Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.
Text
Begründung
Über Vermittlung des Beklagten, der sich als Finanzberater bezeichnete, beteiligte sich der Kläger mit einer Einlage von S 300.000,-- als stiller Gesellschafter an der A*****-Gesellschaft mbH in Salzburg.
Zweck dieser am 1.5.1983 im Handelsregister des Landesgerichtes Salzburg eingetragenen Gesellschaft war der Handel und die Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte im In- und Ausland; der Transithandel in Kooperation mit in- und ausländischen Unternehmen; die Beteiligung an anderen Unternehmen, die im Agrarprodukthandel tätig sind - sei es durch Einlagen, Aktienzeichnung, Aktienerwerb; der Erwerb von Lizenzen und Rechten, die den Zwecken des Agrarhandels und des Unternehmenszieles dienen; der Betrieb aller der Förderung dieser Zwecke dienenden Unternehmungen; und die Vermögensverwaltung des eigenen und fremden Vermögens. In Prospekten, in denen für die Beteiligung als stiller Gesellschafter geworben wurde, wurde der Eindruck einer regen internationalen Geschäftstätigkeit und einer besonders attraktiven Anlagemöglichkeit erweckt, wobei eine jährliche Mindestausschüttung von 8,5 % garantiert und weit darüber liegende Renditen in Aussicht gestellt wurden.
Im Jahr 1985 wurde gegen den Geschäftsführer der A*****-Gesellschaft mbH M***** M***** ein Strafverfahren eingeleitet. Mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 12.9.1985 wurde über das Vermögen der genannten Gesellschaft der Konkurs eröffnet. Beide Verfahren sind noch nicht abgeschlossen.
Zur Finanzierung der Ende Oktober 1984 eingegangenen Beteiligung nahm der Kläger Bankkredit in Anspruch. Für 60 % der Einlage erhielt er eine Bankgarantie. Vom Masseverwalter wurden bisher 31 % auf die Konkursforderungen bezahlt.
Beim Beklagten handelt es sich um einen selbständigen Handelsvertreter, der in erster Linie Versicherungen, Bausparverträge udgl. vermittelt. Er machte dem Kläger bereits seit 1982 immer wider verschiedene Angebote. Ein Beratungshonorar hat er nie verlangt. Bevor der Beklagte im Jahr 1983 Beteiligungen an der A*****-Gesellschaft mbH in sein Programm aufnahm, ließ er sich von diesem Unternehmen Unterlagen zur Prüfung vorlegen. Diese waren im wesentlichen in einer Mappe zusammengefaßt, in der in gefälligem Äußeren allgemein gehaltene Ausführungen über den internationalen landwirtschaftlichen Handel und über die angeblichen Möglichkeiten,
dabei überdurchschnittlichen Ertrag zu erwirtschaften, ebenso enthalten sind, wie Ertragstabellen, Tabellen über Möglichkeiten von Steuerersparnis, mehrere Formblätter und der Gesellschaftsvertrag. Dazu versandte die A***** an die Vertreter bzw. Handelsmäkler, teilweise auch an die stillen Gesellschafter allgemein gehaltene Ausführungen des Wirtschaftstreuhänders und Steuerberaters R***** B*****, die nichts über die konkrete Geschäftstätigkeit und Ertragslage der A***** aussagen, sondern sich im wesentlichen auf die Zusammenfassung von auf die stille Gesellschaft bezughabenden gesetzlichen, vor allem steuerrechtlichen Bestimmungen beschränken. Es wurden auch sogenannte "Leistungsberichte" versandt, die auf einer knappen halben Seite Gutschriften und Lastschriften und Bilanzsummen anführen. Diese Unterlagen beeindruckten den Beklagten selbst derart, daß er zwischen 1983 und 1984 sich ebenfalls mit mehreren S 100.000,-- als stiller Gesellschafter am Unternehmen beteiligte. Bei den Gesprächen mit dem Kläger rechnete diesem der Beklagte vor, daß selbst für den Fall eines Konkurses der A***** sich für den Kläger eine Steuerersparnis in der Höhe von S 114.100,-- ergebe; insgesamt mache der effektive Risikobetrag unter Berücksichtigung der Bankgarantie und der Steuerersparnis lediglich S 8.600,-- aus. Außerdem könne der Kläger bis Ende 1985 mit einer Ausschüttung von insgesamt S 43.150,-- rechnen, so daß sich danach schon eine Überdeckung von S 34.500,-- ergebe. Diese Risikobetrachtung läßt allerdings die Notwendigkeit der Kreditrückzahlung außer Betracht, wozu der Beklagte den Kläger darauf hinwies, daß die Zinsenbelastung auch wieder Steuervorteile bringe; zum andern wurde nicht berücksichtigt, daß die Steuerersparnis von S 114.100,-- im Konkursfall dann nicht zum Tragen kommt, wenn das Unternehmen überhaupt keine geschäftliche Tätigkeit entfaltet.
