Spruch:
Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere
Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung
Der am 8. Oktober 1987 verstorbene Johann I*** hat dem Erstbeklagten den Auftrag zur Erbringung der Ingenieurleistungen für das Projekt "Umbau Köhlehaus Seilergasse 10" erteilt. Der zweitbeklagten Partei waren von Johann I*** die Unterfangungs- und Baumeisterarbeiten am genannten Haus übertragen worden. In den vom Erstbeklagten erarbeiteten Ausschreibungsunterlagen wurde festgehalten, daß trotz der in zwei Obergruppen zerlegten Ausschreibung keineswegs die Arbeiten getrennt vergeben werden, da der Auftraggeber für die Durchführung des gesamten Bauvorhabens nur einen Vertragspartner will. Die gesamte Einreichplanung, Polierplanung, Detailplanung, statische Berechnung und Bauleitung lag in Händen des Erstbeklagten. Im Schlußbrief vom 7. Jänner 1985 wurde festgehalten, daß der Auftragnehmer für das Verhalten seiner Subunternehmer bzw. deren Mitarbeiter allein verantwortlich ist und jeden durch diese angerichteten Schaden auf seine Kosten zu ersetzen hat. Für die technisch einwandfreie Ausführung seiner Arbeiten haftet der Auftragnehmer ausschließlich allein. Da der Auftrag auf Grund einer Variante bei der Pfahlkonstruktion und der Hilfsunterstellung aus preislicher Hinsicht an die zweitbeklagte Partei vergeben wurde, wurde im Schlußbrief noch ergänzend festgehalten, daß für die richtige Planung, Statik und Ausführung dieser Variante der Auftragnehmer verantwortlich ist. Mit Bescheid vom 8. April 1984 wurde Johann I*** die Baubewilligung für den Umbau des Erdgeschoßes und des ersten Stockes sowie für die Unterkellerung des Hauses Seilergasse 10 erteilt. Da es im nordwestlichen Bereich, insbesondere im zweiten Obergeschoß, zu starken Rißbildungen kam, wurde am 28. Februar 1985 mündlich die Baueinstellung verfügt. Am 7. März 1985 erging der schriftliche Bescheid, daß bauliche Maßnahmen untersagt bleiben, solange das Gebäude bewohnt wird. Die Räumung des Gebäudes und ein Benützungsverbot wurden am 8. März 1985 angeordnet. Die Bau- und Feuerpolizei machte auf gravierende Mängel in der Ausführung aufmerksam. Nachdem es infolge von Rißbildungen in den Wänden zur Baueinstellung gekommen war, wurde der Erstbeklagte von Johann I*** beschuldigt, dafür verantwortlich zu sein. Nach der Delogierung am 20. März 1985 wurde die Baustelle für die Baufortführung freigegeben.
Am 23. Mai 1985 um 20,50 Uhr kam es zum Teileinsturz des Gebäudes, wobei die Decken über dem ersten, zweiten dritten und vierten Obergeschoß sowie die diese Decken unterstützenden Wände im straßenseitigen Teil des Gebäudes zum Einsturz kamen. Die Decke über dem Erdgeschoß war bereits durch die Umbauarbeiten weitestgehend entfernt worden. Das Dach, sämtliche Außenwände, das Stiegenhaus ab dem ersten Obergeschoß und der gesamte Nordtrakt des Gebäudes blieben erhalten.
Am Tag nach dem Einsturz des Gebäudes kam es auf der Baustelle zu einer ersten Besprechung. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde von Johann I*** die Frage aufgeworfen, wer den Schaden zu ersetzen habe. Es stellte sich heraus, daß beide Beklagten bei der I***-Versicherung versichert waren. Johann I*** hat sämtliche Bautechniker für mögliche Schädiger gehalten, aber weder damals noch in der folgenden Zeit einen konkreten Vorwurf eines ganz bestimmten Fehlers geäußert. Auch in den folgenden Wochen wurde in etlichen Gesprächen die Frage der Schuld am Einsturz erörtert.
Bereits am 24. Mai 1985 erklärte Johann I***, die Schadensregulierung mit der Versicherung durchzuführen. Die zweitbeklagte Partei veranlaßte noch am 24. Mai 1985 die Verständigung ihrer Haftpflichtversicherung vom Schadensfall. Der Schadensakt hinsichtlich des Erstbeklagten wurde am 14. Juni 1985 bei der I***-Versicherung angelegt.
Der Rechtsvertreter des Johann I*** schrieb in der Folge die beklagten Parteien und das Unternehmen N*** um Bekanntgabe ihrer Polizzennummern an und stellte Schadenersatzansprüche an die I***-Versicherung als Haftpflichtversicherer der beklagten Parteien.
