OGH 7Ob72/73

OGH7Ob72/7325.4.1973

SZ 46/43

Normen

ABGB §858
ABGB §858

 

Spruch:

Die Verpflichtung zur Neuaufführung oder Instandsetzung eines Grenzzaunes kommt nicht einer Dienstbarkeit gleich. Sie besteht nur unter der Voraussetzung, daß durch die Öffnung für den Grenznachbarn (nun) "Schaden zu befürchten steht". Da dies für den nächsten Anlaßfall nicht abzusehen ist, besteht kein fortlaufender Instandhaltungsanspruch

OGH 25. April 1973, 7 Ob 72/73 (LGZ Graz 4 R 639/72; BG Fürstenfeld C 97/72 )

Text

Die Kläger begehren als Eigentümer des Gartengrundstückes 195/1 KG X von den Beklagten als Eigentümern des angrenzenden Gartengrundstückes 80/1 KG Y die Ernennung eines an der Grenze zwischen diesen Grundstücken befindlichen, seinerzeit vom Rechtsvorgänger der Beklagten errichteten und jetzt verfallenen Zaunes sowie dessen künftige Instandhaltung.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Nach seinen Feststellungen befindet sich der zum Teil bereits verfallene, 1.60m hohe staketenartige Zaun an der Grundstücksgrenze am Fuß einer bereits zum Gründe der Kläger gehörenden steilen Böschung. Von den 11 Feldern bestehen heute zum Teil noch vier. Zur Straße hin ist der Grund der Kläger durch eine bis zu 4 m hohe Thujenhecke und einen Gitterzaun von 1.35 m samt Betonsockel von 40 cm Höhe abgegrenzt, der Grund der Beklagten mit einer Ligusterhecke von durchschnittlich

1.20 m Höhe und 70 cm bis 1 m Breite, die jedoch an der Stelle des Zusammenstoßes der beiden Gärten nur mit einzelnen Ästen an der Grenz-Betonsäule anschließt. Das Loch ist mit einem lose hängenden Stacheldraht 30 cm über dem Boden zum Teil geschlossen. Von diesem lebenden Zaun, der durch Beiseiteschieben der einzelnen Ligustersträucher ohne nennenswerte Schwierigkeiten durchschritten werden kann, fällt das Gelände im Garten der Beklagten in einer steilen Böschung von zirka 45[o] mit einer Böschungshöhe von 3 bis 4 m ab, doch sind am südwestlichen Eck des Gartens dessen Gelände und das öffentliche Gut niveaugleich. Zu einem weiteren Nachbargrundstück des Ehepaares M ist der Garten der Kläger durch eine äußerst schüttere Thujenhecke in der Höhe von 1.05m bis 1.85m, durch die in der Höhe von 10 und 75 cm zwei einfache Drähte gezogen sind, auf eine Länge von zirka 8 m abgezäunt, wobei dieser lebende Zaun an der Stelle seiner Mindesthöhe leicht überstiegen werden kann; anschließend bildet bis zur nordwestlichen Ecke der Rest der Stadtmauer, die schon sehr stark verfallen und mit Buschwerk, Bäumen und Rankengewächsen verwachsen ist, die Grenze. Zwischen dem Grundstück der Eheleute M und dem Garten der Beklagten befindet sich eine Ligusterhecke von 1.05 m bis 1.80 m Höhe, die aber zum Teil noch nicht richtig angewachsen, also lückenhaft ist und in der sich nahe dem Garten der Kläger eine Lücke von 3.20 m Länge befindet, in der ein Strauch Goldglöckchen und ein Ginster gesetzt sind. Zu einer weiteren Gasse hin ist der Garten der Beklagten mit einem massiven Zaun begrenzt.

