Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt wird. Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 4.075,36 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 140 S Barauslagen und 357,76 S Umsatzsteuer) sowie die mit 2.677,25 S bestimmten Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof (darin 128 S Barauslagen und 231,75 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Rechtsvorgänger des Beklagten hat am 12. September 1938 das Objekt Nr. 4 im Hause Wien 1., Marco D'Aviano-Gasse 1, gemietet. Im Jahre 1979 wurden der 'Verwaltungsverein für die Mitglieder des Verbandes der österreichischen Röhrengroßhändler (Röhrenverband) und die Österreichische Vereinigung des Sanitär- und Heizungsgroßhandels' (in der Folge kurz Verwaltungsverein) sowie die österreichische Vereinigung des Sanitär- und Heizungsgroßhandels (in der Folge kurz Sanitärvereinigung) gegründet. Bei diesen beiden Vereinen sowie dem Beklagten handelt es sich um drei nach wie vor bestehende selbständige Vereine, wobei jedoch die Mitglieder des Beklagten und der Sanitärvereinigung automatisch Mitglieder des Verwaltungsvereines sind. Eine gegenseitige Mitgliedschaft der Vereine untereinander besteht nicht. Der Verwaltungsverein hat keine Mitglieder außer den Mitgliedern der beiden anderen Vereine, die ihrerseits keine Bediensteten haben, weil ihre Geschäfte durch den Verwaltungsverein in den vom Beklagten gemieteten Räume geführt werden. Rund 106 m 2 des ca. 310 bis 320 m 2 großen Bestandobjektes benützt der Verwaltungsverein, während die restlichen Räume an andere Untermieter vergeben sind bzw. gemeinsam von allen Untermietern verwendet werden. Die Geschäftstätigkeit des Verwaltungsvereines beschränkt sich darauf, einmal im Jahr den Mitgliedern, das sind die einzelnen Mitglieder des Röhrenverbandes und der Sanitärvereinigung, die Mitgliedsbeiträge vorzuschreiben und darauf zu achten, daß diese Beiträge einbezahlt werden. Der Verwaltungsverein hat 4 Beschäftigte, darunter drei Angestellte. Sein Vereinszweck ist, für den Röhrenverband und die Sanitärvereinigung die Verwaltung zu führen.
Im Jahre 1979 hat ein Geschäftsführer des Beklagten und der Sanitärvereinigung, der seit der Gründung des Verwaltungsvereines auch dessen Geschäfte führt, der Klägerin Mitteilung gemacht, sie möge fortan die Zinsvorschreibungen an den Verwaltungsverein richten, welchem Ersuchen die Klägerin entsprach.
Während das Erstgericht die auf § 30 Abs. 2 Z 4 Mietrechtsgesetz gestützte Aufkündigung für rechtswirksam erklärte, hob das Berufungsgericht diese Entscheidung unter Rechtskraftvorbehalt auf und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Es vertrat den Standpunkt, es habe zwar eine gänzliche überlassung des Bestandobjektes an eine vom Mieter verschiedene Person stattgefunden, doch werde in dem Bestandobjekt nach wie vor eine im Interesse des Mieters gelegene Tätigkeit entfaltet. Demnach sei der vorliegende Sachverhalt der Veräußerung eines Unternehmens vergleichbar. Eine solche Unternehmensveräußerung stelle jedoch nicht den herangezogenen Kündigungsgrund dar. Das Erstgericht müsse daher das Vorliegen eines weiteren geltend gemachten Kündigungsgrundes prüfen.
Rechtliche Beurteilung
Der von der Klägerin gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist gerechtfertigt.
