OGH 7Ob691/89

OGH7Ob691/8914.12.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Helmut G***, Kaufmann, Duggingen, Herrenburg 30, Schweiz, 2.) Silvia H***, Private, Zürich, Hofwiesenstraße 57, beide vertreten durch Dr.Gerald Kopp, Dr.Michael Wittek-Jochums und Dr.Andreas Braunbruck, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Gottfried H***, Schuhmachermeister, Salzburg, Straubingerstraße 17, vertreten durch Dr.Georg Reiter und Dr.Christoph Brandweiner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Aufkündigung (Streitwert S 135.300), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 21.Juni 1989, GZ 21 R 179/89-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 28.März 1989, GZ 11 C 3252/88h-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.789,42 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.131,57 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist Mieter von Geschäftsräumlichkeiten im Hause der Kläger in Salzburg, Neutorgasse 24. Die Kläger kündigten das Mietverhältnis zum 1.7.1993, gestützt auf den schriftlich vereinbarten Kündigungsgrund des Verkaufs der Liegenschaft, auf und begehren die Räumung des Bestandobjektes. Punkt II. des mit der Rechtsvorgängerin der Kläger, Martha A***, abgeschlossenen Mietvertrages vom 18.7.1985 hat folgenden Wortlaut: "Das Mietverhältnis beginnt am 1.August 1985 und wird auf unbestimmte Zeit eingegangen. Es kann von jeder der beiden Vertragsparteien jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Monaten zu jedem Monatsersten durch eingeschriebenen Brief aufgekündigt werden. Die Vermieterin verpflichtet sich, eine Kündigung nicht vor dem 1. Jänner des Jahres 2000 auszusprechen. Dieser Kündigungsverzicht wird auf die Zeit bis 1.Jänner 1993 eingeschränkt, falls die Vermieterin und ihre Erben die Liegenschaft.........verkauft. Die Vertragsparteien stellen fest und anerkennen, daß der Verkauf der Liegenschaft ein für die Zeit ab 1.1.1993 geltender schriftlich vereinbarten Umstand gemäß § 30 Abs 2 Z 13 ist, der im Bezug auf die Kündigung für die Vermieterin oder ihre Erben als wichtig und bedeutsam anzusehen ist." Der Mietzins wurde mit monatlich 9.800 S wertgesichert zuzüglich Betriebskosten von 450 S und Umsatzsteuer vereinbart. Dem Beklagten wurde gestattet, bauliche Veränderungen vorzunehmen. Durchgeführte Investitionen sollten nach Auflösung des Mietverhältnisses, soweit ihre Wegnahme untunlich ist, ohne Ablöse im Eigentum der Vermieterin verbleiben. Für den Fall des Verkaufes der Liegenschaft durch die Vermieterin oder ihre Erben wurde dem Mieter nach Punkt IX des Mietvertrages folgendes Vorkaufsrecht eingeräumt: "Der Mieter ist berechtigt, das Vorkaufsrecht sowohl in Ansehung der gesamten Liegenschaft als auch nur in Ansehung der von ihm gemieteten Räumlichkeiten auszuüben. Im letzteren Fall hat er auf seine Kosten unverzüglich die Nutzwertfeststellung durch die zuständige Schlichtungsstelle vornehmen zu lassen, um dann den auf das Mietobjekt entfallenden Nutzwertanteil, dessen Preis dem Anteil im Verhältnis zum Gesamtanbot des Dritten entspricht, aufgrund des Vorkaufsrechtes zu erwerben. Alle Vertragsparteien verpflichten sich für diesen Fall, Wohnungseigentum zu begründen, wobei die Kosten der Errichtung und Durchführung des Vertrages vom Mieter zu übernehmen sein werden."