Um das Jahr 1967 begann der strittige Zaun zu verfallen. Damals erklärte der die Mehrheit der Eigentumsanteile besitzende Erstbeklagte der Erstklägerin über Vorhalt, er werde den Zaun schon machen. Eine gleichartige Zusage gab der Erstbeklagte dem Zweitkläger, nachdem die Erstklägerin im Jahr 1969 beide Beklagten mittels eingeschriebenen Briefes erfolglos aufgefordert hatte, den Zaun zu errichten. Der Erstbeklagte hat keine Befugnis, verbindliche Erklärungen über die Zaunerneuerung im Namen der Zweitbeklagten abzugeben, die auch selbst keine Zusagen in dieser Richtung machte. Seit dem Verfallen des strittigen Grenzzaunes sind mehrfach von Unbekannten Sachbeschädigungen im Garten der Kläger verursacht worden, so wurden eine Robinie, ein Marillenbäumchen und Lilien abgerissen, Flieder gestohlen, ein Gartenschlauch aufgeschlitzt und ein Kübel sowie ein Heindl gestohlen. Nach der Entdeckung der Beschädigung der Robinie, des Gartenschlauches und der Lilien konnten im Garten der Kläger Trittspuren festgestellt werden, die vom beschädigten Grenzzaun über die Böschung zu den beschädigten Bäumen hinaufführten. Im "vorigen" Sommer entdeckten der Zweitkläger und ein Freund mitten im Garten der Kläger drei Gestalten, die nach einem Anruf und der Fragestellung, was sie hier machten, durch den Garten der Beklagten und von dort einfach durch den lebenden Zaun auf die Straße flüchteten. Vor ungefähr zwei Jahren kam eines Abends ein Mann mit zwei Taschen aus dem Garten der Beklagten an der Stelle heraus, an der die Zäune zur Straße hin zusammenstoßen, und ging von dort in Richtung G-Tor.

Das Erstgericht würdigte den festgestellten Sachverhalt dahin, daß die Beklagten nicht nach § 858 ABGB verpflichtet seien, den verfallenen Zaun zu erneuern, und daß die Zusage des Erstbeklagten, den Zaun zu errichten, wegen der einheitlichen Streitgenossenschaft der Miteigentümer nicht verbindlich sei.

Das Berufungsgericht gab der von den Klägern erhobenen Berufung Folge. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstrichters, hielt aber die Verpflichtung der Beklagten zur Wiedererrichtung des verfallenen Zaunes nach § 858 ABGB und auch wegen der Zusage des Erstbeklagten als Mehrheitseigentümer als gegeben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten teilweise Folge. Er bestätigte das angefochtene Urteil hinsichtlich der Erneuerung des verfallenen Zaunes und änderte es im Ausspruche über das weitere Klagebegehren auf künftige Instandhaltung des zu erneuernden Zaunes im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist für die Verpflichtung der Revisionswerber, den von ihrem Rechtsvorgänger errichteten alten Grenzzaun nach § 858 ABGB wieder herzustellen, neben ihrem offenbar unstreitigen Eigentum nur entscheidend ob den klagenden Grundnachbarn aus der Öffnung ein Schaden im Sinn der §§ 1293 ABGB droht, sodaß ein Bedürfnis an der Wiedererrichtung besteht (GlUNF 2476, EvBl. 1967/85). Dabei genügt es andererseits, daß der Schaden von Personen oder Tieren ausgeht, die über das Grundstück der Beklagten auf den Nachbargrund gelangt sind (EvBl. 1970/343).

Wird das Grundstück der Kläger vom Nachbargrund der Beklagten her infolge des Verfalles des Zaunes ernstlich bedroht, dann kommt der Frage der Absicherung des letztgenannten Grundstückes zur Straße hin nicht die entscheidende Bedeutung zu. Im übrigen steht die Beurteilung des Erstgerichtes, daß das Gartengrundstück der Beklagten gegen das öffentliche Gut hin "ortsüblicherweise " so abgeschlossen sei, daß unter normalen Bedingungen der Zutritt von Unbefugten ausgeschlossen werden könne, nach der richtigen Ansicht des Berufungsgerichtes im Widerspruch zu der festgestellten Tatsache, daß der lebende Zaun durch Beiseiteschieben der Ligustersträuche ohne nennenswerte Schwierigkeiten durchschritten werden kann und überdies an der Grenz-Betonsäule ein Loch aufweist, während die im Zentrum des Stadtgebietes von F liegenden Grundstucke der Streitteile an den übrigen Straßenfronten massiver abgegrenzt sind.

