Normen
Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §12 (1) lita
Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §12 (1) lita
Spruch:
Zur Abgrenzung zwischen "Betriebsschaden" und "Unfall". Absinken eines mit Schotter beladenen Lastkraftwagens beim Kippen auf einer Baustelle ist gewöhnliche Betriebsgefahr.
Entscheidung vom 30. April 1968, 7 Ob 91/68.
I. Instanz: Bezirksgericht Obernberg am Inn; II. Instanz Kreisgericht Ried im Innkreis.
Text
Zwischen den Parteien bestand ein Kaskoversicherungsverhältnis hinsichtlich des dem Kläger gehörigen LKWs mit 1000 S Selbstbehalt. Der Kläger führte am 13. Juni 1965 mit diesem Wagen Schotter auf eine Baustelle der neu zu errichtenden W.-Landesstraße, was er in jener Zeit täglich besorgte. Als der Kläger auf der Baustelle den Wagen abkippte, gab auf der linken Seite der Boden nach, wodurch das Fahrzeug umstürzte und beschädigt wurde.
Der Kläger begehrt den Ersatz seines Schadens. Die Beklagte wendet ein, es liege ein Betriebsschaden vor, für den sie gemäß § 12 (1) lit. a AKB. auf Grund der Fahrzeugversicherung nicht hafte. Zum Unfall sei es deshalb gekommen, weil der Kläger den Wagen auf einer Baustelle, wo der Boden nicht befestigt gewesen sei, verwendet habe.
Das Erstgericht wies zunächst das Klagebegehren mit Urteil vom 22. Februar 1967 ab, weil ein Betriebsschaden vorliege. Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung mit Beschluß vom 29. August 1967 ohne Vorbehalt der Rechtskraft auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück. Es vertrat die Ansicht, daß kein Betriebsschaden vorliege, der Klagsanspruch also dem Gründe nach zu Recht bestehe, so daß nur noch die Höhe des Anspruches festzustellen sei. Nachdem letzterer von den Parteien einverständlich mit 5000 S angegeben worden war, wovon 1000 S an Selbstbehalt abzuziehen sind, verurteilte das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung dieses Betrages samt Nebengebühren und wies das Mehrbegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Von einem Betriebsschaden kann nur gesprochen werden, wenn der Schaden durch eine Gefahr herbeigeführt worden ist, die unter Berücksichtigung der Art, wie das Fahrzeug verwendet wurde, damit gewöhnlich verbunden ist und gewöhnlich auch überstanden wird. Das Gegenstück dazu bildet der Unfall, ein außergewöhnliches Ereignis (vgl. in diesem Sinn ZVR. 1966 Nr. 36 S. 48 = SZ. XXXVIII 90, Stiefel - Wussow[6] S. 417 f.). Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung SZ. XXXVIII 90 ausgesprochen, daß es keinen Betriebsschaden darstellt, wenn eine Planierraupe vom Rand eines Müllablagerungsplatzes abstürzt. Im vorliegenden Fall sank der Wagen beim Kippen auf einer Baustelle ein. Das Kippen bringt an und für sich eine Verlagerung des Gewichtes mit sich. Dazu kommt, daß auf einer Baustelle gewöhnlich ein fester Belag
ehlt und daher ein teilweises Einsinken, das mit der Gefahr des Umstürzens verbunden ist, umso eher möglich ist. Solche Ereignisse können ohneweiters vorausgesehen werden, weil sie gewöhnliche Betriebsgefahren sind, denen auf geeignete Weise zu begegnen ist. In diesem Sinn ist auch die Entscheidung des BGH. VersR. 1963 S. 772 gehalten, wo ein Schaden durch Unebenheiten und Schlamm auf einem Kohlenplatz als Betriebsschaden gewertet wird. Nach § 12 (1) lit. a AKB. trägt der Versicherer nur das Risiko außerordentlicher Ereignisse, also von Unfällen, nicht aber von Schäden, welche die Art der Verwendung des Kraftfahrzeuges mit sich bringt, oder sonstigen Betriebsschäden.
Mit dieser Auffassung steht die erwähnte Entscheidung SZ. XXXVIII 90 nicht in Widerspruch. Denn in dem dieser zugrunde liegenden Fall war das typische Betriebsrisiko wesentlich enger. Planierraupen sind wie alle Raupenfahrzeuge zur Bewegung auf einem weicheren Grund besser geeignet als Lastkraftwagen mit Rädern, sie werden daher in der Regel nur bei außerordentlichen Verhältnissen einsinken. Dazu kommt, daß das Kippen mit seiner ungewöhnlichen Schwerpunktlage weitere Betriebsgefahren mit sich bringt.
Anders würde der Fall nur liegen, wenn das Absinken durch ein außerordentliches Ereignis, wie Unterwaschung der Fahrbahn auf der Baustelle, herbeigeführt worden wäre. Eine solche Behauptung hat der Kläger jedoch nicht aufgestellt.
Aus dem Gesagten ergibt sich, daß das Berufungsgericht die Sache so weit unrichtig rechtlich beurteilt hat, als es das Vorliegen eines Betriebsschadens verneint hat. Es war daher der Revision Folge zu geben und in Abänderung der untergerichtlichen Urteile das restliche Klagebegehren abzuweisen.
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