OGH 7Ob724/87

OGH7Ob724/8721.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 1. August 1986 verstorbenen Rudolf Karl F***, Pensionist, zuletzt wohnhaft in Klagenfurt, Unterer Almweg 15, infolge Revisionsrekurses der Klara F***, Pensionistin, Klagenfurt, Sariastraße 8, (Unterer Almweg 15), vertreten durch Dr. Friedrich Pettauer, öffentlicher Notar, Klagenfurt, Alter Platz 35, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 2. Oktober 1987, GZ 1 R 456/87-28, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 2. September 1987, GZ 1 A 781/86-22, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Klara F*** ist aufgrund eines wechselseitigen Testamentes Alleinerbin ihres am 1. August 1986 verstorbenen Ehegatten Rudolf Karl F***. In dem Testament ist festgehalten, daß die Liegenschaft der Ehegatten F*** EZ 549 KG St. Martin mit 22. Mai 1985 auf den Todesfall an ihren Enkel Martin M*** übergeben wurde und ihre Tochter Maya M*** in dem Vertrag auf ihren Pflichtteil verzichtet habe. Hinsichtlich des Pflichtteiles der zweiten Tochter Helga F*** wurde auf die Regelung im Übergabsvertrag verwiesen, wodurch diese vollkommen entfertigt sei.

Die erblasserische Witwe hat eine unbedingte Erbserklärung abgegeben. Helga F*** beantragte in diesem Verfahren die Martin M*** zugekommene Liegenschaft EZ 549 KG St. Martin zu schätzen, weil ihr Pflichtteilsanspruch nicht zur Gänze gedeckt sei. Das Erstgericht hat die Schätzung der Liegenschaft EZ 549 KG St. Martin angeordnet.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß betreffend die Schätzung eines Hälfteanteiles an der Liegenschaft bestätigt, ihn im übrigen aber dahin abgeändert, daß der zweite Hälfteanteil von der Schätzung ausgenommen wird. Begründet wird dies damit, daß die beiden Ehegatten je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft waren, so daß nur eine Hälfte in den Nachlaß falle, weshalb nur dieser Hälfteanteil für die Berechnung eines Pflichtteilsanspruches nach Rudolf Karl F*** herangezogen werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Im bestätigenden Teil seiner Entscheidung vertritt das Rekursgericht die Rechtsansicht, daß Gegenstände, die auf den Todesfall geschenkt werden, noch in den Nachlaß fallen. Infolge Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen müsse ein Inventar errichtet werden. Der Pflichtteilsberechtigte habe das Recht auf genaue und gewissenhafte Ausmittlung des Nachlaßwertes, zu der auch die Ermittlung des Wertes einer Liegenschaft durch Schätzung zähle. Wenn also Interessen Pflichtteilsberechtigter zu wahren seien, liege immer ein besonderer Grund vor, nicht nach dem Einheitswert zu schätzen.

Im vorliegenden Fall kam es zur teilweisen Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung durch das Rekursgericht nur dadurch, daß das Erstgericht, offenbar irrtümlich, einen Anteil der Liegenschaft in das Verfahren miteinbezogen hat, der nicht zum Nachlaß des Rudolf Karl F*** gehört. Selbstverständlich mußte dieser Anteil ausgeschieden werden. Der Fall liegt nicht anders, als wären bewegliche Gegenstände, die nicht zum Nachlaß gehören, ausgeschieden worden. Die Entscheidung über die Ausscheidung derartiger Gegenstände hat keinerlei Einfluß auf das Schicksal der übrigen Gegenstände, die in den Nachlaß fallen. Demnach sind die Entscheidungen bezüglich der auszuscheidenden Gegenstände einerseits und der weiter im Verlassenschaftsverfahren behandelten Gegenstände anderseits trennbar. Nach der ZVN 1983 hat auch für den Bereich der §§ 14 und 16 AußStrG bei teilweiser bestätigender und teilweiser abändernder Entscheidung des Rekursgerichtes der Grundsatz zu gelten, daß gegen den bestätigenden Teil nur ein außerordentlicher Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG erhoben werden kann. Die Grenzlinie ist dort zu ziehen, wo dem Rekurs einer Partei in trennbarer Weise auch nur teilweise nicht Folge gegeben wurde (SZ 57/119 u.a.). Da, wie bereits dargelegt wurde, dies hier der Fall ist, wäre der Rekurs der erblasserischen Witwe Klara F*** gegen den bestätigenden Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung gemäß § 16 AußStrG nur wegen Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit oder offenbarer Gesetzwidrigkeit zulässig.

