Spruch:
Auf die Werthaftungssumme des Erwerbers eines Unternehmens nach § 1409 ABGB ist anrechenbar, was der Veräußerer aus dem Kaufschilling mit oder ohne Einverständnis des Erwerbers an zugehörigen Schulden bezahlt hat
Die Haftung des Übernehmers der Firma nach § 25 HGB setzt die Veräußerung eines vollkaufmännischen Unternehmens voraus; die Beweislast hiefür trifft den Kläger. Es ist notwendig, aber auch ausreichend, daß der wesentliche Kern eines bestehenden Handelsgeschäftes übernommen wurde; ob die Mietrechte übertragen oder zugunsten des Übernehmers zurückgelegt werden, ist gleichgültig
OGH 13. 1. 1983, 7 Ob 648/82 (OLG Linz 3 R 40/82; KG Wels 4 Cg 482/80) = JBl 1984, 380 (Hoyer)
Text
Der Kläger begehrt den Zuspruch von 92 494.84 S sA und bringt vor, die Beklagte, die in der Klage mit "Firma A. J. Gesellschaft m.b.H."
bezeichnet wird (Richtigstellung der Parteienbezeichnung unter Hinweis auf eine Änderung des Firmennamens der Beklagten S. 19), betreibe in V, V.-Stadt 3, ein Handelsgeschäft mit Uhren und Schmuckwaren. Die Beklagte sei Betriebsnachfolgerin ihres Geschäftsführers Anton J und somit Rechtsnachfolgerin iS des § 1409 ABGB; sie hafte nach dieser Gesetzesstelle und auch nach § 25 HGB für alle Verbindlichkeiten des Anton J aus seiner Tätigkeit als Einzelunternehmer. Anton J schulde dem Kläger den Klagebetrag aus Warenlieferungen einschließlich Protestspesen, Verfahrenskosten und kapitalisierten Zinsen.
Die Beklagte beantragt Abweisung der Klage, da sie nicht Betriebs- und Rechtsnachfolgerin nach Anton J sei.
Das Erstgericht gab der Klage mit einem Teilbetrag von 87 550.10 S sA statt; das Mehrbegehren von 4944.74 S sA wies es ab. Das Erstgericht traf folgende Feststellungen: In der Zeit von 1967 bis 1979 betrieb Anton J in V, V-Stadt 3, einen Einzelhandel mit Uhren, Gold- und Silberwaren sowie optischen Waren und übte das Uhrmacherhandwerk aus. Im Jahre 1978 kam es zu finanziellen Schwierigkeiten, in deren Folge ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Anton J gestellt wurde. Um die Eröffnung des Konkurses doch noch zu verhindern, trug sich Anton J mit dem Gedanken, sein Unternehmen zu veräußern. Über den gemeinsamen Steuerberater führte er sodann Verkaufsgespräche mit Christine R. Eine Vorinventur am 27. 8. 1979 ergab, daß die Waren und sonstigen Gegenstände des Unternehmens - ausgenommen das persönliche Handwerkszeug Anton J's - einen Wert von zirka 1 400 000 S repräsentierten. Der bisherige Einzelhandelskaufmann Anton J verkaufte nun sein Unternehmen an die neu gegrundete A J.-GesmbH, welche am 4. 9. 1979 in das Handelsregister Wels eingetragen wurde, um den Kaufpreis von 1 558 690 S. Der sogenannte "good will" wurde nicht ausdrücklich berücksichtigt. Gesellschafter der GesmbH waren Anton J und Christine R. Zum alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer wurde Anton J bestellt. Der von Christine R an Anton J bezahlte Kaufpreis wurde zur Gänze von diesem zur Begleichung von offenen Forderungen verwendet. Sowohl der Verwendungszweck des Kaufpreises als auch die finanzielle Lage des Unternehmens waren Christine R bekannt. Über die Geschäftsbeziehungen und Verbindlichkeiten zum Kläger wußte Christine R ebenfalls Bescheid. Bis zum August 1980 war Anton J mit einer Stammeinlage von 75 000 S an der Firma A J GesmbH beteiligt. Am 13. 8. 1980 trat er jedoch seine Gesellschaftsanteile für 75 000 S an die nunmehrige alleinvertretungsbefugte Geschäftsführerin Christine R ab, um mit dem Erlös weitere offene Forderungen abdecken zu können. Zu diesem Zeitpunkt lagen alle Forderungen des Klägers offen auf der Hand. Die Forderungen des Klägers wurden von Anton J nicht befriedigt, weil der Kläger - im Gegensatz zu den übrigen Gläubigern - einem 40%igen außergerichtlichen Ausgleich nicht zustimmte. Mit Gesellschaftsbeschluß vom 23. 12. 