Normen
Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung Art6 Abs2 litb
ABGB §1295
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §5
Kraftfahrgesetz 1967 §43 Abs4
Kraftfahrgesetz 1967 §103 Abs2
VersVG §69 Abs3
VersVG §71 Abs1
VersVG §158
Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung Art6 Abs2 litb
ABGB §1295
Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz §5
Kraftfahrgesetz 1967 §43 Abs4
Kraftfahrgesetz 1967 §103 Abs2
VersVG §69 Abs3
VersVG §71 Abs1
VersVG §158
Spruch:
Voraussetzungen einer Haftung des Verkäufers eines Kraftfahrzeuges für den Unfall, den der keinen Führerschein besitzende Käufer des Fahrzeuges nach dessen Übergabe an ihn - ohne daß der, Eigentümerwechsel der Zulassungsbehörde oder dem Haftpflichtversicherer mitgeteilt worden wäre - innerhalb der Monatsfrist des § 71 VersVG verschuldet
OGH 22. 3. 1972, 7 Ob 72/72 (OLG Innsbruck 2 R 214/71; LG Innsbruck 8 Cg 515/70)
Text
Der Beklagte verkaufte seinen bei der Klägerin haftpflichtversicherten PKW laut Verkaufsbestätigung vom 26. 6. 1969 an Adolf L und übergab dem Erwerber das Auto. Der Eigentümerwechsel wurde jedoch bis zum 28. 7. 1969 weder der Klägerin noch der Kraftfahrzulassungsbehörde mitgeteilt. An diesem Tag lenkte Adolf L das von ihm erworbene Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand, geriet auf die linke Straßenseite und stieß mit einem entgegenkommenden PKW zusammen, wobei sein Mitfahrer Franz P getötet, mehrere Personen verletzt und beide Fahrzeuge schwer beschädigt wurden. Adolf L wurde wegen dieses Verkehrsunfalles rechtskräftig des Vergehens nach §§ 335, 337 lit b StG schuldig erkannt. Die Klägerin erbrachte an die Beschädigten bisher Leistungen in Höhe von S 104.558.-, weitere erhebliche Leistungen werden von ihr noch gefordert.
Mit der gegenständlichen, ursprünglich neben dem Beklagten auch gegen Adolf L gerichteten Klage begehrte die Klägerin zunächst die Verurteilung beider genannten Personen zur Zahlung des von ihr bereits ausgelegten Betrages. Gegen Adolf L erging ein diesem Begehren stattgebendes rechtskräftiges Versäumungsurteil. Gegen den nunmehr allein Beklagten richtete die Klägerin zusätzlich das Begehren auf Feststellung seiner Ersatzpflicht für alle weiteren Schäden aus dem Unfall vom 28. 7. 1969. Sie brachte vor, der Beklagte habe die ihn als Versicherungsnehmer treffenden Obliegenheiten dadurch verletzt, daß er die Veräußerung des PKW der Klägerin nicht angezeigt, die in § 43 Abs 4 KFG vorgeschriebene Abmeldung nicht vorgenommen und dem Erwerber das Fahrzeug überlassen habe, obwohl ihm bekannt gewesen sei, daß dieser keine (gültige) Lenkerberechtigung besitze, bzw der Beklagte sich zumindest vom Vorhandensein einer derartigen Lenkerberechtigung nicht überzeugt habe; die von der Klägerin eingelösten Forderungen der geschädigten Dritten seien daher "nach dem Versicherungsvertragsgesetz" auf die Klägerin übergegangen. Im Zuge des Verfahrens behauptete die Klägerin zusätzlich, sie sei zufolge § 71 VersVG leistungsfrei; ferner brauche sie die vom Beklagten vorgenommene Veräußerung zufolge §§ 69, 158h VersVG nicht gegen sich gelten lassen, der Beklagte sei daher ihr gegenüber im Unfallszeitpunkt als Versicherungsnehmer anzusehen, der die Verpflichtung nach Art 6 Abs 2 lit b AKHB verletzt habe; Adolf L sei außerdem ein unverläßlicher Arbeiter gewesen, der Klageanspruch werde auch auf die Verletzung des § 43 Abs. 4 KFG durch den Beklagten gestützt, weil bei Einhaltung dieser Bestimmung der Schaden nicht eingetreten wäre.