Nach § 30 Abs. 2 Z 4 MRG kann ein Mietvertrag gekündigt werden, wenn der Mieter den Mietgegenstand mit oder ohne Beistellung von Einrichtungsgegenständen ganz weitergegeben hat und ihn offenbar in naher Zeit nicht für sich oder eintrittsberechtigte Personen dringend benötigt. Dieser Kündigungsgrund ist ident mit dem seinerzeitigen Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z 10 MietG (Würth in Rummel Rdz 21 zu § 30 MRG). Demnach stellt nach wie vor die Veräußerung eines Unternehmens und die damit verbundene überlassung der Benützung der gemieteten Betriebsräumlichkeiten an einen Dritten den Kündigungsgrund nicht her, soferne nicht die Veräußerung des Unternehmens lediglich den Zweck verfolgt, dem Erwerber die Ausnützung der Bestandrechte zu ermöglichen (Würth in Rummel Rdz 23 zu § 30 MRG, MietSlg. 33.362, 26.276 u.a.). Von einer Unternehmensveräußerung kann allerdings nur dann die Rede sein, wenn nach wie vor Identität des Unternehmens besteht (MietSlg. 31.389, 29.334, 25.316 u.a.). Identität des Unternehmensgegenstandes ist gegeben, wenn der Erwerber den Standort beibehalten, den Kundenstock übernommen und den Betrieb ohne Unterbrechung mit Waren gleicher Art fortgeführt hat (MietSlg. 32.364, 25.316, 24.320 u.a.). Wird dagegen das alte Unternehmen an einem anderen Standort wie bisher weitergeführt, so kann zwischen diesem Unternehmen und einem anderen, das am bisherigen Standort betrieben wird, keine Identität bestehen, weil eben von einer Unternehmensveräußerung nur dann die Rede sein kann, wenn ein und dasselbe Unternehmen übergegangen ist, nicht aber dann, wenn an Stelle dieses einen Unternehmens zwei selbständige Unternehmen verbleiben. Gerade dies ist aber hier der Fall, so daß von einer Unternehmensveräußerung keine Rede sein kann. Der erwähnte Kündigungsgrund ist allerdings auch dann nicht gegeben, wenn der Bestandnehmer an dem im Bestandobjekt geführten Unternehmen wirtschaftlich beteiligt bleibt (MietSlg. 31.394, 15.373 u. a.). Gerade dies liegt aber hier nicht vor, weil der nunmehrige Benützer des Bestandobjektes ein selbständiger Verein ist, der in keinerlei rechtlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Beklagten steht. Die Tatsache, daß die Vereinsmitglieder des Beklagten automatisch auch Mitglieder des das Bestandobjekt benützenden Verwaltungsvereines sind, ist rechtlich ohne Bedeutung. Dies begründet lediglich ein faktisches Naheverhältnis zwischen den beiden Vereinen, nicht aber eine wirtschaftliche oder rechtliche Beteiligung. Der Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z 10 MietenG und sohin jetzt des § 30 Abs. 2 Z 4 MRG liegt vor, wenn der Mieter die als Büro und Arbeitsraum gemietete Wohnung zur Gänze einem Dritten überlassen hat, an dem Unternehmen des Dritten wirtschaftlich nicht beteiligt ist, sondern lediglich eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zweier rechtlich völlig selbständiger Unternehmen mit dem Ziel einer gegenseitigen Unterstützung auf dem Markt und zum Teil auch im betriebswirtschaftlichen Bereich vorliegt, die aber in keinem Zusammenhang mit dem Bestandgegenstand steht, der dem Unternehmen des Mieters nicht mehr dient. Diese Kooperation begründet wohl ein wirtschaftliches Interesse des Mieters an dem Unternehmen des Dritten, nicht aber eine wirtschaftliche Beteiligung und rechtfertigt daher nicht die Annahme eines schutzwürdigen Interesses des Mieters an dem von ihm nicht mehr benötigten Bestandgegenstand (MietSlg. 