Die erblasserische Witwe macht in ihrem Revisionsrekurs eine Aktenwidrigkeit nicht geltend. Die Behauptung einer Nichtigkeit mag darin gelegen sein, daß sie ausführt, es würde einen Verstoß gegen das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum eines am Verfahren nicht beteiligten Dritten bedeuten, würde man dessen Liegenschaft im Verlassenschaftsverfahren schätzen. Dieser Einwand ist aber nahezu absurd.

Einerseits ist nicht ersichtlich, inwieweit durch eine solche Schätzung in das Eigentumsrecht des Liegenschaftseigentümers nachteilig eingegriffen werden kann. Andererseits muß sich aber jedermann Eingriffe in sein Eigentum, die nach der Sachlage mit diesem verbunden sind, gefallen lassen. Kommt jemandem das Eigentum einer Liegenschaft nur aufgrund eines einer Schenkung auf den Todesfall zu, können aber durch die testamentarischen Verfügungen auch Rechte von Personen, die nach dem Gesetz im Verlassenschaftsverfahren besonders geschützt sind, betroffen werden, so müssen selbstverständlich bezüglich dieser Liegenschaften jene Maßnahmen ergriffen werden, die das Gesetz zu einem wirksamen Schutz der von ihm ins Auge gefaßten Personen vorsieht. Die Inventarisierung des Nachlasses im Falle der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruches schreibt § 784 ABGB vor, der im übrigen auch eine Schätzung der Nachlaßgegenstände anordnet. Ist demnach eine auf den Todesfall geschenkte Liegenschaft in den Nachlaß zwecks Berechnung des Pflichtteilsanspruches einzubeziehen, was von der Judikatur bejaht worden ist (NZ 1986, 210 u.a.), so muß dies notwendig dazu führen, daß auch diese Liegenschaft in das Inventar aufgenommen und geschätzt wird.

Die behauptete Nichtigkeit ist demnach nicht gegeben. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 AußStrG liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird (JBl 1975, 547, NZ 1973, 77 u.a.). Die Rechtsansicht, daß eine für die Berechnung des Pflichtteiles heranzuziehende Liegenschaft in das Inventar aufzunehmen und zu schätzen ist, widerspricht nicht dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Vielmehr wurde bereits aufgezeigt, daß dieser Rechtssatz durch § 784 ABGB ausdrücklich gestützt wird. Demnach hat auch der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß, falls ein Pflichtteilsberechtigter die Errichtung eines Inventars zur Feststellung des Pflichtteils begehrt, die Schätzung des gesamten beweglichen und unbeweglichen Nachlaßvermögens obligatorisch vorgeschrieben ist. In diesem Fall hat das Abhandlungsgericht nach § 102 Abs 2 AußStrG die Schätzung des gesamten Nachlasses anzuordnen, wenn auch vom Pflichtteilsberechtigten eine solche nicht ausdrücklich begehrt wurde (EFSlg. 33.680 u.a.). Daß vorläufig nur die Schätzung eines Teiles des Nachlasses angeordnet wurde, spielt keine Rolle, weil dies einer Schätzung des übrigen Nachlasses im weiteren Verlauf des Verfahrens nicht entgegensteht.

Die behauptete offenbare Gesetzwidrigkeit ist daher ebenfalls nicht gegeben.

Bei der Entscheidung, wer die Kosten der Schätzung zu tragen hat, handelt es sich um eine Entscheidung über die Kosten eines Teiles des Verfahrens. Revisionsrekurse gegen derartige Entscheidungen sind schon nach § 14 Abs 2 AußStrG grundsätzlich ausgeschlossen.

Der Revisionsrekurs erweist sich demnach als unzulässig.

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