Spruch:
Der Hinweis in allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verkäufers: "Die Annullierung der Bestellung beträgt 6/8 des Verkaufspreises. Die Annullierungsfrist beträgt eine Woche" stellt keine ordnungsgemäße Belehrung über das Rücktrittsrecht im Sinne des § 3 Abs. 1 KSchG dar
OGH 24. September 1981, 7 Ob 647/81 (KG Steyr R 20/81; BG Kremsmünster C 324/80 )
Text
Die Kläger bringen vor, sie hätten auf Grund eines von ihnen nicht gewünschten Besuches eines Vertreters des Beklagten am 25. September 1980 einen Vertrag über die Lieferung von Innenjalousien abgeschlossen. Auf dem Bestellschein sei eine Belehrung über das Rücktrittsrecht gemäß § 3 KSchG nicht enthalten. Am 7. Oktober 1980 hätten die Kläger die vereinbarte Anzahlung von 2712 S geleistet. Mit Schreiben vom 20. Oktober 1980 seien die Kläger unter Hinweis auf § 3 KSchG von dem Vertrag zurückgetreten. Der Beklagte weigere sich, die Anzahlung zurückzuerstatten.
Der Beklagte stellte das Begehren der Höhe nach außer Streit, wendete jedoch ein, daß der Bestellschein eine Belehrung über das Rücktrittsrecht enthalte, sodaß der Rücktritt der Kläger verspätet sei, und daß der Erstklägerin die Aktivlegitimation fehle, weil sie die Bestellung nicht mitunterfertigt habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende Feststellungen: Am 25. September 1980 schloß der Zweitkläger nach einem Gespräch mit der Angestellten des Beklagten, Martina W, in Anwesenheit der Erstklägerin in seiner Wohnung eine Bestellung bzw. einen Werkvertrag ab. Vor Unterfertigung des Vertrages hatte der Zweitkläger diesen aufmerksam durchgelesen. Die Vertrags- und Lieferbedingungen weisen im Vordruck u. a. folgende Sätze auf: "Die Annullierung der Bestellung beträgt 6/8 des Verkaufspreises. Die Annullierungsfrist beträgt eine Woche." Der letztere Satz ist etwas größer und fetter gedruckt als die übrigen vorgedruckten Vertragsbedingungen. Die Bestellung bzw. der Werkvertrag wurde von der Vertreterin des Beklagten u.a. handschriftlich dahingehend ausgefüllt, daß als Käufer die "Familie K" aufscheint, weiter, daß die voraussichtliche Schlüsselübergabe Mitte November stattfinden werde, daß der Liefer- und Montagetermin zirka ein bis zwei Wochen nach Schlüsselübergabe erfolgen werde und daß der Gesamtpreis einschließlich Umsatzsteuer 8135 S betrage. Weiter scheint handschriftlich ein Vermerk auf "Farbe laut Architekten". Bezüglich dieses Vermerkes wurde der Zweitkläger von Martina W dahingehend informiert, daß die Farbe der Jalousien bei größeren Wohnbauvorhaben nach Schlüsselübergabe gemeinsam bestimmt werde. Der Zweitkläger hat dies auch so verstanden. Eine Irreführung dahingehend, daß die Vertreterin des Beklagten behauptet hätte, sie käme im Auftrag oder mit Zustimmung des Architekten, liegt nicht vor. Am 7. Oktober 1980 wurde die Vorauszahlung von 2712 S überwiesen. Am 20. Oktober 1980 wurde vom Klagevertreter der Rücktritt vom Auftrag unter Hinweis auf § 3 des Konsumentenschutzgesetzes erklärt, vom Beklagten jedoch am 23. Oktober 1980 zurückgewiesen.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, daß die Bestellung die im § 3 Abs. 1 KSchG vorgesehene Belehrung über das Rücktrittsrecht des Verbrauchers enthalte. Habe der Zweitkläger, wie er behaupte, diese Belehrung mit dem dieser vorangehenden Satz in Verbindung gebracht, wäre es ihm möglich gewesen, von der Vertreterin des Beklagten Aufklärung zu verlangen. Der am 20. Oktober 1980 erklärte Rücktritt sei daher verspätet. Ein Eingehen auf die Frage der Aktivlegitimation der Erstklägerin sei mit Rücksicht auf das Verfahrensergebnis nicht erforderlich.