Was die Überprüfung der Versprechungen der A***** durch den Beklagten anlangt, so hat sich der Beklagte über die bereits erwähnten allgemeinen Unterlagen hinaus von der A***** keine konkreten Geschäftsunterlagen zeigen lassen. Er hat sich jedoch durch Nachfrage beim Bankinstitut vergewissert, daß tatsächlich eine 60 %-ige Bankgarantie für die von den stillen Gesellschaftern aufgebrachte Kapitalsumme gegeben wird, und er hat darüber hinaus mit dem Steuerberater der A***** R***** B*****, Kontakt aufgenommen und sich mit dessen Auskunft, daß ihm über A***** nichts nachteiliges bekannt sei, zufrieden gegeben.
Der Kläger hat bis zum Konkurs der A***** tatsächlich Ausschüttungen in nicht festgestellter Höhe erhalten. Abgesehen von der vom Masseverwalter vorgenommenen Ausschüttung von 31 % wird mit Sicherheit auch die Bankgarantie in der Höhe von 60 % der Kapitalssumme zugunsten des Klägers zum Tragen kommen. Der Kläger hat auf Grund seiner Beteiligung auch Steuervorteile in nicht festgestellter Höhe genossen. Ob von seiten des Finanzamtes die versprochene Steuerersparnis von S 114.100,-- für den Fall des Konkurses des Unternehmens auch tatsächlich gewährt werden wird, ist noch offen.
Der Kläger begehrte die Feststellung der Haftung des Beklagten (zur ungeteilten Hand mit M***** M*****, gegen den das Verfahren unterbrochen wurde) für alle Schäden, die ihm aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter an der A*****-Gesellschaft mbH entstanden seien und noch entstehen würden. Der Beklagte, der öffentlich als unabhängiger Finanz- und Vermögensberater aufgetreten, tatsächlich aber für die A*****-Gesellschaft mbH als Vermittler tätig gewesen sei und von dieser auch Provisionen und Entgelt erhalten habe, habe ihn zum Abschluß des Gesellschaftsvertrages überredet. Wenn der Beklagte nicht schon wider besseres Wissen wegen seiner Provision zur Beteiligung als stiller Gesellschafter geraten habe, falle ihm doch zumindest Fahrlässigkeit zur Last, weil er als Fachmann, als der er sich ausgegeben habe, hätte sehen müssen, daß es mit der A*****-Gesellschaft mbH kein gutes Ende nehmen könne. Wenn er als Finanz- und Anlageberater seinen Kunden Geldanlagen empfahl, hätte er die Bonität der Unternehmen, in die zu investieren er seinen Klienten geraten habe, prüfen müssen. Er hätte sich darüber informieren müssen, a) welche Geschäfte die A*****-Gesellschaft mbH betreibe, dann hätte er gesehen, daß sie überhaupt kein einziges Geschäft betrieben habe; b) welche kaufmännische Erfahrung die Geschäftsleitung aufweist, dann hätte er gesehen, daß M***** M***** überhaupt keine kaufmännische Erfahrung und keinen kaufmännischen Werdegang aufzuweisen gehabt habe und er hätte c) das Unternehmen nach seiner kaufmännischen Einrichtung und seinen kaufmännischen Möglichkeiten prüfen müssen, dann hätte er gesehen, daß die A*****-Gesellschaft mbH völlig vermögenslos gewesen sei, weil selbst die Büroeinrichtung und die Firmenfahrzeuge geleast gewesen seien; in Wahrheit habe die A*****-Gesellschaft mbH keine geschäftliche Tätigkeit entwickelt. Der Beklagte, der es schuldhaft vernachlässigt habe, sich über Wert oder Unwert seiner Anlageberatung zu erkundigen, habe nicht nur empfohlen, Geld bei der A*****-Gesellschaft mbH gewinnbringend anzulegen, sondern habe darüber hinaus den versprochenen Erfolg garantiert. Da die Höhe des Schadens des Klägers noch nicht bekannt sei, bestehe zur Hintanhaltung der Verjährung ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Haftung des Beklagten.