1980 wurde der Firmenname "A. J. Gesellschaft m.b.H.", in den Namen der beklagten Partei: "Sch Handelsgesellschaft mbH" geändert. Anton J ist seither Angestellter dieser Firma. Das Einzelunternehmen Anton J. wurde nach dem Verkauf unter der Firma A. J GesmbH mit einem neuen Mietvertrag bezüglich der Geschäftsräume, sonst aber wie bisher weitergeführt. Firmensitz und Geschäftslokal blieben somit gleich. Gegen Anton J liegen seitens des Klägers Forderungen von insgesamt 87 550.10 S vor, welche nunmehr auch gegen die Beklagte geltend gemacht werden. Eine gegen Anton J geführte Fahrnisexekution konnte (am 17. 3. 1980) nicht vollzogen werden, da pfändbare Gegenstände nicht vorhanden waren.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die Beklagte sei Übernehmerin des Unternehmens des Anton J iS des § 1409 ABGB. Anton J sei Gesellschafter der Beklagten geworden. Sein Wissen über die Verbindlichkeiten des übernommenen Unternehmens müsse daher der Beklagten zugerechnet werden. Es seien jedoch die gesamten Aktiven des Unternehmens in Form des Kaufpreises von der Beklagten abgegolten und sofort zur Tilgung bestehender Verpflichtungen herangezogen worden. Da die Gläubiger somit bis zur Höhe der vorhandenen Aktiven durch die Beklagte befriedigt worden seien, bestehe kein Anspruch nach § 1409 ABGB. Die Beklagte habe aber überdies das übernommene Unternehmen unter der bisherigen Firma weitergeführt und der ursprünglichen Firmenbezeichnung nur den Zusatz "Gesellschaft m.b.H." beigefügt. Sie hafte daher gemäß § 25 HGB für die Schulden des übernommenen Unternehmens des Anton J. Die spätere Änderung des Firmennamens stehe nicht im ursächlichen Zusammenhang mit der Übertragung des Unternehmens und sei deshalb ohne Bedeutung. Das über die Schulden dieses Unternehmens hinausgehende Mehrbegehren sei abzuweisen.
Das Berufungsgericht sprach dem Kläger nur einen Teil seines Begehrens von 86 144.92 S sA zu und wies das Mehrbegehren von 6349.92 S sA ab. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich. Dahingestellt bleiben könne eine Beurteilung der Haftung der Beklagten nach § 1409 ABGB. Die Beklagte hafte nämlich jedenfalls nach § 25 HGB. Eine Haftung nach dieser Gesetzesstelle sei gegeben, wenn - unter Fortführung der bisherigen Firma - (zumindest) der Kern des Unternehmens mit den zur Betriebsfähigkeit notwendigen Zubehörstücken und sachlichen Ausstattungen auf den Erwerber übergehe und die Fortführung des Betriebes nach allgemeiner Verkehrsauffassung möglich sei. Es genüge, daß diejenigen Teile übergehen, die den Tätigkeitsbereich bestimmen, mit dem das Unternehmen nach außen hin in Erscheinung trete. Diese Voraussetzungen lägen im gegenständlichen Falle vor. Daran könne nichts ändern, daß für das Geschäftslokal ein neuer Mietvertrag abgeschlossen und neues Inventar angeschafft worden sei. Ob Anton J, der ein Handelsgewerbe nach § 1 Abs. 2 Z 1 HGB betrieben habe, Vollkaufmann gewesen sei, sei nicht zu prüfen, da die Beklagte im Verfahren vor dem Erstgericht das Gegenteil weder behauptet noch bewiesen habe. Die Beklagte könne sich nunmehr nicht darauf berufen, daß Anton J nur Minderkaufmann und § 25 Abs. 1 HGB auf ihn daher nicht anzuwenden sei. Dennoch sei das Urteil des Erstgerichtes teilweise abzuändern, weil die Beklagte nicht für Kosten hafte, die dem Kläger erst nach dem Übergang des Unternehmens an sie beim Versuch der Eintreibung der Forderung gegen den ursprünglichen Schuldner Anton J entstanden seien. Der Solidarschuldner könne zum Ersatz der nur den Mitschuldner betreffenden Prozeßkosten nicht herangezogen werden. Der Zuspruch des Kostenbetrages von 1405.18 S habe daher zu entfallen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und verwies die Rechtssache im angefochtenen Umfang an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 25 Abs. 1 HGB haftet, wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, für alle im Betrieb des Geschäftes begrundeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers.
