Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß die Entscheidung der ersten Instanz wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.433,60 (darin S 905,60 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger begehrt von der Beklagten in seiner am 6.11.1992 erhobenen Klage die Zahlung von S 91.972,80 s.A. mit der Begründung, sie schulde ihm diesen Betrag für gelieferte Waren und erbrachte Leistungen.
Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, dem Kläger nie einen Auftrag erteilt zu haben. Die Beklagte als Generalunternehmerin des Manfred G***** habe den Kläger nur um die Erstellung eines Kostenvoranschlages für die Mängelbehebung ersucht. Der Klagsbetrag sei exorbitant überhöht.
Der Kläger replizierte auf dieses Vorbringen, daß ihm nach Erstattung eines Sanierungsvorschlages vom Geschäftsführer der beklagten Partei der Auftrag zu den gegenständlichen Arbeiten mündlich erteilt worden sei.
Als das Erstgericht nach Durchführung mehrerer Tagsatzungen, in denen es die namhaft gemachten Zeugen und die Parteien einvernahm, die Parteienvertreter zur Vorlage der Kostenverzeichnisse aufforderte, stützte der Klagevertreter die Klage "neben der behaupteten Auftragserteilung zusätzlich auch auf alle anderen sachlich in Betracht kommenden Rechtsgründe". Die Beklagte sei durch die Leistungen des Klägers bereichert, weil sie "auf Grund der Mängelbehebung" von G***** die Gesamtzahlung für das Bauvorhaben erhalten habe; das Klagebegehren werde auch auf den Titel der Geschäftsführung ohne Auftrag gestützt.
Der Beklagtenvertreter sprach sich gegen die Zulassung dieser Klagsänderung aus.
Das Erstgericht ließ die Klagsänderung zu und ordnete die Durchführung des schon in der Tagsatzung vom 17.12.1992 beschlossenen Sachverständigenbeweises aus dem Glasereiwesen an. Die Klagsänderung sei zwar viel zu spät vorgenommen worden, durch ihre Zulassung könnten aber die streitigen Rechtsbeziehungen endgültig entschieden werden. Daß der dazu erforderliche Prozeßaufwand im wesentlichen jenem entspreche, der mit der Einbringung einer neuen Klage verbunden wäre, stehe der Zulassung der Klagsänderung nicht entgegen.
Das Rekursgericht änderte mit der angefochtenen Entscheidung diesen Beschluß in eine Nichtzulassung der Klagsänderung ab. Es erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für unzulässig. Die Frage, ob eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung des Verfahrens zu befürchten sei, sei nach dem Zeitpunkt der Klagsänderung zu beurteilen. Im vorliegenden Fall könne bereits eine Entscheidung über das bisher gestellte Begehren gefällt werden. Das geänderte Begehren hingegen würde umfangreiche Beweisaufnahmen, die jedenfalls auch die Höhe der Klagsforderung zum Gegenstand haben müßten, erfordern. Die dadurch entstehende erhebliche Verzögerung der Verhandlung stehe einer Zulassung der Klagsänderung entgegen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig und berechtigt.
