Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.333,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.030,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Da der Beklagte die ihm mit schriftlichem Beschluß aufgetragene Klagebeantwortung (§ 243 Abs.4 ZPO) nicht rechtzeitig überreichte, fällte das Erstgericht auf Antrag der Klägerin ein Veräumungsurteil im Sinne des Klagebegehrens. Nach dem Vorbringen der Klägerin war Karl M*** bis Oktober 1982 "Pächter" des Grundstückes Prater Nr.34, auf dem eine Spielhalle errichtet ist. Karl M*** hatte der Klägerin einen vom Spielhallenbetrieb räumlich getrennten, direkt von der Straße zu betretenden Geschäftsraum für die Saison der Jahre 1982 bis 1985 vermietet. Die Klägerin verkaufte in dem gemieteten Lokal Speiseeis, zuletzt in der Saison 1982 vom 24.März 1982 bis 7. November 1982. Vom 7.November 1982 bis 11.Dezember 1982 war sie im Ausland. Karl M*** verkaufte seinen Vergnügungsbetrieb an Kurt A***. Zwischen dem 7.November 1982 und dem 11.Dezember 1982 räumten der Beklagte und Max A*** im Auftrag des Kurt A*** das Geschäftslokal der Klägerin und brachten die Fahrnisse in die Spielhalle. Am 22. Dezember 1982
brachte die Klägerin gegen den Beklagten und gegen Max A*** eine Besitzstörungsklage ein. Der Endbeschluß wurde am 30.September 1985 zugestellt, worauf Kurt A*** der Klägerin am 5.November 1985 die Schlüssel zum Lokal ausfolgte. Die Klägerin erlitt infolge der Behinderung in der Benützung des Geschäftslokales einen Verdienstentgang pro Saison von S 113.000,--
zusammen somit S 339.000,--. Den Ersatz dieses Schadens begehrt sie vom Beklagten und von Kurt und Max A*** zur ungeteilten Hand. Der Beklagte und Max A*** hätten durch die Entfernung der Fahrnisse der Klägerin aus dem Geschäftslokal, "wobei der Eisverkauf durch den Beklagten betrieben worden sei", die Klägerin an der Benützung des Geschäftslokales bis zur Schlüsselübergabe behindert. Gegen Kurt und Max A*** trat am 24.April 1986 Ruhen des Verfahrens ein (AS 29). Das Berufungsgericht verneinte die vom Beklagten behauptete Unschlüssigkeit der Klage und gab seiner Berufung nicht Folge. Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.
Beizupflichten ist der Revision darin, daß die Klägerin nach den Klagsbehauptungen mit Karl M*** hinsichtlich des einen Geschäftsraumes ein Unterbestandverhältnis begründete. Richtig ist auch, daß die Beendigung des Hauptmietverhältnisses aus welchem Grund immer grundsätzlich auch das Erlöschen des Untermietverhältnisses bewirkt (Würth in Rummel, ABGB, Rdz 8 zu § 1112; MietSlg.23.154 ua). Bei Eintritt eines neuen Hauptmieters in ein bestehendes Mietverhältnis, wie etwa beim Wohnungstausch, kommt es jedoch nicht zum Erlöschen des Hauptmietverhältnisses. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist in einem solchen Fall § 1120 ABGB analog anzuwenden, sodaß der Unterbestandnehmer erst nach gehöriger Aufkündigung weichen muß (MietSlg.4985, 2855; Würth aaO Rdz 3 zu § 1120). Nicht gefolgt werden kann dem Beklagten aber darin, daß ein Pachtverhältnis vorliegt. Für die rechtliche Qualifikation eines Rechtsverhältnisses kommt es nicht auf dessen Bezeichnung, sondern auf dessen Inhalt an. Es ist daher unerheblich, daß die Klägerin Karl M*** und Kurt A*** als Pächter bezeichnete. Nach ihrem Sachvorbringen wurde ein Grundstück mit einer darauf errichteten Spielhalle in Bestand genommen, sodaß im Verhältnis zum Eigentümer der Bestandsache in Wahrheit kein Pachtverhältnis, sondern eine Geschäftsraummiete vorliegt, für die gemäß § 1 Abs.1 des MRG die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten.