33.357). Der vorliegende Fall ist dem hier zuletzt geschilderten vergleichbar. Der Beklagte ist am Verwaltungsverein weder rechtlich noch wirtschaftlich beteiligt. Es besteht lediglich infolge der Mitgliedschaft seiner Mitglieder beim Verwaltungsverein ein gewisses Naheverhältnis, das jedenfalls auch wirtschaftliche Interessen des Beklagten am Verwaltungsverein begründen wird. Solche wirtschaftliche Interessen reichen aber nicht aus, den Kündigungsgrund auszuschließen. Im übrigen führt der Verwaltungsverein für den Beklagten Büroarbeiten durch, die dieser sonst durch eigene Angestellte verrichten lassen müßte. Die Tatsache, daß der Beklagte von ihm vorzunehmende Arbeiten durch vereinsfremde Personen ausführen läßt, kann nicht dazu führen, daß diese fremden Personen bezüglich der Benützung gemieteter Wohnungen dem beklagten Verband gleichgesetzt werden. Würde der Beklagte in der Wohnung durch eigene Angestellte Verwaltungsarbeiten ausführen lassen, so wäre das eine Benützung der Wohnung durch den Beklagten selbst. überläßt er dagegen die Wohnung einem Angestellten, so begründet dies den Kündigungsgrund nach § 30 Abs. 2 Z 4 MRG auch dann, wenn der Angestellte als selbständiger Mieter der Wohnung weiterhin für den Beklagten tätig ist. Ein solcher Fall ist nämlich nicht mit der Veräußerung eines Unternehmens vergleichbar. Im Falle der Veräußerung eines Unternehmens gibt der Mieter seine bisher ausgeübte Tätigkeit zur Gänze auf, während das Bestandobjekt nach wie vor jenem Unternehmen dient, für das es gemietet worden ist. Betreibt dagegen der Mieter sein Unternehmen nach wie vor weiter, überläßt er jedoch das Bestandobjekt einer dritten Person, so erfüllt dies den oben erwähnten Kündigungsgrund auch dann, wenn diese dritte Person einzelne Tätigkeiten für das Unternehmen des Mieters ausübt. Richtig hat demnach das Erstgericht erkannt, daß durch die Weitergabe von Teilen des Bestandobjektes an den Verwaltungsverein und verschiedene Untermieter der Kündigungsgrund des § 30 Abs. 2 Z 4 Mietrechtsgesetz erfüllt worden ist. Einer Prüfung der Frage, ob die Klägerin seinerzeit der Untervermietung an zwei andere Untermieter zugestimmt hat oder nicht, bedurfte es nicht, weil diese Zustimmung lediglich einen Verzicht auf eine Teilkündigung wegen dieser Untervermietungen begründen hätte können. Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs. 2 Z 4 MRG wurde jedoch erst durch die gänzliche Untervermietung, demnach durch die Weitergabe des restlichen Bestandobjektes an den Verwaltungsverein, erfüllt. Daß aber eine stillschweigende Zustimmung der Klägerin zu einer Weitergabe an den Verwaltungsverein nicht angenommen werden kann, hat das Erstgericht zutreffend ausgeführt. Diesbezüglich enthält auch die Berufung der Beklagten keinerlei Argumente, die den erstrichterlichen Ausführungen entgegengehalten werden könnten. Infolge der nicht leicht durchschaubaren Verhältnisse bezüglich der verschiedenen Vereine untereinander mußte nämlich die Klägerin auch auf Grund des Ersuchens, nunmehr den Mietzins dem Verwaltungsverein vorzuschreiben, nicht erkennen, daß das Bestandobjekt von einer anderen Person als dem Mieter benützt wird. Gerade das weitere Verhalten des Beklagten läßt aber erkennen, daß dieser gegenüber der Klägerin absolut nicht ein Bemühen an den Tag legte, die tatsächlichen Verhältnisse aufzuklären, sondern daß der Beklagte vielmehr bestrebt war, den Eindruck der Kontinuität der Weiterbenützung durch den bisherigen Mieter zu erwecken. Da sohin die Sache im Sinn der Entscheidung des Erstgerichtes spruchreif war, konnte der Oberste Gerichtshof das erstgerichtliche Urteil wieder herstellen (§ 519 Abs. 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO, wobei jedoch von einem Streitwert von 24.000 S auszugehen war, weil der Ausspruch nach § 500 Abs. 2 ZPO (§ 528 Abs. 2 ZPO) nicht Grundlage für die Kostenbemessung sein kann.
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