Der Beklagte beantragte Klageabweisung, weil er infolge des Eigentumsüberganges an Adolf L "passiv nicht legitimiert" sei, im Unfallszeitpunkt einerseits Prämiendeckung bestanden habe, anderseits noch keine Leistungsfreiheit gemäß § 71 VersVG eingetreten sei, ferner die Verletzung des Art 6 Abs 2 lit b AKHB nicht (mehr) ihm zur Last falle, weil er am 28. 7. 1969 weder Versicherungsnehmer noch Halter des PKW gewesen sei und keine Verpflichtung bestehe, ein Kraftfahrzeug nur an Führerscheinbesitzer zu verkaufen, schließlich die Verpflichtung des § 43 Abs 4 KFG keine Obliegenheitsverletzung iS des VersVG darstelle, welche den Beklagten der Klägerin gegenüber (oder den geschädigten Dritten gegenüber) ersatzpflichtig mache.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen zusätzlich zum eingangs geschilderten Sachverhalt getroffenen wesentlichen Feststellungen fand das Gespräch, das zum Abschluß des Kaufvertrages zwischen dem Beklagten und Adolf L führte, am Abend des 26. 6. 1969 (Donnerstag) in der Zeit zwischen 20 und 21 Uhr in N statt. Die Aufgabe einer Veräußerungsanzeige an die Klägerin (Landesdirektion Tirol) am Freitag, den 27. 6. 1969 hätte der Klägerin erst am 30. 6. 1969 zukommen können. Der Beklagte übergab am 26. 6. 1969 nach Unterfertigung der Verkaufsbestätigung den PKW, den Zulassungsschein, die Steuerkarte und den Schlüssel an Adolf L. Er wollte zunächst das Kennzeichen vom PKW herunternehmen, entsprach jedoch dann der Bitte des Erwerbers, das Kennzeichen zu belassen, weil dieser versprach, am nächsten Tag die Ummeldung (bei der Kraftfahrzeugbehörde) zu besorgen. Ob Adolf L einen Führerschein besitzt, wurde anläßlich des Vertragsabschlusses nicht besprochen. Tatsächlich besaß der Erwerber damals keinen Führerschein, weil er ihm auf Grund eines Verkehrsunfalles im Jahr 1965 oder 1966 entzogen worden war. Adolf L benützte jedoch auch seither schon vor dem Erwerb des gegenständlichen PKW anläßlich von Bauarbeiten am Hause des Beklagten ein anderes Kraftfahrzeug, wobei er die Frage der Frau des Beklagten bejahte, ob er einen Führerschein habe. Diese hatte durch einen anderen Arbeiter gehört, daß L keinen Führerschein besitze, und hatte dies noch vor dem Verkauf des gegenständlichen PKW dem Beklagten erzählt, worauf der Beklagte sagte, er werde mit Adolf L sprechen (tatsächlich unterließ er ein solches Gespräch). Adolf L, der auch bei der Arbeit nicht verläßlich war und wiederholt nicht zur Arbeit kam, hielt das dem Beklagten gegebene Ummeldungsversprechen nicht ein, kümmerte sich nicht mehr darum und benützte den erworbenen PKW (mit dem auf den Zulassungsschein des Beklagten lautenden Kennzeichen) bis zum Unfall am 28. 7. 1969.
Bei diesem Sachverhalt führte das Erstgericht aus, der Beklagte sei mit dem Übergang des Eigentumsrechtes am gegenständlichen PKW an Adolf L am 26. 6. 1969 nicht mehr Versicherungsnehmer und auch nicht mehr Halter des PKW gewesen. Demzufolge könne gegen ihn, der den Unfall vom 28. 7. 1969 nicht (als Lenker) verschuldet habe, ein Forderungsübergang gemäß § 158f VersVG nicht stattfinden, zumal im Unfallszeitpunkt die Monatsfrist des § 71 VersVG noch nicht abgelaufen gewesen sei. Im bloßen Verkauf an einen Erwerber, der später einen Unfall verschulde, könne kein Verschulden des Veräußerers erblickt werden; hinsichtlich des rechtswidrigen Zuwiderhandelns des Beklagten gegen die Bestimmung des § 43 Abs 4 KFG fehle es an dem für eine Ersatzpflicht erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang. Das Klagebegehren bestehe daher nicht zu Recht.