Am 22. Juli 1985 brachte Johann I*** einen Antrag auf Beweissicherung ein, wobei er als Antragsgegner die zwei beklagten Parteien nannte. Im Beweissicherungsverfahren 20 Nc 201/85 des Bezirksgerichtes Innsbruck wies der Sachverständige Dipl.Ing. Josef D*** in seinem Gutachten vom 4. November 1985 darauf hin, daß der Einsturz durch überhöhten Druck beim Injizieren - einer Ausführungsart, die von dem Unternehmen N*** als Subunternehmer der zweitbeklagten Partei durchgeführt wurde - verursacht wurde. Das Beweissicherungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. In der am 1. Juni 1988 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die klagende Partei von den beiden Beklagten einen Betrag von S 10,065.163,62 sowie die Feststellung, daß die Beklagten zur ungeteilten Hand für alle Schäden haften, die aus dem Einsturz des Hauses Innsbruck, Seilergasse 10, am 23. Mai 1985 resultieren. Die beiden Beklagten treffe ein Verschulden am Einsturz des erwähnten Gebäudes. Sie seien der klagenden Partei daher zum Ersatz des hiedurch entstandenen, in der Klage im einzelnen aufgeschlüsselten Schadens verpflichtet. Das Verschulden der zweitbeklagten Partei liege darin, daß durch Entfernung der versteifenden Zwischenwände im Erdgeschoß und im ersten Obergeschoß sowie von Decken und Gewölben zwei 7 m hohe, freistehende Tragwände geschaffen worden seien, die zusätzlich noch durch Durchbrüche geschwächt gewesen seien. Durch das Überschreiten des Einpreßdruckes sei die Bauausführung in eklatanter Weise von der Planung abgewichen. Das Verschulden des von der zweitbeklagten Partei beauftragten Subunternehmens N*** stehe eindeutig fest. Ein Verschulden des Erstbeklagten sei darin zu erblicken, daß diesem die gesamte Einreichplanung und die Bauleitung übertragen worden sei und er daher gegen das Auftreten von Mißständen sofort einschreiten hätte müssen.
Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Sie bestreiten jegliches Verschulden am Einsturz des Gebäudes und wenden insbesondere ein, allfällige Ansprüche der klagenden Partei seien verjährt, weil die Klage mehr als drei Jahre nach dem Schadensereignis eingebracht worden sei.
Die klagende Partei behauptet demgegenüber, daß die Frage der Haftung und des Verschuldens erst nach dem Vorliegen des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.Ing. Josef D*** mit einiger Aussicht auf Erfolg habe abgeschätzt werden können.
Das Erstgericht, das die Verhandlung auf die Frage der Verjährung beschränkte, wies das Klagebegehren ab. Johann I*** habe bereits am Tag des Einsturzes des Gebäudes Kenntnis vom Schaden gehabt. Als mögliche Schädiger seien von vornherein nur am Bau beteiligte Personen oder Unternehmen in Betracht gekommen. Zur Zeit des Schadenseintritts habe Johann I*** nur zwei Vertragspartner gehabt, nämlich die beiden beklagten Parteien. Es sei vertraglich festgehalten gewesen, daß die zweitbeklagte Partei für ihre gesamte Tätigkeit und für das Verhalten ihrer Subunternehmer sowie deren Mitarbeiter verantwortlich ist. Bereits am 24. Mai 1985 habe daher eine Klage mit Aussicht auf Erfolg gegen die beklagten Parteien eingebracht werden können.
