Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:
1.) Das Besuchsrecht des Vaters Johann Georg R*** zur Minderjährigen wird in der Weise geregelt, daß der Vater berechtigt ist, die Minderjährige alle drei Wochen durch zwei aufeinanderfolgende Tage, von 9 Uhr des ersten bis 17,30 Uhr des zweiten Tages zu sich zu nehmen.
2.) Die Bestimmung der Besuchstage steht dem Vater zu. Er hat die in Aussicht genommenen Besuchstage der Mutter jeweils drei Wochen vorher bekanntzugeben.
3.) Der Vater hat die Minderjährige am ersten Tag zwischen 9 und 10 Uhr bei der Mutter abzuholen und am zweiten Tag bis spätestens 17,30 Uhr dorthin zurückzubringen.
4.) Der Mutter wird aufgetragen, die Minderjährige jeweils am ersten Tag zwischen 9 und 10 Uhr zur Abholung bereitzuhalten.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern der Minderjährigen wurde am 28.8.1985 aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und minderjährigen Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten stehen der Mutter zu. Der Vater übte sein Besuchsrecht bisher im Einvernehmen mit der Mutter aus, wobei das Kind auch bei ihm übernachtete. Nunmehr begehrt er eine gerichtliche Regelung dahingehend, daß er berechtigt sei, das Kind in dreiwöchigem Turnus zwei volle Tage, jeweils von 17 Uhr des ersten bis 17 Uhr des zweitfolgenden Tages zu sich zu nehmen (AS 35).
Die Mutter ist nur bereit, dem Vater ein Besuchsrecht an zwei Tagen im Monat in der Zeit von 9 bis 17 Uhr zuzugestehen, und ist gegen eine Übernachtung des Kindes beim Vater. Dieser habe bei den Besuchen mit dem Kind über die Scheidung der Ehe gesprochen und sich abfällig über die mütterlichen Großeltern geäußert. Das Kind habe nach den Besuchen beim Vater erklärt, daß die Mutter keinen Grund gehabt habe, den Vater zu verlassen, daß dieser einsam sei und auf Verlangen der Mutter deren Rückkehr sofort zustimmen würde. Das Erstgericht räumte dem Vater ein Besuchsrecht für zwei nicht unmittelbar aufeinanderfolgende Tage im Monat in der Zeit von 9 bis 17 Uhr ein, wobei die Bestimmung der Besuchstage dem Vater obliegt, der die Termine der Mutter jeweils bis zum 25.des Vormonates bekanntzugeben hat (Punkte 1. und 2. des erstgerichtlichen Beschlusses). Es traf ferner nähere Anordnungen über die Abholung und die Rückführung des Kindes (Punkt 3. und 4. des erstgerichtlichen Beschlusses) und wies das Mehrbegehren des Vaters ab (Punkt 5. des erstgerichtlichen Beschlusses).
Nach den Feststellungen des Erstgerichtes ist der Vater Erzieher in einem Berufsschulinternat. Seine Dienstzeit erstreckt sich zum Teil auch über das Wochenende, wofür er aber dann eine Woche Zeitausgleich erhält. Das Kind hat zu ihm eine gute und enge Beziehung. Das Verhältnis zwischen den Eltern und zwischen dem Vater und den mütterlichen Großeltern ist emotionell getrübt. Der Vater warf in seinem Antrag, ihm die elterlichen Rechte und Pflichten zu übertragen (ON 1), der Mutter und der mütterlichen Großmutter mangelnde hausfrauliche und erzieherische Qualitäten sowie psychische Defekte vor. Die Mutter sah sich zu einer Beschränkung des bisherigen Besuchsrechtes des Vaters veranlaßt, weil der Vater das Kind in das gespannte Verhältnis zwischen den Eltern und zwischen dem Vater und den mütterlichen Großeltern hineingezogen habe: Wenn das Kind von ihren Besuchen beim Vater zurückgekehrt sei, habe es beispielsweise erzählt, die Mutter hätte keinen Grund gehabt, den Vater zu verlassen, der Vater fühle sich einsam und wenn ihn die Mutter fragen würde, ob sie zurückkehren könne, würde er dies sofort bejahen. Über die mütterliche Großmutter habe sich der Vater abfällig geäußert.
Nach der Auffassung des Erstgerichtes entsprächen bei einem vorschulpflichtigen Kind zwei Besuchstage im Monat den Interessen des Kindes. Ein Besuchsrecht über mehrere Tage sei bei einem vorschulpflichtigen Kind wegen der damit für das Kind verbundenen Belastungen abzulehnen.
Das Rekursgericht hob die Besuchsrechtsregelung des Erstgerichtes auf und trug dem Erstgericht nach Verfahrensergänzung eine neue Entscheidung auf. Die getroffene Regelung enthalte keine Übergabs- und Übernahmsverpflichtung, Beginn und Ende des Besuchsrechtes seien nicht genau fixiert. Der Beschluß sei daher nicht vollstreckbar. Auch könne nicht die Bestimmung der Besuchstage einem Elternteil überlassen bleiben. Gegen eine Übernachtung des fast 6jährigen Kindes im Rahmen des Besuchsrechtes bestünden zwar keine Bedenken, ob eine Übernachtung beim Vater für das Kind förderlich sei, könne aber erst nach ergänzenden Erhebungen beurteilt werden. Gegen den Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter mit dem Antrag, dem Rekursgericht eine Sachentscheidung im Sinne einer Bestätigung des erstgerichtlichen Beschlusses aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zum Teil berechtigt.