Die Anwendung des § 25 HGB kann nur in Betracht kommen, wenn das Handelsgeschäft als Ganzes übernommen worden ist. Dazu ist notwendig, aber auch ausreichend, daß der den Schwerpunkt des Unternehmens bildende wesentliche Kern des Unternehmens übernommen wurde und daß es sich um ein bestehendes Handelsgeschäft handelte (Schlegelberger, HGB[5] I 237; Würdinger in GroßKomm HGB[3] I 358). Ein Handelsgeschäft wird fortgeführt, wenn der Kern des Unternehmens mit den zur Betriebsfähigkeit notwendigen Zubehörstücken und sachlichen Ausstattungen auf den Erwerber übergeht und die Fortführung des Betriebes nach allgemeiner Verkehrsauffassung möglich ist (Hämmerle - Wünsch, Handelsrecht[3] I 183). Es ist richtig, daß Bestandverträge regelmäßig als Teil des Unternehmens anzusehen sind, mit der Wirkung, daß das Bestandverhältnis im Zweifel dem Recht am Unternehmen folgt (Hämmerle - Wünsch aaO 181). Der Umstand, daß Anton J und die Beklagte hinsichtlich der Miete der Geschäftsräumlichkeiten so vorgegangen sind, daß Anton J seine Bestandrechte zurückgelegt und die Beklagte einen neuen Mietvertrag abgeschlossen hat, kann im Ergebnis aber nicht anders beurteilt werden, als wenn der Vermieter anläßlich der Veräußerung des Unternehmens der Abtretung der Bestandrechte an die Beklagte zugestimmt hätte und damit das Bestandverhältnis mit voller Wirksamkeit auf die Beklagte übergegangen wäre (vgl. Hämmerle - Wünsch aaO; MietSlg. 20 155). Hinweise dafür, daß Anton J die Mietrechte an den Geschäftsräumlichkeiten nicht im Zusammenhang mit der Veräußerung seines Unternehmens und nicht zugunsten der Beklagten zurückgelegt hätte, daß also die Beklagte diese Bestandrechte unabhängig von der Aufgabe dieser Rechte durch Anton J erworben hätte, sind nicht vorhanden. Mit Recht sind deshalb die Unterinstanzen zum Ergebnis gelangt, daß der Abschluß eines neuen Mietvertrages über die Geschäftsräume nicht gegen die Annahme spricht, die Beklagte habe das Handelsgeschäft des Anton J fortgeführt.
Gegen eine derartige Annahme spricht auch nicht der Umstand, daß die Räume mit einer neuen Geschäftseinrichtung ausgestattet wurden. Daß die vorhandene Geschäftseinrichtung an die Beklagte nicht mitveräußert worden und daß die Beklagte deshalb genötigt gewesen wäre, die Geschäftsräume neu einzurichten, geht aus den Feststellungen nicht hervor. Den Verfahrensergebnissen und dem eigenen Vorbringen des Beklagten in der Revisionsschrift kann vielmehr entnommen werden, daß das Inventar keinen Wert mehr hatte.
Es kann demnach nicht zweifelhaft sein, daß der wesentliche Kern eines bestehenden Unternehmens - Einwendungen dagegen, daß das Unternehmen des Anton J zum Zeitpunkt der Übernahme "bestanden" habe, wurden nicht vorgebracht - übergangen ist.
