OGH 7Ob611/89

OGH7Ob611/896.7.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Vormundschaftssache des Wolfgang W***, Ebenbichl, Unterried 33, infolge Revisionsrekurses des Vaters Josef B***, Kfz-Mechanikermeister, Reutte, Innsbrucker Straße 27, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 28.April 1989, GZ 2 b R 68/89-211, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Reutte vom 6.April 1989, GZ P 82/72-207, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Rechtsmittelwerber ist der uneheliche Vater des am 11.4.1970 geborenen Wolfgang W***. Noch vor Erreichung der Volljährigkeit des Kindes beantragte der Vater das Erlöschen seiner Unterhaltspflicht wegen Selbsterhaltungsfähigkeit seines Sohnes auszusprechen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab, das Rekursgericht bestätigte

diese Entscheidung.

Folgender Sachverhalt steht fest:

Wolfgang W*** hat die vierklassige Fachschule für Metallbearbeitung und Werkzeugbau an der Höheren Technischen Bundesanstalt Fulpmes besucht, sich Ende des Schuljahres 1987/88 der Abschlußprüfung unterzogen und diese bestanden. Er könnte als Facharbeiter ins Berufsleben eintreten und würde auch einen Arbeitsplatz finden. Ein Absolvent der Fachschule kann in die

3. Klasse der Höheren Abteilung für Maschinen-, Werkzeug- und Vorrichtungsbau übertreten. Diese Ausbildung endet in der 5.Klasse mit Matura. Dadurch kann der Ingenieurtitel erworben, aber auch das Studium an einer Hochschule begonnen werden. Ein solcher Übertritt erfordert viel Anstrengung und persönlichen Einsatz. Wolfgang W*** ist nach Ablegung der Übertrittsprüfungen, die er bestanden hat, in die 3.Klasse der Höheren Abteilung übergetreten. Die Schulnachricht vom 11.2.1989 ist zwar "nicht besonders gut", aus ihr geht aber nicht hervor, daß Wolfgang W*** das Lehrziel nicht erreichen könne oder werde.

Nach der Ansicht der Vorinstanzen handle es sich bei dem weiterführenden Schulbesuch des Wolfgang W*** nicht um eine zweite Berufsausbildung, sondern um die Fortführung (Erweiterung) des begonnenen Ausbildungsweges. Zu einer Fortführung der Berufsausbildung habe der Unterhaltspflichtige beizutragen, wenn es ihm nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen möglich sei und das Kind die für die Erweiterung der Berufsausbildung nötigen Fähigkeiten besitze und die Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betreibe. Daraus, daß Wolfgang W*** im ersten Semesterzeugnis nach dem Übertritt in einem Fach keine positive Note erzielt habe, folge noch nicht, daß er für den Besuch der Höheren Abteilung nicht geeignet sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist unzulässig.

Über den Antrag des Vaters war ungeachtet der inzwischen eingetretenen Volljährigkeit des Kindes im Außerstreitverfahren zu entscheiden, weil der Antrag noch vor Eintritt der Volljährigkeit des Kindes gestellt worden war (EFSlg.37.101 mwN). Daß der Rechtsmittelwerber aufgrund seines Einkommens und seiner sonstigen Sorgepflichten nicht in der Lage wäre, weiterhin den festgesetzten Unterhalt zu leisten, wird nicht behauptet. Diese Frage gehört überdies zur Unterhaltsbemessung, über die gemäß § 14 Abs 2 AußStrG die zweite Instanz endgültig zu entscheiden hat, sodaß ein weiterer Rechtszug an den Obersten Gerichtshof unzulässig wäre (EFSlg.44.575 bis 44.577 ua). Auch die Frage, ob ein Kind selbsterhaltungsfähig ist, gehört zwar grundsätzlich zum Bemessungskomplex. Wenn es aber in erster Linie darum geht, ob dem Kind eine weitere Berufsausbildung ermöglicht werden soll und der Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit damit in untrennbarem Zusammenhang steht, liegt keine bloße Bemessungsfrage mehr vor (EFSlg. 44.072, 44.612; 3 Ob 551/85 ua). Dies ist hier zwar der Fall, da jedoch das Gericht zweiter Instanz die erstgerichtliche Entscheidung bestätigt hat, ist ein weiterer Rechtszug an den Obersten Gerichtshof gemäß § 16 Abs 1 AußStrG nur aus den Gründen der offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder der Nichtigkeit zulässig.

Eine offenbare Aktenwidrigkeit oder eine Nichtigkeit wird vom Rechtsmittelwerber weder ausdrücklich noch inhaltlich geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (EFSlg. 44.741, 42.327 uva). Eine unrichtige rechtliche Beurteilung ist nicht gleichbedeutend mit offenbarer Gesetzwidrigkeit und bildet keinen Anfechtungsgrund nach § 16 Abs 1 AußStrG (EFSlg 52.471 bis 52.743 ua). Zunächst ist den Vorinstanzen darin beizupflichten, daß der vorliegende Fall nicht mit jenen vergleichbar ist, in denen nach Erreichen der Selbsterhaltungsfähigkeit ein zweiter, von der bisherigen Berufsausbildung völlig verschiedener Bildungsgang ergriffen wurde (vgl hiezu EFSlg 47.182/2). Aber auch die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen einem Kind nach abgeschlossener Berufsausbildung eine Erweiterung dieser Ausbildung, die ihm bessere Berufschancen gibt, zuzubilligen ist, ist im Gesetz nicht geregelt. Das Gesetz verweist hier gemäß § 166 ABGB nur auf die Lebensverhältnisse des Kindes (§ 140 Abs 2 ABGB), auf die Lebensverhältnisse der Eltern (§ 146 Abs 2 ABGB) und auf das Wohl des Kindes (§ 147 ABGB). Die Beurteilung der Umstände, die in diesem Sinn für oder gegen den Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit bzw die Fortführung der Berufsausbildung sprechen, ist daher weitgehend eine Frage des Ermessens, deren Lösung schon begrifflich nicht offenbar gesetzwidrig sein kann (EFSlg 49.960; vgl auch EFSlg 44.663, 44.656). Daß aber das Gericht zweiter Instanz die obgenannten, im Gesetz angeführten Grundsätze überhaupt außer acht gelassen hätte, was eine offenbare Gesetzwidrigkeit bedeuten könnte (EFSlg 49.944), kann nicht gesagt werden.

Mangels Vorliegens eines Anfechtungsgrundes nach § 16 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.

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