Den Revisionsausführungen kann auch nicht dahin gefolgt werden, daß eine Wiederherstellung des Grenzzaunes für den zu erwartenden Schaden ohne Einfluß sei. Wenn nach den getroffenen Feststellungen seit dem Verfallen des strittigen Grenzzaunes mehrfach von Unbekannten Sachbeschädigungen im Garten der Kläger verursacht wurden, wobei einmal die feststellbaren Triftspuren vom verfallenen Grenzzaun her kamen und ein anderes Mal fremde Eindringlinge den Fluchtweg über den Garten der Revisionswerber und einfach durch deren lebenden Zaun hinaus auf die Straße wählten, dann ist hinreichend klargestellt, daß das Fehlen eines ordentlichen Grenzzaunes die Schadensgefahr für die Kläger erhöht. Es ist nicht "zwingend logisch", daß fremde Personen, denen die Beschaffenheit des straßenseitigen lebenden Zaunes das Durchschreiten ohne nennenswerte Schwierigkeiten ermöglicht, auch einen 1.60 m hohen Staketenzaun zum Grundstück der Kläger hin übersteigen würden. Das Bedürfnis der Revisionsgegner nach Wiederherstellung des Zaunes wurde vom Berufungsgericht mit Recht auch deshalb bejaht, weil die mehrfachen Sachbeschädigungen im Garten der Kläger seit dem Verfallen des strittigen Zaunes stattfanden, während ähnliche Vorkommnisse für die Zeit vorher weder behauptet wurden noch hervorgekommen sind. Zu dem den Klägern in der Revision zugestandenen normalen Schutz gehört entgegen der weiteren Behauptung der Revisionswerber auch die Verhinderung des Eindringens und der Sachbeschädigung zur Nachtzeit, die durch die unvollständige Abschließung des Grundstückes der Beklagten einerseits zur Straße und andererseits zum Grund der Kläger hin erheblich begunstigt wird.

Es ist auch nicht entscheidend, ob Eindringlinge auch über die abverkaufte Liegenschaft der Nachbarn M auf den Grund der Kläger gelangen könnten, weil die Benützung des direkten Weges über den zerstörten Zaun als Ursache eines Schadens feststeht, weiters die Grundgrenze zwischen den Klägern und ihren Nachbarn M wenigstens durch einen Heckenzaun mit zwei Drähten und durch die Reste der Stadtmauer abgegrenzt ist und es im übrigen Sache der Kläger wäre, nach Wiederverschließung des direkten Zuganges zwischen den Grundstücken der Streitteile jene allenfalls notwendige Verbesserung der Abgrenzung an ihrer anderen Grundstücksseite in Angriff zu nehmen, die derzeit wegen des zerfallenen strittigen Grenzzaunes sinnlos erscheinen mag.

Das Berufungsgericht hat daher dem Wiederherstellungsbegehren nach § 858 ABGB erster Satz ohne Rechtsirrtum stattgegeben. Auf den zweiten Klagsgrund der Verpflichtungserklärung des Erstbeklagten braucht nicht eingegangen werden.

Berechtigt ist die Rechtsrüge nur hinsichtlich des weiteren Klagebegehrens auf künftige Instandhaltung des zu erneuernden Zaunes. Die Revisionswerber verweisen mit Recht darauf, daß die Verpflichtung nach § 858 ABGB keiner Dienstbarkeit gleichkommt. Auch wenn von dem von den Revisionswerbern angeführten Fall einer Gesetzesänderung abgesehen wird, ist die Verpflichtung zur Neuaufführung oder Instandsetzung in jedem wiederkehrenden Streitfall neu nach dem Gesichtspunkt des § 858 ABGB zu lösen, ob durch die Öffnung für den Grenznachbarn (nun) "Schaden zu befürchten steht". Da dies für den nächsten Anlaßfall nicht abzusehen ist, besteht kein fortdauernder Instandhaltungsanspruch der Kläger.

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