Das Berufungsgericht hob die Entscheidung des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, insgesamt S 300.000,- übersteigt. Zwar dürfe der Geschädigte mit einer Klage nicht so lange zuwarten, bis er alle Beweismittel gesammelt habe, die sein Prozeßrisiko auf ein Minimum reduzieren. Doch gehörten zu den für das Entstehen des Ersatzanspruches maßgebenden Umständen, die dem Geschädigten iS des § 1489 Satz 1 ABGB bekannt sein müssen, nicht nur die Kenntnis des Schadens und des Schädigers sowie des Ursachenzusammenhanges zwischen dem Schaden und einem dem Schädiger anzulastenden Verhalten, sondern überall dort, wo der Ersatzanspruch des Beschädigten, wie hier, ein Verschulden voraussetze, auch die Kenntnis jener Umstände, die im Einzelfall ein derartiges Verschulden begründen. Dem Kläger sei zweifellos bewußt gewesen, daß seine beiden Vertragspartner, nämlich die Beklagten, als Schädiger in Betracht kommen. Es habe ihm als Laien jedoch jeder Einblick in die für ein Verschulden der genannten Personen maßgebenden Zusammenhänge gefehlt. Die Beklagten hätten sich nicht nur damit begnügt, dem jeweils anderen Teil ein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen, sondern seien bestrebt gewesen, den Einsturz des Hauses mit dem Hinweis auf eine mangelhafte Bausubstanz des sehr alten Gebäudes auf höhere Gewalt zurückzuführen. Es sei nicht ersichtlich, auf Grund welcher Umstände der Kläger als Laie auf dem Gebiet der Statik und der Bautechnik hätte erkennen sollen, welcher der beiden Beklagten ein Verschulden zu vertreten habe und ob überhaupt der Einsturz des Gebäudes auf ein schuldhaftes Verhalten seiner Vertragspartner zurückzuführen sei. Erst durch das Gutachten des Sachverständigen Dipl.Ing. D*** habe die klagende Partei Kenntnis von Umständen erhalten, die mit einiger Verläßlichkeit Rückschlüsse auf ein Verschulden der Beklagten zuließen. Dieses Gutachten aber sei erst am 4. November 1985 erstattet, die Klage somit rechtzeitig eingebracht worden. Das Erstgericht werde daher das Verfahren fortzusetzen haben.
Beide Beklagte bekämpfen den Beschluß des Berufungsgerichtes mit Rekurs und beantragen die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes.
Rechtliche Beurteilung
Die klagende Partei hat eine Rekursbeantwortung erstattet. Die Rekurse sind nicht berechtigt.
Nach einheitlicher Lehre (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1489; Mader in Schwimann, ABGB, Band 5, Rz 7 zu § 1489; Mayrhofer in Ehrenzweig3 II/1, 348) und Rechtsprechung (JBl. 1987, 450; JBl. 1988, 321) muß - wie das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat - der Geschädigte, um den Beginn der Verjährung eines Schadenersatzanspruches in Gang zu setzen, nicht nur den Schaden und die Person des Schädigers kennen. Er muß auch Kenntnis von den Umständen haben, aus denen sich das Verschulden und die Ersatzpflicht des ihm an sich bekannten, später in Anspruch genommenen Schädigers ergeben. Er muß Kenntnis vom Ursachenzusammenhang zwischen seinem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten haben und in Fällen, in denen die Ersatzpflicht nur bei Verschulden besteht, auch die Umstände kennen, die ein Verschulden des Schädigers begründen. Der Sachverhalt muß zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch so weit bekannt sein, daß der Geschädigte mit Aussicht auf Erfolg eine Klage erheben kann. Der Geschädigte kann sicherlich nicht so lange warten, bis er alle Beweismittel gesammelt hat, die sein Prozeßrisiko auf ein Minimum reduzieren. Es genügen jedoch nicht bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände (JBl. 1987, 450). Die Verjährungsfrist beginnt insbesondere nicht, wenn der Geschädigte als Laie keinen Einblick in die für das Verschulden maßgeblichen Zusammenhänge hat und erst durch ein Sachverständigengutachten hievon Kenntnis erlangt (JBl. 1988, 321).
Der klagenden Partei (ihrem Rechtsvorgänger) war zwar der Schaden bereits mit dessen Eintritt, dem Einsturz des Hauses am 23. Mai 1985, bekannt. Nicht bekannt dagegen war ihr, ob die Schadensursache auf höhere Gewalt zurückzuführen ist, oder ob einer der beiden Beklagten - oder beide Beklagte - als Schädiger in Betracht kommen, aus welchen Gründen dies der Fall sein soll und ob ihnen ein Verschulden an dem eingetretenen Schaden anzulasten ist. Als Laie in diesen Dingen besaß Johann I*** keinen Einblick in die maßgeblichen Zusammenhänge. Untätigkeit in der Untersuchung des Falles kann Johann I*** nicht vorgeworfen werden. Er war vielmehr ständig bestrebt, die Schadensursachen zu klären. Daß er seinerseits offenbar nicht das Vorliegen höherer Gewalt annahm, sondern davon ausging, daß einen der Beklagten oder beide Beklagte die Schuld an dem Schaden treffe ("Irgend einen Mist habt ihr gemacht"), reichte als bloße Vermutung ohne jede Kenntnis des Ursachenzusammenhanges und von verschuldensbegründenden Umständen keineswegs hin, um bereits vor dem 1. Juni 1985 eine Schadenersatzklage mit Aussicht auf Erfolg einbringen zu können.
Mit Recht hat deshalb die zweite Instanz die Ansicht vertreten, Verjährung sei nicht gegeben.
Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.
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