European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0070OB00082.75.0506.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.224,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen 660,— S, Umsatzsteuer 94,40 S) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Unbestritten ist folgender Sachverhalt:
Der Beklagte mietete für die Zeit vom 18. April 1970, 9 Uhr, bis 20. April 1970, 8 Uhr, von der Firma Autoverleih *, den in deren Eigentum stehenden PKW., Kennzeichen *. Als Miete wurden einschließlich der Kosten für die Haftpflicht- und Kaskoversicherung 400,— S täglich vereinbart. Bei Benützung des Fahrzeuges für mehr als 100 km täglich wurden pro Kilometer 2,20 S vereinbart. Punkt 7.) des Selbstfahrer-Mietvertrages vom 18. April 1970, Beilage I, lautet wie folgt:
„Der Mieter haftet für alle Schäden, die dem Vermieter und dritten Personen durch unsachgemäße Behandlung oder nicht rechtzeitige Rückgabe des Fahrzeuges entstehen. Hiezu gehören die Reparaturkosten, soweit diese nicht durch die Kaskoversicherung gedeckt sind … jeden durch Versicherungen nicht gedeckten Schaden trägt der Mieter“.
Am 20. April 1970 kam der Beklagte mit dem vorgenannten PKW. im Bereiche der Ortschaft Weinzödl beim Befahren einer unübersichtlichen Rechtskurve der Bundesstraße Nr. 67 mit einer Geschwindigkeit von 120 km/h auf die linke Fahrbahnseite und stieß dort gegen einen Baum. Mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h hätte er in die Kurve noch gefahrlos einfahren können. Durch den Unfall trat an dem PKW. Totalschaden auf. Mit Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 30. Juni 1970, 7 U 602/70‑6, wurde der Beklagte wegen dieses Unfalles der Übertretung gegen die körperliche Sicherheit nach § 431 StG. schuldig erkannt. Der PKW. war im Zeitpunkte des Unfalles bei der Klägerin kaskoversichert. Diese ersetzte der Firma Autoverleih * nach Abzug des vereinbarten Selbstbehaltes von 10.000 S einen Schaden in der Höhe von 86.700 S.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin mit der Behauptung, daß die Schadenersatzansprüche der Firma Autoverleih * gegen den Beklagten auf sie übergegangen seien, von diesem die Bezahlung von 86.700 S samt 4 % Zinsen seit 1. Juli 1970. Der Beklagte habe den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt, so daß die Klägerin nach den Versicherungsbestimmungen leistungsfrei bzw. berechtigt sei, den obigen Schaden vom Beklagten ersetzt zu verlangen. Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und bestritt den Regreßanspruch der Klägerin dem Grunde und der Höhe nach. Am Zustandekommen des Unfalles habe er nicht grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.
Bereits mit Urteil vom 20. November 1973, ONr. 25, wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht hob jedoch das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück. In seinem Aufhebungsbeschluß hob das Berufungsgericht hervor, daß für den Regreßanspruch nach § 67 VersVG. leichtes Versehen des Dritten genüge. Maßgebend für die Frage, ob ein (nach § 67 VersVG.) übergangsfähiger Schadenersatzanspruch vorliege, sei daher der Inhalt des vom Beklagten mit der Firma Autoverleih * bezüglich des eingangs erwähnten PKWs, abgeschlossenen Mietvertrages.
Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren abermals ab. Es war der Ansicht, daß ein kongruenter Schadenersatzanspruch der Firma Autoverleih * gegen den Beklagten nicht vorhanden sei. Nach Punkt 7.) des Selbstfahrer-Mietvertrages (Beilage ./I) hafte nämlich der Beklagte der Verleiherfirma gegenüber für die Reparaturkosten des gemieteten PKWs, nur soweit, als sie durch die Kaskoversicherung nicht gedeckt seien. Der Klagsanspruch sei somit nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es teilte im wesentlichen die Rechtsansicht des Erstgerichtes und erblickte in den Berufungsausführungen der Klägerin, daß der Klagsanspruch im Hinblick auf die Bestimmungen des § 61 VersVG berechtigt erscheine, eine im Berufungsverfahren unzulässige Neuerung.
Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus den Revisionsgründen des § 503 Z. 3 und 4 ZPO. mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde.
Der Beklagte beantragt, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Als aktenwidrig rügt die Revisionswerberin die „Feststellungen“ des Berufungsgerichtes, daß sie ihr Klagebegehren ausdrücklich auf § 67 VersVG. gestützt und auch im zweiten Rechtsgang diesen Rechtsgrund nicht geändert habe. Tatsächlich habe sie ihre Regreßklage auch auf grobe Fahrlässigkeit gestützt.
Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn ein Gericht den Akteninhalt in einem wesentlichen Punkte unrichtig wiedergibt. Mit den vorgenannten Ausführungen hat aber das Berufungsgericht nur die von der Revisionswerberin behaupteten rechtserzeugenden Tatsachen einer rechtlichen Qualifikation unterzogen, deren Bekämpfung mit Rechtsrüge zu erfolgen hat. Die vorgenannten Revisionsausführungen sind daher diesem Revisionsgrund zu unterstellen. Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt somit nicht vor.
Auch die Rechtsrüge ist im Ergebnis nicht berechtigt. Bei der Kaskoversicherung ist nur das Interesse des Eigentümers an dem Sachwert des Fahrzeuges versichert. Der Mieter eines Kraftfahrzeuges ist daher im Gegensatz zur Haftpflichtversicherung nicht Mitversicherter der Kaskoversicherung (Stiefel-Wussow, Kraftfahrversicherung9, Seite 504 f., ZVR 1961/317 u. a. m.), sondern Dritter, gegen den vom Versicherer bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 67 VersVG. Regreßansprüche erhoben werden können. Eine Beschränkung dieses Regreßanspruches gegen den Mieter eines Kraftfahrzeuges auf vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles im Sinne des in der Bundesrepublik Deutschland geltenden § 15 Abs. 2 AKB. (Stiefel-Wussow S. 613) besteht für den österreichischen Rechtsbereich – in den AKIB. fehlt eine solche Bestimmung –nicht. Das Rückgriffsrecht des Versicherers nach § 67 VersVG. kann aber durch eine zwischen dem gewerbsmäßigen Vermieter und dem Mieter getroffene Vereinbarung über einen Haftungsausschluß für Beschädigungen des gemieteten Fahrzeuges bei leichter Fahrlässigkeit beschränkt werden (Stiefel-Wussow, Seite 612; VersR 1956/725, ZVR 1961, 317). Ob ein solcher Haftungsausschluß im Sinne der Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofes VersR 1961/992 ff. – kritisiert von Lange in VersR 1962/535 f. – auch bei grob fahrlässiger Beschädigung des Kraftfahrzeuges dem Kaskoversicherer des Vermieters gegenüber wirksam ist, braucht diesmal nicht näher untersucht zu werden. Grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 61 VersVG. setzt nämlich eine solche Außerachtlassung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt voraus, die sich aus der Menge der auch für den Sorgfältigsten, nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens als eine auffallende Sorglosigkeit hervorhebt. Die Sorgfaltsverletzung muß sich daher erheblich und ungewöhnlich vom Regelfall abheben, so daß der Schaden als wahrscheinlich voraussehbar und der Sorgfaltsverstoß bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles auch als subjektiv schwer vorzuwerfen ist (EvBl 1973/265, 7 Ob 140/74 u.a.m.). Unter diesem Gesichtspunkt stellt aber eine nicht beträchtliche Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit für sich allein noch keine auffallende Sorglosigkeit dar (ZVR 1972/182, 7 Ob 140/74, zuletzt 7 Ob 252/74). Der Beklagte überschritt jedoch die in der Unfallskurve der gut ausgebauten Bundesstraße Nr. 67 (S. 59) zulässige Geschwindigkeit (100 km/h) nur um 20 % (120 km/h). In seinem Fehlverhalten kann somit eine grobe Fahrlässigkeit nicht erblickt werden. Im Ergebnis mit Recht verneinten daher die Unterinstanzen das Vorhandensein eines nach § 67 VersVG. übergangsfähigen kongruenten Schadenersatzanspruches der Firma Autoverleih * gegen den Beklagten. Ob im Punkt 7.) des Selbstfahrer-Mietvertrages nach der Parteienabsicht ein Haftungsausschluß auch für grob fahrlässige Beschädigungen des Mietwagens vereinbart wurde, kann dahingestellt bleiben.
Ob die Revisionswerberin ihren Regreßanspruch bereits im Verfahren erster Instanz auch auf § 61 VersVG. gestützt hat, braucht nicht näher untersucht zu werden. Berechtigt wäre nämlich das Klagebegehren auch in diesem Falle nur dann, wenn der Beklagte den Versicherungsfall (Verkehrsunfall) grob fahrlässig herbeigeführt hätte. Ob die diesbezüglichen Ausführungen der Revisionswerberin als unzulässige Neuerung zu betrachten sind, kann daher dahingestellt bleiben.
Die Revision der Klägerin erweist sich somit als nicht berechtigt.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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