Karl M*** veräußerte das in den gemieteten Geschäftsräumlichkeiten betriebene Unternehmen an Kurt A***. Offen bleibt nach dem Klagsvorbringen, ob Kurt A*** das Unternehmen fortführt. Diese Unklarheit hat aber nicht die Unschlüssigkeit der Klage zur Folge. Führte der Erwerber Karl A*** das erworbene Unternehmen fort, kam es nach § 12 Abs.3 MRG kraft Gesetzes zu seinem Eintritt in das Mietverhältnis über die Geschäftsräume, sodaß nach den oben dargelegten Grundsätzen ein Erlöschen des Unterbestandverhältnisses der Klägerin auszuschließen ist und es einer Kündigung bedurft hätte. Eine Kündigung der Klägerin erfolgte hier jedoch nicht. Lag eine Unternehmensfortführung nicht vor, führte die Unternehmensveräußerung nicht schon zur Beendigung des Mietverhältnisses des Veräußerers mit dem Vermieter. Einer Kündigung durch den Vermieter könnte nur nicht der gesetzliche Vertragseintritt nach § 12 Abs.3 MRG bzw. das Vorliegen des gespaltenen Mietverhältnisses nach der alten Rechtslage entgegengehalten werden. Eine Kündigung des Karl M*** durch den Vermieter erfolgte aber nach den Klagsangaben gleichfalls nicht. Der Meinung des Beklagten, daß das Unterbestandverhältnis der Klägerin mit der Unternehmensübertragung auf Kurt A*** aufgelöst wurde, kann daher nach dem der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legenden Sachverhalt nicht gefolgt werden. Die Beweislast für eine Auflösung des Unterbestandverhältnisses hätte im übrigen nach den allgemeinen Beweislastregeln den Beklagten getroffen. Für die Klägerin genügte es, den wirksamen Abschluß eines Unterbestandverhältnisses dazutun. Stand der Klägerin aber ein Unterbestandrecht zu, war dieses auch von einem Dritten, wie hier dem Beklagten, zu achten. Es ist in Lehre und Rechtsprechung anerkannt, daß auch Forderungsrechte, unbeschadet des Umstandes, daß es sich nur um relative Rechte handelt, gegen Beeinträchtigung durch Dritte geschützt sind. Es ist zwar nicht jeder Eingriff in die Gläubigerrechte durch einen Dritten rechtswidrig (Koziol, Haftpflichtrecht 2 II 40 f mwN). Als rechtswidrig wird in Lehre und Rechtsprechung jedenfalls die Verleitung des Schuldners zum Vertragsbruch angesehen (Koziol aaO 48 mwN; MietSlg.31.248 mwN).