Erweisen sich damit die bisher behandelten Revisionsausführungen als unbegrundet, kann doch der in der Revision vertretenen Ansicht, den Kläger hätte die Behauptungs- und Beweispflicht dafür getroffen, daß Anton J Vollkaufmann gewesen sei, Berechtigung nicht abgesprochen werden.
Es ist richtig, daß die §§ 25 bis 27 HGB nicht anwendbar sind, wenn ein Minderhandelsgewerbe veräußert wird (Brüggemann in Großkomm HGB[3] I 172; Würdinger, ebendort 358). Das erworbene Handelsgeschäft muß ein vollkaufmännisches, wenn auch nicht notwendig eingetragenes Unternehmen sein (Schlegelberger aaO 237). Das von Anton J betriebene Unternehmen war, worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat, ein Handelsgewerbe iS des § 1 Abs. 2 Z 1 HGB. Anton J war daher Kaufmann nach § 1 Abs. 1 HGB. Ob ein Istkaufmann Vollkaufmann oder Minderkaufmann ist, richtet sich nach dem Umfang seines Gewerbebetriebes (EvBl. 1979/201 mwN). In der Behauptung des Klägers, die Beklagte hafte nach § 25 HGB für alle Verbindlichkeiten des Anton J aus seiner Tätigkeit als Einzelunternehmer, ist die weitere Behauptung enthalten, Anton J sei Vollkaufmann gewesen. Daß der "frühere Inhaber" Vollkaufmann war, ist eine für die Erwerberhaftung nach § 25 HGB anspruchsbegrundende Voraussetzung, zumal eine Firma nur dann fortgeführt werden kann, wenn sie schon bisher bestanden hat. Es ist allgemeiner Grundsatz, daß jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu behaupten und zu beweisen hat (EvBl. 1978/145). Dieser Grundsatz kann nicht dahin umgedeutet werden, es wäre Sache der Beklagten gewesen, darüber Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten, daß Anton J nur Minderkaufmann gewesen sei. Der Rechtssatz, daß die Eigenschaft eines Minderkaufmanns von dem zu beweisen ist, der sich darauf beruft, ist ausschließlich zu den §§ 348, 351 HGB entwickelt worden (EvBl. 1979/201; RZ 1959, 178; RZ 1960, 121; vgl. auch Hämmerle - Wünsch, Handelsrecht[3] I 128). Von der allgemeinen Regelung des § 348 HGB, wonach eine Vertragsstrafe, die von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochen ist, dem richterlichen Mäßigungsrecht nicht unterliegt, statuiert § 351 HGB eine Ausnahme für Minderkaufleute. Es liegt auf der Hand, daß diese Ausnahme behauptet und bewiesen werden muß. Die Bestimmung des § 25 HGB dagegen beinhaltet keine Ausnahmeregelung. Sie setzt vielmehr, da sie das Bestehen einer Firma des früheren Inhabers des Handelsgeschäftes verlangt, die Vorschriften über die Firmen auf Minderkaufleute gemäß § 4 Abs. 1 HGB aber nicht Anwendung finden, schlüssig voraus, daß der "frühere Inhaber" Vollkaufmann war (nicht nur "Kaufmann" wie § 348 HGB ohne Zusammenhalt mit § 351 HGB).
Beweise darüber, ob das Handelsgeschäft des Anton J über den Umfang des Kleingewerbes hinausgegangen ist, wurden bisher nicht aufgenommen. Es fehlen daher auch Feststellungen hierüber. Es erweist sich deshalb als notwendig, die Urteile beider Unterinstanzen in jenem Umfang aufzuheben, in dem vom Berufungsgericht dem Klagebegehren stattgegeben wurde.
Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, daß Anton J Vollkaufmann war und seine Geschäfte unter dem Namen "Anton J" betrieben hat (§ 17 Abs. 1 HGB), könnte an der Haftung der Beklagten für die eingeklagte Forderung gegen Anton J kein Zweifel bestehen, da die Beklagte in diesem Fall das von Anton J erworbene Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma, lediglich mit Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes "fortgeführt" hätte. Eine "Fortführung" der Firma liegt vor, wenn für das fortgeführte Unternehmen keine deutlich abweichende neue Firma angenommen und tatsächlich geführt wird (Schlegelberger aaO 239; Würdinger aaO 361). Das Hinzufügen eines Gesellschaftszusatzes - wie hier - ist bedeutungslos (Schlegelberger aaO 240; Würdinger aaO 362).
