OGH 7Ob644/86

OGH7Ob644/8611.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl, Dr. Wurz und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertrud S***, Geschäftsfrau in Steyr, Buchholzerstraße 31, vertreten durch Dr. Roland Klimscha, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagte Partei Dr. Edith S***-H***, Fachärztin in Steyr, Stadtplatz 39, vertreten durch Dr. Thomas Watzenböck, Rechtsanwalt in Kremsmünster, wegen 1,554.931,20 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 29. April 1986, GZ 6 R 7/86-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 26.November 1985, GZ 4 Cg 143/84-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 17.186,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin keine Barauslagen und 1.562,40 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin mietete am 15.12.1979 ein Geschäftslokal und am 6.1.1981 ein weiteres Geschäftslokal im Hause der Beklagten. Beide Bestandverhältnisse endeten durch Kündigung der Mieterin am 30.11.1983. Die Klägerin begehrt nun den Ersatz verschiedener Zahlungen an einen Vormieter und an die Beklagte sowie der von ihr selbst getätigten Investitionen mit der Begründung, die Beklagte habe vereinbarungswidrig einen namhaft gemachten Nachmieter nicht akzeptiert, von dem die Klägerin die Ablöse ihrer Investitionen verlangen hätte können.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen hatte sich die Beklagte vor der Vermietung des ersten, größeren Geschäftslokales an die Klägerin gegenüber dem Vormieter vergleichsweise zu einer Abschlagszahlung von 520.000 S verpflichtet. Die Beklagte war zum Abschluß des Bestandvertrages mit der Klägerin nur unter der Voraussetzung der Übernahme dieser Verpflichtung bereit. Die Klägerin hatte die Absicht, das Bestandobjekt für lange Zeit zu benützen. Es konnte nicht festgestellt werden, daß die Beklagte verbindliche mündliche Zusagen für den Fall einer vorzeitigen Auflösung des Bestandverhältnisses abgegeben hätte. Auch der schriftliche Mietvertrag enthielt wohl die Erklärung der Klägerin, in sämtliche Verpflichtungen der Beklagten aus dem gerichtlichen Vergleich mit dem Vormieter einzutreten und die Beklagte diesbezüglich schad- und klaglos zu halten, jedoch keine Bestimmung über irgendwelche Rechte der Klägerin im Falle vorzeitiger Auflösung des Bestandvertrages. Es wurde im Gegenteil vereinbart, daß der Bestandnehmer bei Beendigung des Bestandverhältnisses keinen wie immer gearteten Rückersatzanspruch gegenüber dem Bestandgeber auf Ersatz der getätigten Investitionen habe, die in das Eigentum des Bestandgebers ersatzlos übergehen. Anläßlich der Zumietung des zweiten Geschäftslokales mit 1.2.1981 mußte die Klägerin eine Ablöse von rund 370.000 S an den Vormieter dieses Lokales bezahlen. Auch in diesem Fall gab die Beklagte keine verbindlichen mündlichen Erklärungen ab, die zum Inhalt des schriftlichen Vertrages im Widerspruch stünden. Der schriftliche Vertrag enthielt eine gleichartige Bestimmung über Investitionen wie der erste.

Nach der Aufkündigung der beiden Geschäftslokale durch die Klägerin bejahte die Beklagte zwar deren Frage, ob sie ihr Interessenten schicken könne, doch kam es mit den von der Beklagten genannten Interessenten zu keinem Vertragsabschluß. Die Klägerin hatte von den namhaft gemachten Nachmietern Ablösezahlungen gefordert. In der Folge vermietete die Beklagte das größere Geschäftslokal an einen Dritten.