Rechtliche Beurteilung
Eine Einwirkung des Beklagten auf die Willensbildung des Schuldners der Klägerin lag hier nach dem Klagsvorbringen nicht vor. Umstritten ist die Rechtswidrigkeit in den Fällen, in denen der Dritte ohne Einwirkung auf den Schuldner dessen Vertragsbruch in Kenntnis des Forderungsrechtes oder bei einer durch den Besitz bedingten typischen Erkennbarkeit den Vertragsbruch des Schuldners ausnützt (Koziol aaO 49). Bei Beurteilung der Doppelveräußerung von Liegenschaften hat der Oberste Gerichtshof, folgend der Auffassung von Schilcher-Holzer (Der schadenersatzrechtliche Schutz des Traditionserwerbers bei Doppelveräußerung von Liegenschaften, JBl. 1974, 445 ff und 512 ff), bei einem aus dem Besitz erkennbaren Erwerb einen Schadenersatzanspruch gegen denjenigen bejaht, der sich den Vertragsbruch des Veräußerers zunutze machte (JBl.1981, 535; vgl. auch die bei Koziol aaO unter FN 44 zitierten Entscheidungen). Dies muß auch für die Kollision von Bestandrechten gelten. Im vorliegenden Fall stützte die Klägerin ihren Schadenersatzanspruch nicht nur auf die Mithilfe des Beklagten bei der Räumung des Geschäftslokales, sondern auch darauf, daß der Beklagte den saisonalen Eisverkauf in der Folge selbst betrieb. Daß der Beklagte im Zeitpunkt der Räumung des Geschäftslokales der Klägerin deren Forderungsrecht kannte oder erkennen hätte können, läßt sich dem Klagsvorbringen nicht entnehmen. Das Vorhandensein von Inventar rechtfertigt hier keine Schlußfolgerung auf die Erkennbarkeit des Mietrechtes der Klägerin, erfolgte die Räumung doch in Abwesenheit der Klägerin nach saisonbedingter Einstellung des Betriebes. Zum Zeitpunkt der zweiten Eingriffshandlung, der Aufnahme des Betriebes durch den Beklagten, war diesem aber die Besitzstörungsklage der Klägerin längst zugestellt und deren Forderungsrecht erkennbar. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß der Besitz der Klägerin durch den rechtswidrigen Eingriff des Beklagten selbst und des Max und des Kurt A*** vorübergehend gestört wurde, weil es bei Beurteilung der Rechtswidrigkeit eines Eingriffes in ein fremdes Forderungsrecht auf den Besitz nicht als Institut des Sachenrechtes, sondern auf seine Funktion als Intrument der typischen Erkennbarkeit von Forderungsrechten ankommt (Schilcher-Holzer aaO 454). Der Besitz bildet gleichsam ein Alarmsignal, das den Erwerber zu Nachforschungen verpflichtet. Es kommt daher auch der Frage keine Bedeutung zu, ob der Unterbestandnehmer petitorischen Schutz nach § 372 ABGB genießt. Mangels jeglicher Nachforschungen durch den Beklagten, obwohl solche nach den obigen Darlegungen nach der Zustellung der Besitzstörungsklage und vor der Vornahme seines Eingriffes durch Betriebsaufnahme geboten gewesen wären, ist die Grenze der Nachforschungspflicht, die im Interesse des Verkehrs nicht übersteigert werden darf (vgl. Koziol aaO 47), nicht zu erörtern. Der Eingriff des Beklagten war somit rechtswidrig und entgegen der Meinung des Beklagten auch schuldhaft, weil aus dem Gesagten folgt, daß sich der Beklagte anders verhalten hätte sollen und keine Anhaltspunkt dafür vorliegen, daß er sich nicht anders verhalten hätte können (vgl.Koziol aaO I 117).
Abzulehnen ist auch die Rechtsansicht des Beklagten, daß ihm keine grobe Fahrlässigkeit zur Last falle. Grobe Fahrlässigkeit ist immer dann anzunehmen, wenn eine ungewöhnliche und auffalende Nachlässigkeit vorliegt und der Eintritt eines Schadens als wahrscheinlich voraussehbar ist (Koziol aaO I 131;
ZVR 1980/46 uva.). Im vorliegenden Fall wurde der Beklagte durch die Besitzstörungsklage auf den Besitz der Klägerin und ihr daraus erkennbares Recht in schärfster Form aufmerksam gemacht. Es mußte dem Beklagten auch klar sein, daß durch die nachfolgende Aufnahme des Betriebes des Eisverkaufes durch ihn ein Schaden der Klägerin nicht nur möglich ist, sondern geradezu zwingend eintreten wird. Wenn der Beklagte dennoch ohne jegliche Erkundigungen über das Recht der Klägerin den Betrieb aufnahm, handelte er in einer Weise sorglos, die nach den oben dargelegten Kriterien jedenfalls als grobe Fahrlässigkeit anzusehen ist.
Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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