Sollte sich ergeben, daß Anton J nicht Vollkaufmann war, wird die Haftung der Beklagten nach § 1409 ABGB zu prüfen sein. Die grundsätzliche Verpflichtung der Beklagten zur Bezahlung der Klageforderung hat bereits das Erstgericht zutreffend mit dem Hinweis angenommen, daß der Beklagten das Wissen des Anton J - als ihres geschäftsführenden Gesellschafters - über die Verbindlichkeiten des übernommenen Unternehmens zugerechnet werden müsse. Aus dem Umstand allein aber, daß Anton J den vor der Erwerberin bezahlten Kaufpreis von 1 558 690 S zur Gänze zur Begleichung von offenen Forderungen verwendet hat, kann entgegen der Meinung des Erstgerichtes - wie bereits vom Berufungsgericht vermerkt wurde - noch keinesfalls geschlossen werden, daß eine Haftung der Beklagten gegenüber dem Kläger nicht mehr gegeben sei. Nach § 1409 ABGB wird vielmehr der Übernehmer eines Unternehmens oder Vermögens von der Haftung nur insoweit frei, als er an solchen Schulden schon so viel berichtigt hat, wie der Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens beträgt. Darüber, daß der von der Beklagten bezahlte Kaufpreis oder der bei der "Vorinventur" veranschlagte Wert tatsächlich dem Wert des Unternehmens entsprochen hätte, sind keine Feststellungen vorhanden. Das Erstgericht wird daher diesen Wert - sollte eine Haftung der Beklagten nach § 25 HGB nicht gegeben sein - zu erheben haben. Eine Verpflichtung der Beklagten nach § 1409 ABGB wird anzunehmen sein, wenn und soweit der Wert des Unternehmens den von der Beklagten bezahlten, nach den Feststellungen von Anton J zur Gänze zur Begleichung offener Forderungen verwendeten Kaufpreis übersteigt. Wiewohl nämlich nach herrschender Auffassung die Wirkungen des § 1409 ABGB (ebenso wie jene nach der gleichartigen Bestimmung des § 419 dBGB) grundsätzlich unabhängig davon eintreten, ob der Übernahmevertrag entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt ist (Reimer - Schmidt in Soergel - Siebert, BGB[10] II 536; BGB-RGRK[12] zu § 419, Rdz. 40; Staudinger, BGB [10/11] zu § 419, Rdz. 88; Münchener Kommentar II 1228; Ehrenzweig[2] II/1, 283) - gegen diese Ansicht, zum Teil mit gewichtigen Argumenten, Koziol, JBl. 1967, 553, und Larenz, Schuldrecht[12] I 557 -, entfällt eine Haftung des Erwerbers nicht nur dann, wenn er den dem Wert des Unternehmens entsprechenden Kaufpreis im Auftrag des Veräußerers unmittelbar (gänzlich) zur Bezahlung von Gläubigern verwendete (SZ 24/88), sondern es ist auch stets dasjenige nach § 1409 ABGB auf die Werthaftungssumme des Erwerbers anrechenbar, was der Veräußerer aus dem Kaufschilling des Erwerbers (mit oder ohne Einverständnis mit diesem) an zugehörigen Schulden bezahlt hat. Denn es ist nicht Zweck und Absicht des § 1409 ABGB, den Gläubigern einen zusätzlichen Vorteil zu beschaffen (Wellacher, Die Schuldenhaftung des Übernehmers beim Übergang von Vermögen und Unternehmungen 75). Sollte der von der Beklagten bezahlte Kaufpreis dem Wert des Unternehmens entsprechen oder diesen sogar übersteigen, wird eine Haftung der Beklagten aus dem Grund allein, daß bei den vorgenommenen Zahlungen nicht auch der Kläger (kridamäßig) berücksichtigt wurde, nicht angenommen werden können. Die mit dem Unternehmen übernommenen Schulden sind vielmehr ja nach dem Zuvorkommen der Gläubiger zu bezahlen (SZ 9/131; Klang, JBl. 1948, 437 f. ua.).
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