Das Berufungsgericht gab der Klage statt. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, daß sich daraus, daß beide Kläger gemeinsam das Bestellungsgespräch geführt hätten, daß die Vertreterin des Beklagten in der Vertragsurkunde als Besteller "Familie K" angeführt habe und daß auch die Auftragsbestätigung auf "Familie K" laute, ergebe, daß beide Kläger als Besteller und Vertragspartner des Beklagten anzusehen seien. Der Satz "Die Annullierungsfrist beträgt eine Woche" könne nicht als ausreichende Belehrung über das Rücktrittsrecht im Sinne des § 3 KSchG angesehen werden, und zwar insbesondere nicht in Verbindung mit dem Satz: "Die Annullierung der Bestellung beträgt 6/8 des Verkaufspreises", da ein Konsument, der die beiden Sätze lese, den Eindruck erhalte, er müsse im Fall einer Stornierung des Vertrages 6/8 des Kaufpreises bezahlen, wobei die Frist für ein solches Storno eine Woche betrage. Dies entspreche nicht der Regelung der §§ 3 und 4 KSchG.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach § 3 Abs. 1 KSchG kann der Verbraucher von seinem Vertragsantrag oder vom Vertrag zurücktreten, wenn er seine Vertragserklärung weder in den vom Unternehmer für seine geschäftlichen Zwecke dauernd benützten Räumen noch bei einem von diesem dafür auf einer Messe oder einem Markt benützten Stand abgegeben hat. Der Rücktritt kann bis zum Zustandekommen des Vertrages oder danach binnen einer Woche erklärt werden, wobei die Frist mit der Ausfolgung einer Urkunde, die zumindest den Namen und die Anschrift des Unternehmers sowie eine Belehrung über das Rücktrittsrecht enthält, an den Verbraucher, frühestens jedoch mit dem Zustandekommen des Vertrages, zu laufen beginnt. Tritt der Verbraucher nach § 3 KSchG vom Vertrag zurück, hat der Unternehmer gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 KSchG Zug um Zug alle empfangenen Leistungen ... zurückzuerstatten.
Selbst dann, wenn man den Satz: "Die Annullierungsfrist beträgt eine Woche" auf dem Bestellschein für sich allein betrachtete, könnte darin eine Rechtsbelehrung im Sinne des § 3 Abs. 1 KSchG nicht erblickt werden. Wollte man auch Annullierung und Rücktritt gleichsetzen, fehlte doch jeder Hinweis zumindest darauf, wann die einwöchige Frist zu laufen beginnt. Im Zusammenhalt mit dem dieser Fristsetzung unmittelbar vorangestellten Satz: "Die Annullierung der Bestellung beträgt 6/8 des Verkaufspreises" aber mußte für die Kläger der Eindruck entstehen, daß sie zwar "die Bestellung annullieren" könnten, dies jedoch nur innerhalb einer Woche und mit der Folge, daß sie 6/8 des Verkaufspreises gleichwohl zu zahlen haben. Daß dies den Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes nicht entspricht, bedarf nach der Zitierung der §§ 3 und 4 KSchG keiner weiteren Erörterung. Sollte der Beklagte den Inhalt der Belehrungen anders verstanden wissen wollen, ist dies unerheblich; denn bei Beurteilung der Tragweite einer in einer Urkunde abgegebenen rechtsgeschäftlichen Erklärung kommt es nicht darauf an, was die Partei bei Abgabe der Erklärung gewollt hat, sondern allein darauf, welche Bedeutung der Vertragsgegner der Erklärung seines Partners nach deren Wortlaut (unter Berücksichtigung des Geschäftszweckes) bei objektiver Beurteilung beiliegen mußte (vgl. Koziol - Welser, Grundriß[5] I, 78 f.; Arb. 8904 u.v. a.).
Mangels einer ordnungsgemäßen Belehrung über ihr Rücktrittsrecht waren die Kläger berechtigt, dieses spätestens einen Monat nach dem Zustandekommen des Vertrages auszuüben (§ 3 Abs. 1 letzter Satz KSchG; Koziol - Welser a.a.O. 389 f.). Der Vertrag zwischen den Streitteilen ist mit Einlangen der Auftragsbestätigung vom 6. Oktober 1980 bei den Klägern zustande gekommen. Der Rücktritt vom 20. Oktober 1980 erfolgte deshalb fristgerecht.
Der Ansicht des Beklagten, es sei lediglich der Zweitkläger als Besteller aufgetreten und daher zur Rückforderung der Anzahlung legitimiert, weil nur dieser den Bestellschein unterfertigt habe, vermag der OGH nicht beizupflichten. Auf dem Bestellschein wird als "Käufer" (Besteller) nicht der Zweitkläger, sondern "Familie K" angeführt und eben diese (und nicht nur der Zweitkläger) wurde vom Beklagten bei der Auftragsbestätigung auch als sein Vertragspartner angesehen, da er sie nicht an den Zweitkläger, sondern an die "Familie K" richtete. Schriftlichkeit ist kein Formerfordernis eines Kaufvertrages (nicht einmal dann, wenn er eine Liegenschaft betrifft; Mayer - Maly in Klang[2] IV/2, 218 f.) oder eines Werkvertrages (Adler - Höller in Klang[2] V, 173). Der Beklagte hat im übrigen nicht behauptet, daß ein Vertrag mit der Erstklägerin nicht zustande gekommen sei, sondern lediglich, daß die Erstklägerin die Bestellung nicht unterfertigt habe; dies aber ist ohne weitere Bedeutung, wenn die Erstklägerin nicht geltend macht, eine Bestellung nicht getätigt zu haben.
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