Nach der Rechtsansicht des Erstrichters habe die Klägerin mangels der behaupteten Vereinbarung keinen Ersatzanspruch gegen die Beklagte, zumal in den Bestandverträgen für allfällige Abweichungen die Schriftform vereinbart worden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstrichters und trat dessen rechtlicher Beurteilung mit der Einschränkung bei, daß der Vorbehalt der Schriftform in den Bestandverträgen eine abweichende spätere Vereinbarung nicht ausgeschlossen hätte. Nach den übernommenen Feststellungen liege aber auch eine solche nicht vor. Zu dem erst in der Berufung geltend gemachten Rechtsgrund eines Ersatzanspruches in analoger Anwendung des § 10 MRG vertrat das Berufungsgericht die Rechtsansicht, diese Bestimmung gelte ausdrücklich nur für den Ersatz von Aufwendungen auf eine Wohnung und sei auf Geschäftsräumlichkeiten nicht anwendbar. Schließlich sei auch die Weigerung der Beklagten, die von der Klägerin vorgeschlagenen Nachmieter zu akzeptieren, weder rechtswidrig noch schuldhaft noch ein Verstoß gegen die guten Sitten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Auf den ursprünglichen Klagegrund der Verpflichtung zum Schadenersatz wegen Verletzung der Vertragspflicht, einen namhaft gemachten Nachmieter zu akzeptieren, kommt die Revisionswerberin nicht mehr zurück. Alles andere Vorbringen der Revision ist aber wegen Verstoßes gegen das Neuerungsverbot des § 504 Abs 2 ZPO unbeachtlich. Das gilt zunächst für die erstmals in der Revision vorgebrachte Behauptung, die Bestimmung des § 10 MRG betreffend den Ersatz von Aufwendungen des Hauptmieters auf eine Wohnung verstoße mit der Beschränkung auf die Miete von Wohnungen und das Fehlen einer gleichen Regelung für Geschäftsräumlichkeiten gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung. In der Berufung hatte die Revisionswerberin nur eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auch auf Geschäftsräumlichkeiten für zulässig erachtet. Aber auch schon dieses Vorbringen verletzte das Neuerungsverbot. Eine Änderung der rechtlichen Argumentation einer Partei und die Geltendmachung neuer Gesichtspunkte bei der rechtlichen Beurteilung ist nämlich im Rechtsmittelverfahren nur zulässig, wenn die hiezu erforderlichen Tatsachen bereits im Verfahren erster Instanz behauptet oder festgestellt wurden. Das Gericht ist nach § 405 ZPO nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Das gilt auch für neue Rechtsgründe, die schon in erster Instanz nur im Wege einer Änderung der Klage nach § 235 ZPO geltend gemacht werden können. Allerdings ist das Gericht an eine von den Parteien vorgenommene rechtliche Qualifikation nicht gebunden, wenn der vorgetragene Sachverhalt bloß unrichtig qualifiziert wurde und (nach der Rechtsprechung) der Kläger nicht ausdrücklich und ausschließlich einen bestimmten Rechtsgrund geltend gemacht hat. Eine verfehlte rechtliche Beurteilung des Klägers schließt deshalb (vom zuletzt genannten Ausnahmefall abgesehen) die Prüfung nicht aus, ob der Anspruch bei richtiger rechtlicher Beurteilung des vorgetragenen Sachverhaltes begründet ist (SZ 46/109, 51/148, 55/51 uva.). Der Anspruch ist aber stets nur im Rahmen des konkret geltend gemachten Sachverhaltes zu überprüfen, sodaß auch im Rechtsmittelverfahren die rechtliche Qualifikation nur dann geändert werden kann, wenn das Tatsachenvorbringen in erster Instanz dies zuläßt und die tatsächlichen Behauptungen keine Änderung erfahren. Eine unrichtige rechtliche Qualifikation kann sich nur dann nicht zum Nachteil des Klägers auswirken, wenn er alle anspruchsbegründenden Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt hat (NZ 1973, 139 ua.). Im vorliegenden Fall war der Vortrag der Klägerin in erster Instanz auf das Vorbringen einer vertraglichen Verpflichtung der Beklagten und deren Verletzung sowie die Darstellung der Höhe jenes Schadens beschränkt, den die Klägerin durch diese Vertragsverletzung infolge des Entganges der Ablösezahlungen der namhaft gemachten Nachmieter erlitten habe. Hingegen fehlte jede Behauptung im Sinne des § 10 MRG darüber, daß der Bauaufwand, die Zahlungen an die Beklagte und die Investitionen der Klägerin zu den nach § 10 Abs.3 MRG zu ersetzenden Aufwendungen gehörten und daß der Anspruch im Sinn des § 10 Abs.4 MRG rechtzeitig geltend gemacht worden sei. Eines solchen Vorbringens hätte es umso mehr bedurft, weil ein Aufwandersatz für Geschäftsräume im § 10 MRG nicht vorgesehen ist und die Geltendmachung eines solchen Anspruches daher besonders ferne lag.

Aus den gleichen Gründen sind auch die weiteren Revisionsausführungen als unzulässige Neuerung unbeachtlich, der vertragliche Vorausverzicht auf den Aufwandersatz, der auch nach den §§ 1035 ff ABGB gebühre, sei (wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage?) unwirksam oder wegen Inäquivalenz sittenwidrig oder nach § 27 Abs.1 (richtig Abs.3) MRG (bzw. § 17 Abs.2 MG?) unwirksam. Auch für alle diese Repliken fehlte jedes Sachvorbringen in erster Instanz.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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