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für wirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Nach seinen Feststellungen fanden die ersten Gespräche zwischen der Vermieterin und dem Beklagten über den Abschluß eines Mietvertrages im Frühsommer 1985 statt. Damals war das Geschäftslokal noch an einen Dritten vermietet. Beide Vertragsparteien gingen davon aus, daß der neue Mieter erhebliche Investitionen werde machen müssen. Über die Höhe der Investitionen hatten sie noch keinen Überblick. Der Mietzins wurde von der Vermieterin genannt und vom Beklagten akzeptiert. Für die Höhe des Mietzines waren die notwendigen Investitionen mitbestimmend. Schon während der Vertragsverhandlungen wurde erörtert, daß die Erben der Vermieterin das Haus möglicherweise verkaufen würden. Die Vermieterin selbst hatte keine Verkaufsabsichten. Der Beklagte mußte für die Investitionen Kredite aufnehmen, deren Laufzeit durchwegs 10 Jahre betrug. Es war sein Bestreben, so lange das Mietobjekt nützen zu können, bis sich die Investitionen amortisieren. Zu diesem Zwecke schlug der Vertreter des Beklagten die Einräumung eines Vorkaufsrechtes vor, das von der Vermieterin akzeptiert wurde. Auf Wunsch des Beklagten wurde das Vorkaufsrecht auch in der Beschränkung auf das Geschäftslokal aufgenommen. Zur Absicherung der Investitionen des Beklagten wurde der eingeschränkte Kündigungsverzicht bis 1.1.1993 vereinbart. Das Gesamtvolumen der Investitionen des Beklagten betrug ca 2 Mill.S. Martha A*** ist inzwischen verstorben. Ihre Erben, die klagenden Parteien, haben am 29.9.1988 mit Dipl.Ing.Kai S*** einen Kaufvertrag betreffend das Objekt Neutorstraße 24 abgeschlossen. Die Verkäufer verpflichteten sich, das Mietverhältnis mit dem Beklagten durch Geltendmachung des vereinbarten Kündigungsgrundes zur Auflösung zu bringen. Für den Fall, daß der Kündigung nicht entsprochen werde, behielt sich der Käufer das Recht des Vertragsrücktrittes vor. Der Beklagte übte sein Vorkaufsrecht nicht aus. Er ist zur Übernahme der gesamten Liegenschaft oder auch nur des Geschäftslokales derzeit finanziell nicht in der Lage. Unstrittig ist, daß die Kläger dem Dipl.Ing.Kai S*** nur jene Miteigentumsanteile der Liegenschaft verkauften, die (nach Ermittlung der Nutzwerte im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes) dem Mindestanteil entsprechen, der auf die vom Beklagten gemieteten Räume der Liegenschaft entfällt. Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes stelle der Verkauf der Liegenschaft einen wichtigen und bedeutsamen Umstand im Sinne des § 30 Abs 2 Z 13 MRG dar, der als KÜndigungsgrund wirksam vereinbart werden könne, zumal wenn dem Mieter im Hinblick auf seine Investitionen ein Vorkaufsrecht eingeräumt worden sei. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die Aufkündigung aufhob und das Räumungsbegehren abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt. Das Berufungsgericht ging bei seiner rechtlichen Beurteilung davon aus, daß die Kläger nicht die Liegenschaft, sondern nur das Bestandobjekt bzw diesem entsprechende Miteigentumsanteile verkauft hätten. Dadurch sei der vereinbarte Kündigungsgrund nicht verwirklicht worden. Die Vereinbarung eines Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG sei streng auszulegen. Aus der vorliegenden Vereinbarung ergebe sich nicht, daß ein Kündigungsgrund auch bei Veräußerung von dem Mietobjekt entsprechenden Anteilen zwecks Begründung von Wohnungseigentum gegeben sein soll.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Kläger ist nicht berechtigt.

Nach Punkt II. des Mietvertrages vereinbarten die Parteien den Verkauf der Liegenschaft als wichtigen Umstand für eine Kündigung. Unter Verkauf einer Liegenschaft wird im allgemeinen Sprachgebrauch nur der Verkauf einer gesamten Liegenschaft verstanden und nicht der Verkauf von ideellen Anteilen, sodaß insoweit der objektive Aussagewert der Willenserklärung nicht zweifelhaft ist. Beizupflichten ist den Revisionswerbern darin, daß nach der Auslegungsregel des § 914 ABGB nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist, der dann unmaßgeblich wird, wenn er die Absicht der Parteien erweislich unrichtig wiedergibt (Gschnitzer in Klang2 IV/1 404). Es ist dann der Wille der Parteien maßgeblich. Darunter ist die dem Erklärungsgegner erkennbare Absicht des Erklärenden zu verstehen (Koziol-Welser8 I 87; Gschnitzer aaO; ZAS 1977/19). Wer einen vom objektiven Erklärungswert abweichenden Parteiwillen geltend macht, muß jene Umstände behaupten und nachweisen, aus denen sich dieser ergibt (vgl Gschnitzer aaO 406). Im vorliegenden Fall haben die Kläger solche Umstände nicht einmal behauptet. Der § 30 Abs 2 Z 13 MRG schreibt aber, ebenso wie sein Vorgänger, der § 19 Abs 6 MG, für die Vereinbarung eines KÜndigungsgrundes Schriftform vor. Die ergänzende Auslegung von Urkunden ist durch den Formzweck beschränkt (Rummel im Rummel, ABGB, Rz 13 zu § 886). Der Zweck des Erfordernisses der Schriftlichkeit nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG besteht für den Mieter darin, ihm die Bedeutung einer solchen Vereinbarung besonders augenscheinlich zu machen und ihn vor einer Übervorteilung zu schützen (MietSlg 28.388). Das Berufungsgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß sich der Inhalt der Vereinbarung aus der Urkunde allein ergeben muß und die Vereinbarung "streng" auszulegen ist (Würth in Rummel, ABGB, Rz 45 zu § 30 MRG). Entgegen der Meinung der Revisionswerber ergibt sich aber aus dem Inhalt des Mietvertrages nicht auch die Vereinbarung, daß auch schon die Veräußerung von ideellen Anteilen an der Liegenschaft zum Zwecke der Begründung von Wohnungseigentum am Bestandobjekt ein Kündigungsgrund sein soll. Dem von der Revision angezogenen Punkt IX. betreffend als Vorkaufsrecht wurde nach seinem Wortlaut von den Parteien ganz offensichtlich der Verkauf der gesamten Liegenschaft zugrundegelegt und dem Beklagten lediglich die Möglichkeit eröffnet, in diesem Falle allenfalls auch nur ideelle Anteile zu erwerben.

Das Berufungsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß der vereinbarte Umstand nicht eingetreten ist. Eine Stellungnahme zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Verkauf eines Hauses eine Tatsache darstellt, die als wichtig und bedeutsam im Sinne des § 30 Abs 2 Z 13 MRG anzuerkennen ist, erübrigt sich daher. Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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