kläger hat wohl zunächst die Zahlung des rückständigen Pachtschillings begehrt und später ein Begehren auf Ersatz der gleichfalls nicht erbrachten Naturalleistungen gestellt. Wenn diese Erklärung in der fortgesetzten mündlichen Verhandlung auch nicht mit der wünschenswerten Deutlichkeit protokolliert erscheint, so kann doch nach dem vorangegangenen Prozeßgeschehen kein Zweifel bestehen, daß der Kläger an Stelle der zuerst begehrten Zahlung des rückständigen Pachtschillings nunmehr den Ersatz für die nicht erbrachten Naturalleistungen verlangt. Darin liegt keine Klageänderung, weil der Klagegrund nicht geändert wurde und auch das Begehren dasselbe geblieben ist; aber selbst wenn man eine solche annehmen wollte, wäre daraus nichts zu gewinnen, da der Beklagte nicht widersprochen und weiterverhandelt hat. Es ist überwiegender Standpunkt der Rechtsprechung, daß bei Verzug mit der Leistung nach bürgerlichem Recht ohne weiteres das Interesse verlangt werden kann. Der Oberste Gerichtshof hat auch in wiederholten Entscheidungen (SZ. XXIV 344 u. a.) erklärt, daß der Kläger die Wahl hat, ob er die geschuldete Leistung oder das Interesse in Geld verlangen will. Dieses ist ihm zuzusprechen, wenn bis zum Schlusse der Verhandlung erster Instanz die primär geschuldete Leistung nicht erbracht wird. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Naturalleistungen noch erbracht werden können; Geldersatz ist schon infolge des Verzuges zu leisten. Es ist nicht notwendig, daß vorher vergeblich versucht worden ist, die Erfüllung der Leistung durch Exekution zu erreichen. Es kann, wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, der Geschädigte an Stelle des Naturalersatzes auch dann, wenn eine Beschaffung möglich wäre, den Gegenwert in Geld verlangen.
Da sich im erstgerichtlichen Urteile auch zur Frage der Angemessenheit des begehrten Ersatzes Feststellungen finden, besteht keine Veranlassung, das Urteil erster Instanz zur Ergänzung des Verfahrens aufzuheben.
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