Mit dem angefochtenen Urteil bestätigte das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichtes. Es trat nach ausführlicher Darstellung der Rechtslage der rechtlichen Beurteilung der Sache durch das Erstgericht mit dem zusätzlichen Hinweis bei, daß der Beklagte beim festgestellten Sachverhalt sein Fahrzeug nicht einem anderen iS des Art 6 Abs 2 lit b AKHB "anvertraut", sondern einen veräußerten PKW seinem Erwerber "übergeben" habe und deshalb die Berufung der Klägerin auf Art 6 Abs 2 lit b AKHB ins Leere gehe.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In rechtlicher Hinsicht ist zunächst mit dem Berufungsgericht festzuhalten, daß der Beklagte zufolge § 69 Abs 1, § 158h VersVG ab der rechtswirksamen Übertragung seines Eigentumsrechtes am PKW an Adolf L aufhörte, Versicherungsnehmer zu sein, daß er ab diesem Zeitpunkt als "vertragsfremder Dritter" anzusehen war und, abgesehen von der Verpflichtung zur Anzeige der Veräußerung und zur allfälligen Prämienzahlung gemäß § 70 Abs 3 VersVG, keine weiteren Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag mehr zu erfüllen hatte (vgl Ehrenzweig, Deutsches-Österreichisches Versicherungsvertragsrecht 232 f; Kisch, Privatversicherungsrecht III 295 ff; EvBl 1969/288 ua). Mit ihrem Hinweis auf § 69 Abs 3 VersVG übersieht die Revisionswerberin den dort angeführten Beisatz "... in Ansehung der durch das Versicherungsverhältnis gegen ihn begrundeten Forderungen" und den gleichzeitigen Hinweis auf §§ 1394 bis 1396 ABGB; § 69 Abs 3 VersVG bestimmt also nur in diesem Rahmen, daß der Versicherer die Veräußerung vor deren Kenntnis nicht gegen sich gelten zu lassen braucht (er kann also mit schuldbefreiender Wirkung dem Veräußerer zahlen, falls dieser trotz Eigentumsüberganges und Überganges der Rechte aus dem Versicherungsvertrag auf den Erwerber gegen den Versicherer Forderungen erhebt).
Die Unterlassung der Veräußerungsanzeige an den Versicherer bewirkt erst nach Ablauf der in § 71 VersVG angeführten Monatsfrist die Leistungsfreiheit des Versicherers. Innerhalb dieser Monatsfrist und der gegenständliche Unfall hat sich nach den Feststellungen der Vorinstanzen noch vor ihrem Ablauf ereignet - hat somit ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht nach § 71 Abs 1 VersVG keinen Einfluß auf die Leistungspflicht bzw die etwaige Leistungsfreiheit des Versicherers; es kann daher aus diesem Verstoß hier für die Klägerin nichts abgeleitet werden.
Der Beklagte war ferner im Unfallszeitpunkt auch nicht Halter des gegenständlichen PKW (ebenso SZ 39/10 und ZVR 1969/301, die letztgenannte E mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Bedeutungslosigkeit eines Verstoßes gegen § 43 Abs 4 KFG auf die Frage der Haltereigenschaft).