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, er sei nicht als unabhängiger Finanz- und Vermögensberater aufgetreten; es sie für den Kläger eindeutig erkennbar gewesen, daß der Beklagte in das Interessenverfolgungsprogramm der A*****-Gesellschaft mbH einbezogen gewesen sei. Mangels Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien hafte der Beklagte nur nach § 1300 ABGB für absichtlich erteilten falschen Rat. Es treffe ihn aber auch keine Fahrlässigkeit, da auf Grund der von ihm eingeholten Informationen keine Gefahr für die Anleger erkennbar gewesen sei. Persönlich habe er keinen Erfolg garantiert.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, der Handelsmäkler hafte gemäß § 98 HGB für den durch sein Verschulden entstandenen Schaden. Ein Verschulden des Beklagten könne aber im vorliegenden Fall nicht gefunden werden. Es könne weder von einem Handelsmäkler, noch von einem Handelsvertreter erwartet werden, daß er die Gebarung eines Unternehmens, dessen Beteiligungen er vermittel, analysiere; er würde dafür wahrscheinlich weder die Fähigkeiten mitbringen, noch auch würde er die Genehmigung des Unternehmens zur Einsicht in interne Unterlagen erhalten. Mehr, als sich bei der Bank zu vergewissern, ob die den Gesellschaftern versprochene Bankgarantie gesichert sei, und sich vom Steuerberater des Unternehmens bestätigen zu lassen, daß nichts Nachteiliges über das Unternehmen bekannt sei, könne vom Beklagten so lange nicht verlangt werden, als er nicht besondere Anhaltspunkte für Probleme des Unternehmens habe.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes
S 50.000,-- übersteigt und daß die ordentliche Revision nach § 502 Abs. 1 ZPO zulässig ist. Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, es komme nicht entscheidend darauf an, ob die Tätigkeit des Beklagten als die eines Handelsmäklers iS des § 93 HGB oder als die eines Zivilmäklers zu qualifizieren sei. Der Beklagte hafte für die Verletzung vorvertraglicher Schutz- und Aufklärungspflichten, wobei er iS des § 1299 ABGB für die Kenntnisse und die Sorgfalt eines ordentlichen Anlageberaters einzustehen habe. Umstände, auf Grund derer der Beklagte eine drohende Insolvenz der A*****-Gesellschaft mbH erkannt habe oder hätte erkennen müssen, habe der Kläger nicht dargetan; er habe lediglich behauptet, daß der Beklagte nähere Informationen hätte einholen müssen, ohne allerdings substantiiert darzulegen, auf Grund welcher Erkundigungen der Beklagte sich welche Kenntnisse hätte verschaffen können. Besondere Umstände, die den Beklagten hätten mißtrauisch machen müssen und die ihn zur Einholung weiterer Erkundigungen, über die Auskunft des Steuerberaters hinausgehend, verpflichtet hätten, habe der Kläger nicht geltend gemacht. Die stille Beteiligung sei in aller Regel ein risikoträchtiges Geschäft, das Insolvenzrisiko sei vom Beklagten sogar ausdrücklich erörtert worden; darauf, daß die diesbezüglichen Berechnungen falsch gewesen wären, habe der Kläger seinen Anspruch nicht gestützt. Auch das Berufungsgericht komme daher zum Ergebnis, daß dem Beklagten eine Sorgfaltsverletzung nicht vorgeworfen werden könne. Die ordentliche Revision sei zuzulassen gewesen, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über das Ausmaß der Sorgfaltspflicht eines Vermögens- und Anlageberaters, insbesonders allfälliger Erkundungspflichten mit Ausnahme der Entscheidung JBl. 1985, 38 nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist entgegen den Ausführungen der zweiten Instanz nicht zulässig iS des § 502 Abs. 1 ZPO.
