OGH 7Ob616/95

OGH7Ob616/9518.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj.Etienne T*****, hier vertreten durch das Amt für Jugend und Familie, Wien 19., als Unterhaltssachwalter infolge außerordentlichen Rekurses des Vaters Edwin S*****, vertreten durch Dr.Ernst Gramm, Rechtsanwalt in Neulengbach gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13.Juni 1995, GZ 45 R 471/95-48, mit dem infolge Rekurses des Vaters der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 12.April 1995, GZ 7 P 58/90-43, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung über den Herabsetzungsantrag des Vaters nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Der Vater war aufgrund der anläßlich des Vaterschaftsanerkenntnisses getroffenen Vereinbarung vom 21.3.1978 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 1.000 für seinen unehelichen Sohn Etienne T*****, der bei der Mutter aufwächst, verpflichtet. Der Vater hat sonst keine Sorgepflichten. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 8.10.1991 wurden die Unterhaltsbeiträge ab 1.6.1990 antragsgemäß auf S 5.000 monatlich erhöht. Diesem Beschluß lag die Annahme des Erstgerichtes zugrunde, daß der Vater zwei Häuser und eine vermietete Eigentumswohnung besitze und daß er ein Pokalgeschäft und eine Geflügelzucht betreibe, so daß von einem Monatsnettoeinkommen von S 25.000 ausgegangen werden könne.

Mit Eingabe vom 4.10.1993 stellte der Vater den Antrag, die Unterhaltsbeiträge rückwirkend ab 1.11.1991 auf S 3.300 monatlich herabzusetzen. Er brachte vor, ab 1.8.1991 in Pension zu sein. Er beziehe eine eigene Pension von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in Höhe von S 6.920,30 14mal jährlich sowie eine Witwerpension von der PVA der Angestellten von S 7.180 14mal jährlich. Ansonsten habe er kein Einkommen. Seine beiden Häuser seien mit Pfandrechten in Höhe von mehreren Millionen Schilling belastet, die aus Verbindlichkeiten aus dem seinerzeit betriebenen Unternehmen resultierten.

Der Unterhaltssachwalter sprach sich gegen den Herabsetzungsantrag aus. Der Vater besitze vier Grundstücke, zwei Häuser und eine Eigentumswohnung. Zwei Grundstücke seien landwirtschaftlich genutzt, so daß daraus Einkünfte erzielt würden. Der Vater betreibe nach wie vor die Geflügelzucht.

Der Vater behauptete in einer schriftlichen Äußerung hiezu, daß er die Liegenschaft EZ 453 der KatGem U***** inzwischen verkauft habe, um seine Schulden teilweise abzudecken. Es sei unrichtig, daß er über landwirtschaftlich genutzte Grundstücke verfüge.

Das Erstgericht bestellte daraufhin einen Sachverständigen mit dem Auftrag, ein schriftliches Gutachten über die gesamten Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vaters, über seine gesamten monatlichen Brutto- und Nettoeinnahmen und über die aus dem Privatvermögen erzielbaren Einkünfte zu erstellen. Zugleich wies es den Vater an, den Vorladungen des Sachverständigen nachzukommen, die zur Erstattung des Gutachtens angeforderten Unterlagen unverzüglich zur Verfügung zu stellen und dem Sachverständigen alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen, widrigenfalls anhand der Aktenlage über den vorliegenden Herabsetzungsantrag entschieden werde.

Nach Einlangen dieses Gutachtens wies das Erstgericht den Herabsetzungsantrag des Vaters ab. Es stellte fest, daß der Vater neben seinen Pensionsbezügen auch Mietzinseinnahmen von S 1.800 monatlich habe. Für 1992 sei von Einkünften einschließlich der Mietzinse von S 16.972, für 1993 von solchen von S 17.456 und für 1994 von solchen von S 18.163 im Monatsschnitt auszugehen. Zum Stichtag 31.3.1994 hafteten folgende Kreditbelastungen aus:

S 870.771,83 aus dem Kredivertrag vom 3.1.1989; S 605.213 aus dem Kreditvertrag vom 21.3.1988; S 494.887 zu Kontonummer 1-00.004.705; S

378.546 aus dem Kreditvertrag vom 20.2.1990.