Nach § 158f VersVG können nun lediglich Schadenersatzansprüche des bzw der Geschädigten gegen den Versicherungsnehmer, gegen den Halter oder den berechtigten Fahrer des versicherten Kraftfahrzeuges nach ihrer Einlösung auf den Versicherer übergehen (ebenso VersSlg 52; SZ 39/10 ua). Ein Forderungsübergang nach dem Versicherungsvertragsgesetz, auf welchem die Klägerin neben der Berufung auf § 43 Abs 4 KFG ihr Klagebegehren ausschließlich stützte, könnte daher nur bejaht werden, wenn man in der am 26. 6. 1969 erfolgten Übergabe des PKW durch den Beklagten an Adolf L einen für den Unfall vom 28. 7. 1969 relevanten Verstoß gegen Art 6 Abs 2 lit b AKHB erblicken wollte. Nach der angeführten Bestimmung hat der Versicherungsnehmer - am 26. 6. 1969 war der Beklagte noch Versicherungsnehmer - ua dafür zu sorgen, daß der Lenker eine entsprechende Lenkerberechtigung besitzt (ebenso hat er zu sorgen, daß er sich in einem nicht durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet). Diese Obliegenheit kann ein Versicherungsnehmer jedoch nur so lange wahrnehmen, als er Versicherungsnehmer, Eigentümer oder Halter ist. Eine Einflußmöglichkeit wäre somit trotz bürgerlichrechtlicher Verpflichtung zur Übergabe einer verkauften Sache noch für die an die unmittelbare Übergabe anschließende Fahrt allenfalls zu bejahen (in diesem Sinn JBl 1967, 438 mit zustimmender Glosse von Liebscher; anderer Ansicht allerdings SSt 37/4). Nach vollzogener Übergabe fehlt jedoch nicht bloß jede Möglichkeit eines derartigen Einflusses des Beklagten auf die Person und die Qualitäten des jeweiligen Fahrzeuglenkers, mit ihr gehen auch, neben allen sonstigen Rechten und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag, die Obliegenheiten nach Art 6 Abs 2 AKHB auf den neuen Versicherungsnehmer über. Demzufolge ist der Unfall vom 28. 7. 1969 nur auf eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers Adolf L und nicht auf eine Obliegenheitsverletzung des Beklagten als des gewesenen Versicherungsnehmers zurückzuführen, der insoweit keine Obliegenheiten mehr zu erfüllen hatte.
Schließlich lehnten es die Vorinstanzen auch zutreffend ab, eine Schadenersatzpflicht des Beklagten wegen Verletzung der Bestimmung des § 43 Abs 4 KFG zu bejahen. Die diesbezügliche Verpflichtung bestand für den Beklagten weder gegenüber der Klägerin als früherer Vertragspartnerin, noch kommt ein Forderungsübergang auf die Klägerin infolge Befriedigung der geschädigten Dritten - insoweit nicht nach dem VersVG, sondern nur nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes - in Betracht, weil ein derartiger Übergang zur Voraussetzung hätte, daß die geschädigten Dritten auch vom Beklagten wegen Verletzung des § 43 Abs 4 KFG Schadenersatz fordern könnten. Eine diesbezügliche Ersatzpflicht wäre jedoch wegen Fehlens des hiefür erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhanges zu verneinen gewesen (ebenso für einen genau gleichgelagerten Sachverhalt 2 Ob 393/69; vgl auch ZVR 1969/301 ua).
Einen anderen Grund, der allenfalls nach bürgerlichem Recht eine Forderung der geschädigten Dritten an den Beklagten begrunden und zufolge eine gleichfalls nur nach bürgerlichem Recht möglichen Forderungsüberganges an die Klägerin deren Begehren gegenüber dem Beklagten rechtfertigen könnte, wurde hier in erster Instanz nicht geltend gemacht (insbesondere wurde von der Klägerin die Bestimmung des § 103 Abs 2 KFG erstmals im Revisionsverfahren erwähnt). Es ist daher im vorliegenden Fall nicht näher zu untersuchen, ob der Eigentümer eines PKW aus dem Titel der rechtswidrigen und schuldhaften Herbeiführung einer Gefahrenlage verpflichtet sein kann, dem Erwerber unter bestimmten Voraussetzungen vor Abmeldung des Fahrzeuges bei der Zulassungsbehörde (oder gegebenenfalls überhaupt) die zivilrechtlich geschuldete Übergabe zu verweigern, und ob er allenfalls aus diesem Grund bei einem vom Erwerber verschuldeten Unfall dem Geschädigten gegenüber - solidarisch mit dem Erwerber - zum Schadenersatz verpflichtet sein kann (dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn der Verkäufer weiß, daß der Erwerber weder einen Führerschein noch ausreichende Fahrkenntnisse besitzt und das erworbene Fahrzeug selbst zu lenken beabsichtigt; vgl hiezu Liebscher aaO, der allerdings generell zu strenge Anforderung stellt, weil eine Überlassung im Rahmen zivilrechtlicher Übergabspflicht für den Veräußerer nur unter den angegebenen zusätzlichen Voraussetzungen sozusagen dauernd für alle späteren Fahrten des Erwerbers nachteilig sein kann, ferner ZVR 1960/241; ZVR 1970/162 ua).
Da aus allen diesen Gründen auch der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht gegeben ist, war der Revision nicht Folge zu geben.
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