Das Berufungsgericht hat zutreffend die Ansicht vertreten, daß es für die Entscheidung des Rechtsstreites nicht wesentlich ist, ob die Tätigkeit des Beklagten als die eines Handelsmäklers iS des § 93 HGB oder eines Handelsvertreters iS des § 29 HGB zu qualifizieren ist; denn nicht die Sorgfaltspflichten, die ein Handels- oder Zivilmäkler zu erfüllen hat, und die Fachkenntnisse, die das Tätigwerden eines Mäklers erfordert (vgl. hiezu Griß-Reiterer in Straube, HGB, Rz 2 zu § 98, sowie Herrmann in Heymann, HGB, Rz 10 zu § 93 und Rz 4 zu § 98), sind hier zu beurteilen, sondern der Sorgfaltsmaßstab, für den ein Vermögens- und Anlageberater iS der §§ 1299, 1300 ABGB einzustehen hat. Der - selbständig tätige - Beklagte hatte "Beteiligungen an der A*****-Gesellschaft mbH in sein Programm aufgenommen" und erhielt von dieser Gesellschaft Provisionen für vermittelte Beteiligungen (AS 77); er war daher nicht unentgeltlich und schon gar nicht selbstlos (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 1300) tätig. Die im § 1300 ABGB enthaltenen Worte "gegen Belohnung" bedeuten nach herrschender Auffassung nur, daß der Rat nicht bloß aus Gefälligkeit, sondern im Rahmen eines Verpflichtungsverhältnisses gegeben (SZ 54/41 ua), daß er nicht selbstlos erteilt wurde (Reischauer aaO). Für die Geschäftstätigkeit eines Vermögens- und Anlageberaters ist es in der Regel nicht entscheidend, daß er für seine Tätigkeit von seinem Klienten (hier: vom Kläger) selbst ein Honorar begehrt, da er sich vielfach - wie hier - dadurch bezahlt macht, daß er vom anderen Vertragsteil Provision erhält (JBl. 1985, 38). Die Haftung des Beklagten ist deshalb entgegen der von ihm in der Klagebeantwortung vertretenen Ansicht keineswegs auf eine wissentliche Schädigung, auf Vorsatz, eingeschränkt.
Die Sorgfalt, die ein "Sachverständiger" zu prästieren hat, wird im § 1299 ABGB bestimmt: Es sind der "notwendige Fleiß und die erforderlichen, nicht gewöhnlichen Kenntnisse". Zu vertreten sind die Kenntnisse und der Fleiß eines durchschnittlichen Fachmannes des jeweiligen Gebietes. Entscheidend ist der Leistungsstandard der betreffenden Berufsgruppe; der Sorgfaltsmaßstab darf nicht überspannt werden (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1299; SZ 54/13).
Das Berufungsgericht ist bei der Beurteilung, ob den Beklagten eine Haftung iS des § 1299 ABGB trifft, von diesen Grundsätzen ausgegangen, da es ausgesprochen hat, der Beklagte hafte für die Kenntnisse und die Sorgfalt eines ordentlichen Anlageberaters.
Gemäß § 502 Abs. 1 ZPO ist gegen das Urteil des Berufungsgerichtes die Revision nur bei Vorliegen einer im Sinne dieser Bestimmung erheblichen Rechtsfrage zulässig. Zur Frage des Sorgfaltsmaßstabes des § 1299 ABGB besteht eine umfangreiche Rechtsprechung. Gewiß ist auch im besonderen Fall zur Wahrung der Rechtssicherheit der Einzelfallgerechtigkeit insoweit Rechnung zu tragen und die Revision als zulässig zu erachten, wenn das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung zwar von zutreffenden Rechtssätzen ausgegangen ist, diese im besonderen Fall aber unrichtig angewendet hat; wenn die Entscheidung des Berufungsgerichtes auf einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage beruht; oder wenn es von einer in ständiger Rechtsprechung anerkannten Ermessensübung erheblich abweicht.
Davon aber kann hier keine Rede sein. Das Berufungsgericht ist, ausgehend von einer zutreffenden Ansicht über den den Beklagten treffenden Sorgfaltsmaßstab zur Ansicht gekommen, daß die vom Beklagten angestellten Nachforschungen dem entsprechen, was ihm nach seiner Tätigkeit als Anlageberater zuzumuten war. Daß es bei dieser Beurteilung zu einer krassen Fehleinschätzung gekommen wäre, kann nicht gesagt werden. Ob aber der Beklagte im besonderen Fall noch die eine oder andere weitere Erkundigung hätte einholen können oder sollen, ist eine Frage der Einzelfallgerechtigkeit, die an den Obersten Gerichtshof bei grundsätzlich zutreffender Lösung der gegebenen Rechtsfragen nicht mehr herangetragen werden kann.
Die Revision war daher zurückzuweisen.
Der Antrag des Klägers auf Kostenzuspruch war abzuweisen, weil der Kläger in der von ihm erstatteten Revisionsbeantwortung auf Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat.
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