Das Erstgericht führte weiters aus, der Vater habe dem Sachverständigen keine Lohnzettel und die Unterlagen über die Pensionsbezüge nur lückenhaft vorgelegt. Er habe dem Sachverständigen auch keine Unterlagen über den Gewerbebetrieb, insbesondere keine Bilanz für 1991 vorgelegt, so daß nicht habe überprüft werden können, ob Veräußerungsgewinne erzielt worden seien. Im Hinblick auf die feststellbaren Einkünfte des Vaters einerseits und auf die erhebliche Schuldenbelastung andererseits könne "unter freier Beweiswürdigung" davon ausgegangen werden, daß der Vater über weitere, den Erhebungen entzogene Einkommens- und Vermögenswerte verfüge, woraus auf ein monatliches Durchschnittseinkommen von weiterhin zumindest S 25.000 geschlossen werden könne.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es teilte die Auffassung des Erstgerichtes und meinte, daß der die Herabsetzung begehrende Vater zur Vorlage der vom Erstgericht angeführten Unterlagen an den Sachverständigen verpflichtet gewesen sei. Infolge der mangelnden Mitwirkung des Vaters an der Feststellung seines Einkommens sei der ihn treffende Beweis, daß seit der letzten Unterhaltsbemessung eine Einkommensminderung eingetreten sei, nicht gelungen.

Der gegen diesen Beschluß vom Vater erhobene Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinn einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsrekurs wird zutreffend auf den Widerspruch der Entscheidungen der Vorinstanzen zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes verwiesen, wonach der im Außerstreitverfahren geltende Untersuchungsgrundsatz zwar nicht zur Folge hat, daß es für die Parteien keine Beweislast gibt, daß aber die Beweislastregeln nur dann zum Tragen kommen, wenn das Gericht aufgrund seiner amtswegig vorzunehmenden Beweiserhebungen außerstande ist, eine ausreichende Tatsachengrundlage zu schaffen (RZ 1981,39; SZ 57/84; EvBl 1992/20). Der Umstand, daß die Beweisregeln auch für die vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahren von Bedeutung sind, bedeutet nicht, daß in den Fällen, in denen der Aufenthalt des Unterhaltspflichtigen bekannt ist und von der Unmöglichkeit der Durchführung von Ermittlungen keine Rede sein kann, die subjektive Beweislast, somit die Verpflichtung der Parteien, den Beweis der für ihren Rechtsstandpunkt günstigeren Tatsachen zu erbringen, die in § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG normierte Pflicht des Gerichtes, alle für die Entscheidung erforderlichen Tatsachen zu erheben, verdrängt. Vielmehr sind bei der Unterhaltsbemessung die Lebens-, Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen genau zu erheben (1 Ob 552/93).

Die Beweisaufnahme des Erstgerichtes hat sich darin erschöpft, einen Sachverständigen mit der Gutachtenserstellung über die finanzielle Situation des Vaters zu betrauen. Wie dies der Sachverständige bei dem spärlichen Akteninhalt, der im wesentlichen aus dem wechselseitigen Vorbringen einerseits des Vaters und andererseits des Unterhaltssachwalters sowie einigen Grundbuchsauszügen bestand, zufriedenstellend bewerkstelligen hätte sollen, ohne selbst umfangreiche Erhebungen durchzuführen und damit jene Aufgaben zu erfüllen, die primär dem Gericht zukommen, bleibt unklar. Bei Bedenken gegen das Vorbringen des Vaters über die Höhe seiner Pensionsbezüge wäre es ein Leichtes gewesen, diese durch entsprechende Anfragen bei den zuständigen Sozialversicherungsträgern auszuräumen. Die Fragen, ob der Vater sonstige Einkünfte bezieht, mit welchen Kreditrückzahlungen er monatlich belastet ist, aus welchem Grund diese Kreditbelastungen entstanden, mit welchen Mitteln er die Kreditraten finanziert, wie seine Liegenschaften genutzt werden, ob sein Grundbesitz Einnahmen abwirft, ob er neben seinen Pensionsbezügen und Mieteinnahmen noch weitere Einkünfte, insbesondere aus seinen (ehemaligen?) Gewerbebetrieben hat, ob er diese veräußert hat, welche Erlöse ihm allenfalls daraus zuflossen oder noch zufließen, wären zunächst an den Vater selbst im Rahmen einer ausführlichen persönlichen Einvernahme zu richten gewesen. Diese Einvernahme wird das Erstgericht nunmehr nachzutragen haben. Bei Bedarf nach Überprüfung seiner Angaben wird der Vater durch das Gericht selbst aufzufordern sein, allenfalls in seinen Händen befindliche Urkunden, von denen Aufklärung erwartet werden kann, vorzulegen. Sollten Bedenken gegen die Richtigkeit der Aussage des Vaters bestehen, werden seine Antworten durch entsprechende Erhebungen zu überprüfen sein, wie etwa durch die Beischaffung aktueller Grundbuchsauszüge und durch die Einvernahme jener Personen, an die er allenfalls seine Unternehmen und (oder) seine Grundstücke veräußert hat. Erst nach einer persönlichen Konfrontation des Vaters mit den für die Unterhaltsbemessung entscheidenden Fragen wird eine Würdigung seiner Aussage vorgenommen werden können und zu beurteilen sein, ob der Vater glaubwürdig bestrebt ist, seine finanzielle Situation richtig und vollständig darzulegen.

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