Das Recht des Elternteiles, dem die Pflege und Erziehung des Kindes nicht zusteht, mit dem Kind persönlich zu verkehren, kann nur aus wichtigen Gründen eingeschränkt oder entzogen werden (EFSlg.45.766, 43.251 uva). Spannungen zwischen den Eltern können zu einer Beschränkung oder Entziehung des Besuchsrechtes nur dann führen, wenn hiedurch das Wohl des Kindes, das oberster Grundsatz jeder Besuchsrechtsregelung ist (EFSlg.43.222 uva), gefährdet wird. Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Kind in das gespannte Verhältnis zwischen den Eltern derart einbezogen wird, daß dessen psychische Entwicklung gefährdet wird, wenn die Einstellung des Kindes zu einem Elternteil negativ geprägt und das Kind zu einer Parteinahme gezwungen wird (vgl. RZ 1982/16). Den im vorliegenden Fall vom Erstgericht festgestellten Äußerungen des Vaters wird schon von der Mutter und auch vom Erstgericht eine solche Eignung ganz offensichtlich nicht beigemessen. Diesfalls wäre nämlich nicht bloß eine zeitliche Beschränkung, sondern eine (vorübergehende) Stillegung des Besuchsrechtes zu erwägen gewesen. Auch bei einer auf Tage beschränkten Ausübung des Besuchsrechtes könnten solche Äußerungen des Vaters nicht ausgeschlossen werden. Es liegen aber auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß das Kind durch die festgestellten Erklärungen des Vaters in einer Weise irritiert worden wäre, die einen nachteiligen Einfluß auf seine psychische Entwicklung haben könnte. Dies gilt insbesondere für die Äußerung des Vaters, daß er einer Rückkehr der Mutter sofort zustimmen würde. Allerdings rechtfertigten auch Fragen des Kindes über die Ursache des Scheiterns der Ehe nicht jede rückhaltslose Beantwortung, wie der Vater offenbar meint, weil hier auf den Reifegrad des Kindes Bedacht zu nehmen ist und eine Parteinahme des Kindes, dem in der Regel die Fähigkeit zu einer objektiven Beurteilung abgeht, verhindert werden soll. Auf solche Fragen ist nur behutsam und unter Bedachtnahme auf den Reifegrad und die Entwicklung des Kindes einzugehen. Daß auch abfällige Äußerungen über die mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebenden nahen Angehörigen, wie die mütterliche Großmutter, vom Besuchsberechtigten zu unterlassen sind, wird vom Vater ohnedies nicht in Abrede gestellt. Handelte es sich aber, wie im vorliegenden Fall, nur um einmalige Vorfälle, die keinerlei Irritierung des Kindes zur Folge hatten, kommt eine zeitliche Beschränkung oder Entziehung des Besuchsrechtes nicht in Betracht. Bei einem Kind im Alter von fast 5 Jahren bestehen grundsätzlich auch keine Bedenken gegen eine Übernachtung bei dem Besuchsberechtigten, wenn ein guter Kontakt zwischen diesem und dem Kind besteht und eine gesicherte Aufsicht und eine ausreichende Übernachtungsmöglichkeit gewährleistet sind (3 Ob 572/85). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben, steht doch fest, daß die Minderjährige zum Vater eine gute und enge Beziehung hat, der Vater Erzieher ist, einen eigenen Haushalt (selbst) führt und sein Besuchsrecht nur dann ausübt, wenn er mehrere Tage dienstfrei hat. Aus dem Vorbringen der Eltern (AS 35 bzw.49) ergibt sich überdies, daß die Minderjährigen bis November 1985 - abgesehen von den bereits erörterten Umständen, die aber mit der Übernachtung gar nicht zusammenhängen - beim Vater problemlos übernachtete. Der vom Rekursgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung bedarf es daher nicht. Eine mangelnde Bestimmtheit der Regelung könnte - worauf im Revisionsrekurs zutreffend hingewiesen wird - eine Aufhebung und Rückverweisung an die erste Instanz nicht rechtfertigen. Die Überlassung der Bestimmung der Besuchstage an den Vater entspricht den besonderen Umständen des Einzelfalles und wird von der Mutter ohnedies nicht bekämpft. Da das Rekursgericht im übrigen die Frage der Übernachtung ohnedies meritorisch behandelte, konnte der Oberste Gerichtshof in der Sache selbst entscheiden, weil eine Zurückverweisung an die zweite Instanz zur neuerlichen Entscheidung nur eine überflüssige Formalität wäre. Der Oberste Gerichtshof entscheidet hier auch nicht über eine Frage, über die er unter Umständen gar nicht zu entscheiden hätte (RZ 1977/52; 1 Ob 187/72). Demgemäß ist dem Revisionrekurs Folge zu geben, jedoch in Abweichung vom Rekursantrag im wesentlichen im Sinne des Antrages des Vaters (AS 35) zu entscheiden. Allerdings wäre ein Beginn des Besuchsrechtes am späten Nachmittag, wie es vom Vater beantragt wurde, für ein Kleinkind wenn der mit der Zureise zum Wohnort des Vaters verbundenen Belastungen nicht zweckmäßig. Andererseits war aber im Hinblick auf den Zeitbedarf für die Rückführung des Kindes, wie er sich aus der Darstellung des Vaters (AS 37) ergibt, das Besuchsende mit 17,30 Uhr festzusetzen.
Wien, am 30. Juli 1986
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