Spruch:
Der Übernehmer eines Sondervermögens haftet nach § 1409 ABGB auch für die auf einem persönlichen, vertragswidrigen Verhalten des Veräußerers beruhenden Schadenersatzforderungen, sofern sie im sachlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem übernommenen Sondervermögen stehen
OGH 17. Feber 1977, 7 Ob 834/76 (LGZ Wien 41 R 550/76; BG Favoriten 3 C 626/75)
Text
Dr. Herbert W war im Jahre 1972 Alleininhaber der "Metallwarenfabrik Dr. Herbert W, zu der die Liegenschaften EZ 199 und 1305 KG S mit dem Haus Wien 11, D-Gasse Nr. 5, als Betriebsliegenschaften gehörten. Mit Übertragungs- und Übernahmsvertrag vom 18. Oktober bzw. 21. Oktober 1974 brachte Dr. Herbert W sein Einzelunternehmen mit den vorgenannten Liegenschaften in die neu gegrundete "Metallfabrik Dr. Herbert W Ges. m. b. H." (Beklagte) ein. Alleiniger Geschäftsführer dieser Gesellschaft ist Dr. Herbert W. Die Klägerin betreibt in dem von ihr gemieteten ebenerdigen Trakt des Baukomplexes Wien 11, D-Gasse Nr. 5, einen Schuhgroßvertrieb.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Zahlung von 288 169 S. Durch einen am 3. August 1972 erfolgten Wassereintritt in ihre Bestandsräumlichkeiten sei ihr ein Schaden in der Höhe des Klagsbetrages entstanden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es war der Ansicht, die Klagsforderung betreffe nicht eine zum veräußerten Unternehmen gehörige Schuld, sondern stelle einen auf einem persönlichen Verhalten des Voreigentümers beruhenden Schadenersatzanspruch dar. Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurück.
Der Schadenersatzanspruch der Klägerin stütze sich auf die behauptete Verletzung der Verbindlichkeit des Voreigentümers, das Bestandobjekt in einem brauchbaren Zustand zu erhalten (§ 1096 ABGB). Kannte der Erwerber eines Unternehmens eine derartige Schuldverbindlichkeit bei dessen Übergabe oder mußte er sie kennen, so hafte er für diese, wenn sie zum übernommenen Unternehmen gehört habe. Dies sei hier zu bejahen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Im Hinblick auf den von der Klägerin behaupteten Übergang des Einzelunternehmens des Dr. Herbert W auf die neu gegrundete Gesellschaft m. b. H. ist davon auszugehen daß als Klagsgrund nicht nur die zwischen der Rekurswerberin und Dr. Herbert W getroffene Vereinbarung über die Übernahme der Geschäftsverbindlichkeiten, sondern auch die stattgefundene Übernahme des Unternehmens des Vorgenannten (Metallwarenfabrik Dr. Herbert W) durch die Rekurswerberin geltend gemacht wird. Richtig ist allerdings, daß der im § 1409 ABGB nominierte Schuldbeitritt auf die zum Unternehmen Vermögen) gehörigen Schulden beschränkt ist. Die Schulden müssen daher in einem sachlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Unternehmen stehen und zum Zweck des Erwerbs, der Verbesserung oder zum Betrieb des Unternehmens eingegangen worden sein (Wolff - Klang[2] VI, 355; Ehrenzweig[2] II/1, 282; Wellacher, Die Schuldenhaftung des Übernehmers beim Übergang von Vermögen und Unternehmungen, 50 f.; Koziol, Welchen Schulden tritt der Übernehmer eines Vermögens, Unternehmens oder Handelsgeschäftes bei? in JBl. 1967, 550 ff., insbesondere 557 f., SZ 14/184, 16/108; HS 5032; 6 Ob 59, 60/72; zuletzt 1 Ob 1/74). Bei dem Haus Wien 11, D-Gasse Nr. 5, handelt es sich nach den Feststellungen der Untergerichte um eine im Eigentum der seinerzeitigen Einzelfirma Metallwarenfabrik Dr. Herbert W gestandene Betriebsliegenschaft. Der von der Klägerin mit Dr. Herbert W abgeschlossene Bestandvertrag diente daher der Verwaltung des Firmenvermögens (Wellacher, 50). Die aus der behaupteten schuldhaften Verletzung dieses Bestandvertrags durch Dr. Herbert W resultierende Schadenersatzforderung der Klägerin steht daher sowohl in einem sachlichen als auch wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem von der Rekurswerberin übernommenen Unternehmen. Die vom OGH in seinen Entscheidungen SZ 9/22 und 11/267 vertretene Rechtsansicht, daß der Übernehmer eines Sondervermögens nicht für die auf einem persönlichen vertragswidrigen Verhaltens des Veräußerers beruhenden Schadenersatzforderungen hafte, wurde in der aufrechterhalten (SZ 14/184, 16/108; HS 5032) und von der Lehre ausdrücklich abgelehnt (Klang, § 1409 ABGB in der Rechtsübung in JBl. 1948/437 ff. insbesondere § 442; Koziol in JBl. 1967, 557 f.). Damit steht auch die Entscheidung SZ 16/108 nicht im Widerspruch, weil es sich bei Bürgschaftsschulden des Veräußerers eines Unternehmens oder Vermögens zugunsten eines Dritten in der Regel nicht um solche Verbindlichkeiten handelt, die zum Unternehmen oder Vermögen gehören. Der Übernehmer eines Unternehmens oder Vermögens nach § 1409 ABGB tritt allerdings nur jenen Schulden bei, die er bei der Übergabe kannte oder kennen mußte. Dies ist jedoch hier als selbstverständlich vorauszusetzen, weil Dr. Herbert W der alleinige Geschäftsführer der Rekurswerberin ist. Daß die Rekurswerberin schon so viel an Schulden des übernommenen Unternehmens berichtigt hätte, wie dessen Wert beträgt, wurde von ihr nicht behauptet. Die Voraussetzungen für einen gesetzlichen Schuldbeitritt der Rekurswerberin im Sinne des § 1409 ABGB liegen somit vor.
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