Eine Klagsänderung im Sinne des § 235 Abs.1 ZPO liegt vor, wenn das Klagebegehren erweitert oder sonst geändert wird; auch eine Änderung des Klagsgrundes - also des tatsächlichen Vorbringens des Klägers - fällt unter diese Bestimmung, wenn die rechtserzeugenden Tatsachen ergänzt oder durch andere ersetzt werden (SZ 48/113 ua; 6 Ob 510/91; Fasching ZPR2 Rz 1240, Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht2 196). Eine Änderung der rechtlichen Qualifikation ist solange keine Klagsänderung, als sie nicht mit einer Änderung der vorgetragenen rechtserzeugenden Tatsachen verbunden ist; macht sie dagegen eine Veränderung oder ein Neuvorbringen rechtserzeugender Tatsachen erforderlich, dann liegt eine Änderung des Klagsgrundes und damit eine Klagsänderung vor. Lehre und Rechtsprechung legen die Bestimmung des § 235 Abs.3 ZPO dahin aus, daß Klagsänderungen aus Gründen der Prozeßökonomie tunlichst zuzulassen sind, wenn aus ihnen keine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung des Verfahrens zu besorgen ist, wenn sie den Parteien und dem Gericht einen zweiten Prozeß ersparen und ihrer Art nach geeignet sind, das streitige Verhältnis zwischen den Parteien erschöpfend und endgültig zu bereinigen, und weiters, wenn die Dauer sowie die Kosten des neuen Rechtsstreites voraussichtlich höher wären als der durch die Klagsänderung notwendig werdende zusätzliche Aufwand (vgl. RZ 1993/81); weder die Aussichtslosigkeit des ursprünglichen Begehrens noch die Notwendigkeit einer Vertagung rechtfertigen in einem solchen Fall für sich allein die Zurückweisung einer Klageänderung (4 Ob 563/88, 4 Ob 10/88). Davon ausgehend hat der Oberste Gerichtshof Klageänderungen vor allem dann nicht zugelassen, wenn nach Durchführung eines Beweisverfahrens schon abschließend geklärt war, daß der ursprünglich geltend gemachte Anspruch nicht zu Recht besteht; in einem solchen Fall soll dem Kläger nicht mehr die Möglichkeit eingeräumt werden, durch eine Änderung seines Begehrens den Rechtsstreit auf einer ganz neuen Grundlage mit neuen Beweismitteln fortzusetzen. Anders verhält es sich, wenn - wie hier - zur Stützung des geltend gemachten Anspruches über das ursprüngliche Vorbringen hinaus ein weiteres Vorbringen bzw ein weiterer Rechtsgrund vorgetragen wird und der behauptete zusätzliche Sachverhalt auf derselben Ebene liegt, insbesondere nur eine weitere rechtliche Komponente bildet. In solchen Fällen wurden Klageänderungen aus Gründen der Prozeßökonomie selbst dann zugelassen, wenn das ursprüngliche Begehren im abweislichen Sinn spruchreif wäre (vgl SZ 27/167; ArbSlg 8021; SZ 47/49; 4 Ob 563/88).
Die ursprünglichen Klagsbehauptungen waren ganz allgemein gehalten; sie bedurften der vom Kläger tatsächlich in Erwiderung auf die Klagebeantwortung vorgenommenen Ergänzungen durch die Behauptung einer Auftragserteilung durch den Geschäftsführer der beklagten Partei. Entgegen der augenscheinlichen Rechtsansicht des Rekursgerichtes steht aber noch keineswegs fest, daß der daraus abgeleitete Anspruch nicht zu Recht besteht; sollten die Vorinstanzen nämlich zum Ergebnis kommen, daß die Aussagen des Klägers, seines Bruders und seiner Gattin glaubwürdiger als jene des Geschäftsführers der beklagten Partei sind, wäre dennoch die Höhe des geltend gemachten Anspruches durch ein Sachverständigengutachten aus dem Glaserwesen zu überprüfen. Aber auch wenn der Kläger schon in Erwiderung der Einwendungen in der Klagebeantwortung hilfsweise seinen Anspruch auch auf die nunmehr zusätzlich geltend gemachten Rechtsgründe der Bereicherung bzw der Geschäftsführung ohne Auftrag gestützt hätte, wäre das Beweisverfahren in der vorliegenden Form zunächst durch Einvernahme der Zeugen und Parteien durchgeführt worden. Daß der Kläger ein zusätzliches Vorbringen erst so spät erstattet hat, beeinflußt daher die Durchführung des Verfahrens nicht in entscheidender Weise, und es kann nicht davon gesprochen werden, daß der Kläger mit seinen hilfsweise vorgetragenen zusätzlichen Rechtsgründen den Rechtsstreit auf einer ganz neuen Grundlage mit ganz neuen Beweismitteln fortsetzen will. Insoweit ist daher das Rekursgericht tatsächlich von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen und war in Stattgebung des Revisionsrekurses des Klägers der erstgerichtliche Beschluß wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO (Zwischenstreit).
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